Neue Studie: Ohne Moorschutz ist das 1,5-Grad-Ziel beim Klima nicht zu erreichen

Weltweites Konsortium von mehr als 200 Wissenschaftlern legt umfassende Bestandsaufnahme vor. Besonders in Europa und in Indonesien setzen trockengelegte Torfgebiete riesige Mengen Treibhausgase frei. Bundesregierung will Moore in Deutschland auf 250.000 Hektar revitalisieren

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Drohnenfoto des überschwemmten Stadtbruchs

Ohne einen effektiven weltweiten Schutz von Mooren und Torfböden ist das Ziel, die Erderwärmung auf unter 1, 5 Grad Celsius zu begrenzen, nicht zu erreichen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Konsortium von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus aller Welt in einer neuen Studie, die sie beim Weltklimagipfel (COP27) im ägyptischen Scharm el-Scheich vorgestellt haben. Grund für die überraschend wichtige Rolle von Mooren und Torfböden im Klimasystem der Erde ist, dass sie große Mengen Kohlenstoff speichern, die aber freiwerden, wenn sie austrocknen oder abbrennen.

In Auftrag gegeben wurde das „Global Peatlands Assessment“ vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP). Dessen Exekutivdirektorin Inger Anderson hob hervor, dass Moore nur drei Prozent der Landfläche ausmachten, aber 30 Prozent des gesamten im Boden vorhandenen Kohlenstoffs speicherten. Komme es zum befürchteten Auftauen von Moorböden in der arktischen Tundra, so könne dies einen Kipppunkt zum Schlechten bei der Erderwärmung darstellen.

Das „Global Peatlands Assessment“ ist ein Gemeinschaftswerk von 226 Expertinnen und Experten aus 54 Ländern. Die Initiative zu einer umfassenden Bestandsaufnahme der weltweiten Moore und zu ihrem Schutz geht auf die Weltklimakonferenz 2016 in Marokko zurück. Die detaillierte Datenbank der globalen Moorflächen wird vom Greifswald Moor Centrum betreut, dessen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler maßgeblich an der Studie beteiligt waren. „Es ist die erste umfassendste Bestandsaufnahme zu Verbreitung und Zustand der Moore weltweit“, sagte Mitautorin Franziska Tanneberger vom Greifswald-Centrum, neben der grossen Bedeutung für den Klimaschutz zeigt die Studie auf vielen neuen Karten, wie die Moore der Welt genutzt werden und welche Ökosystemleistungen sie erbringen.„

Moore sind Kohlenstoffspeicher und wichtige Lebensräume

Den Analysen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zufolge setzen von Menschen gestörte Torfböden jährlich weltweit das Äquivalent von zwei Milliarden Tonnen Kohlendioxid frei. Dabei werden neben Kohlendioxid auch Methan und Lachgas eingerechnet, die pro Molekül jeweils deutlich stärker zur Erwärmung beitragen als Kohlendioxid. Die Menge entspricht zwei Prozent der insgesamt in die Atmosphäre emittierten 50 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente.

An der verbleibenden Menge Treibhausgase, die die Menschheit noch in die Atmosphäre blasen kann, bevor eine Erwärmung von 1, 5 Grad Celsius erreicht ist, machen die Emissionen aus Mooren den Berechnungen zufolge 41 Prozent aus. “Ohne effektiven Moorschutz gibt es keine Chance, das 1, 5-Grad-Ziel zu erreichen", betonte bei der Präsentation auch Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium.

Moore gibt es hauptsächlich im Norden Russlands und Kanadas, in Skandinavien, Weißrussland, im Kongo und in Indonesien.
Weltkarte der Moore: Dunkelbraun sind sehr kohlenstoffreiche Torfböden, in hellerem Ton Mosaike von Torf und Mineralböden zu sehen.

Wo immer man zulässt, dass Moore beschädigt oder entwässert werden, werden über Jahrzehnte hinweg schädliche Emissionen freigesetzt.

Inger Andersen, Exekutivdirektorin UNEP

Die Autorinnen und Autoren des „Global Peatlands Assessment“ haben in bisher beispielloser Genauigkeit ermittelt, wo auf der Erde sich Moore und Torfböden erstrecken. Die größten Gebiete gibt es demnach im Norden Russlands, in Skandinavien, im Kongobecken, in Kanada, Indonesien, Peru und Mittel- bis Osteuropa. Auch in der Karibik gibt es Vorkommen. Die Gesamtfläche von Moorböden wird in der Studie mit 500 Millionen Hektar beziffert. Das entspricht der 14 fachen Größe Deutschlands. Moorforscherin Tanneberger betonte, die Forschungsarbeiten hätten zugleich gezeigt, „dass wir besonders in tropischen und subtropischen Ländern noch grosse Wissenslücken zum Vorkommen von Mooren haben – und wie sich diese schließen lassen.“

Kohlendioxid wieder aus der Atmosphäre entnehmen

Menschen setzen Mooren weltweit auf vielfältige Weise negativ zu, warnen die Forscher: „Sie werden für Land- und Forstwirtschaft trockengelegt, durch Überweidung erodiert, als Brennstoff und Gartenmaterial abgebaut und durch Menschen chemisch verschmutzt.“ Zudem werde der Wasserhaushalt von Mooren durch Infrastrukturprojekte gestört. Teils würden sie auch absichtlich in Brand gesteckt, wodurch erhebliche Mengen an Treibhausgasen frei würden.

Demonstranten mit Bild einer Erde, die ein Fieberthermometer im Mund hat und ächzt.
Protest während der Klimakonferenz in Ägypten,
Versammlungshalle mit großem Podium, an dem neun Menschen sitzen.
Das Plenum des UN-Gipfels soll weitreichende Beschlüsse zum Klimaschutz fassen.
Demonstranten mit Schild „Restore Health and Land".
Vor allem Vertreter indigener Gemeinschaften fordern die Regeneration zerstörter Naturgebiete.
Im Hintergrund riesige Rauchwolken von einem Moorbrand, davor in der Landschaft zwei verzweifelte Feuerwehrleute.
Brennende Moorböden – wie hier im Süden der indonesischen Insel Sumatra im Juni 2022 – setzen gewaltige Mengen Kohlendioxid frei.
Eine sympathische Frau vor dem Hintergrund einer Wasserfläche mit Schilf.
Die Moorforscherin Franziska Tanneberger vom Greifswald Moor Centrum gehört zu den Hauptautorinnen des Global Peatlands Assessment.

Klimakrise und Biodiversitätsverlust verstärken sich gegenseitig.

Steffi Lemke, Bundesumweltministerin

Ein männliches Blaukehlchen steht aufrecht auf einem Rasen.
Das Blaukehlchen lebt in ungestörten Feuchtgebieten.
Die große Eule fliegt niedrig mit ausgebreiteten Flügeln über den Boden, sie hat ein Nagetier im Schnabel.
Eine Sumpfohreule nach erfolgreicher Jagd.
Pflanze mit Blättern, an denen Insekten an natürlichem Klebstoff hängenbleiben.
Der Rundblättrige Sonnentau (Drosera rotundifolia) ist eine fleischfressende Pflanze und typisch für Moorgebiete.
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