Die Anti-Klima-Strategie von Öl-Gigant Exxon
Heimlich gefilmt: Zwei Öl-Lobbyisten sprechen über die Strategie des Öl-Konzerns Exxon-Mobil, Klimaschutz-Gesetze zu verwässern
Die Klimakrise hat viele Verursacher. Aber wohl kaum ein Unternehmen hat so viel dazu beigetragen, dass die Welt derart lange in die falsche Richtung lief wie der Ölkonzern Exxon-Mobil (Esso). Und obwohl der Konzern nun offiziell andere Töne anschlägt, klingen die heimlich aufgenommenen Aussagen zweier Exxon-naher Lobbyisten als habe man weiterhin kein Interesse daran zum Ende der Klimakrise beizutragen.
Wissenschaftliche Mitarbeiter von Exxon, Shell, Texaco, Amoco, Philipps und anderen Unternehmen erforschten in den 1970er-Jahren als Mitglieder einer Arbeitsgruppe des American Petroleum Institute (API) die Ursachen des Klimawandels. Den Wissenschaftlern und damit auch der Konzernführung wurde damals rasch klar, dass die eigenen Produkte ein massives Problem für die Umwelt darstellten. Schließlich entstand beim bestimmungsgemäßen Verbrennen das Treibhausgas CO2 in großen Mengen.
Die Forschungsabteilung „Exxon Research & Engineering“ schlug den Geschäftsführern sogar vor, das Unternehmen zum Vorreiter bei der Lösung des Problems zu machen. Dazu kam es nicht.
Die Managerriege um Rex Tillerson, später US-Außenminister unter Donald Trump, entschied sich damals, das Problem zu vertuschen. Anstatt in erneuerbare Energien wurde in den Aufbau von Lobbystrukturen investiert, die Zweifel am menschengemachten Klimawandel säen sollten. Mit großem Erfolg.
In den 80er-Jahren wandelte sich das API zu einem Lobbyverein, dem es am Ende sogar gelang, dass die USA unter George Bush jun. aus dem Kyoto-Vertrag ausstiegen.
In jüngster Zeit jedoch hieß es von Seiten der Manager des seit der Fusion mit einem ehemaligen Konkurrenten Exxon-Mobil genannten Konzerns immer wieder, man habe den Klimawandel als Problem erkannt. Und man befürworte unter anderem einen CO2-Preis, um die notwendige Abkehr von Öl, Gas und Kohle einzuleiten.
Ein Video der Umweltgruppe Greenpeace UK lässt diese Aussagen nun als wenig glaubwürdig erscheinen. Die Organisation fädelte ein Gespräch mit Keith McCoy ein, dem Senior Director of Federal Relations bei Exxon Mobil. Er ist also für die Kontakte zur Bundesregierung, dem Abgeordnetenhaus und Senat zuständig. Beiden altgedienten Lobbyisten der Ölindustrie wurde vorgegaukelt, sie würde sich mit einem Headhunter treffen, im Auftrag eines Kunden, der ihre Lobbyarbeit „bewundere“. Die Videoanrufe wurden heimlich aufgezeichnet.
Während des Gesprächs bestätigt McCoy, dass das Unternehmen in der Vergangenheit die Klimawissenschaft durch „Schattengruppen“ aggressiv bekämpft hat. Die Kohlendioxid-Steuer hält McCoy für „ein großartiges Gesprächsthema“ („talking points“) für Ölmanager, aber er gehe fest davon aus, dass die Steuer niemals realisiert werde. „Niemand wird eine Steuer für alle Amerikaner vorschlagen.“
Did we aggressively fight against some of the science? Yes.
– Keith McCoy
Der ebenfalls gefilmte Dan Easleys, bis Februar 2021 Exxons Lobbyist im Weißen Haus, antwortet auf Frage, ob denn die Lobbystrategie von Erfolg gekrönt gewesen sei, mit einem breiten Grinsen und dem Satz: „Googeln Sie einfach ExxonMobil und Donald Trump Ankündigung". Tatsächlich machte Ex-Präsident Donald Trump aus seiner Begeisterung für das Unternehmen keinen Hehl. Für einen Ausbau von Chemiewerken und Raffinerien am Golf von Mexiko wurde sich 2017 gar per Pressemitteilung aus dem Weißen Haus bei dem "großartigen Unternehmen" Exxon Mobil bedankt.
In einer Reaktion auf das veröffentlichte Video sagte Darren Woods, Exxon-Chef, die Kommentare „repräsentieren in keiner Weise die Position des Unternehmens zu einer Vielzahl von Themen, einschließlich der Klimapolitik, und unserer festen Überzeugung, dass die Bepreisung von Kohlenstoff wichtig ist, um den Klimawandel anzugehen“. McCoy und ein weiterer Lobbyist, der von Greenpeace interviewt wurde, seien nie an der Entwicklung der politischen Positionen des Unternehmens zu den diskutierten Themen beteiligt gewesen.
Das klingt bei dem heimlich gefilmten Manager indes anders. Zwar reagierte McCoy inzwischen auf die publizierte Geschichte mit einem Statement auf LinkedIn. Darin heißt es, dass seine Aussagen „eindeutig nicht die Positionen von ExxonMobil repräsentieren“ und dass einige seiner Kommentare "aus dem Zusammenhang gerissen wurden".
Während des aufgezeichneten Anrufs beschreibt McCoy jedoch detailliert wie der Öl- und Gasriese eine Reihe einflussreiche US-Senatoren sowohl der Republikaner als auch Demokraten bearbeitet hat, um die Klimaschutzmaßnahmen in Präsident Joe Bidens Vorzeige-Infrastrukturplan zu schwächen.
Biden hatte ursprünglich vorgeschlagen, Milliarden in den Aufbau erneuerbarer Energien zu investieren, um die Verbrennung von fossilen Brennstoffen zu reduzieren. Finanziert werden sollten die ehrgeizigen Pläne durch höhere Unternehmenssteuern.
Die Demokraten haben im US-Kongress eine Mehrheit – aber sie ist hauchdünn. Mit dem demokratische Senator Joe Manchin, den My Coy den „Königsmacher“ nennt, weil er mit seiner Stimme Gesetze zu Fall bringen kann, habe er nahezu jede Woche gesprochen, erzählt der Lobbyist freimütig. Eben jener Manchin droht inzwischen die Initiativen von Joe Biden zu blockieren.
Der Greenpeace-Mitschnitt legt nahe, dass durchaus nicht alle Management-Ebenen des Konzerns das Bekenntnis des Konzernchefs zu den Pariser Klimaschutzverträgen mittragen – falls das überhaupt je ehrlich gemeint war.