Klimaschutz durch Geoengineering: Mit Millionen Tonnen Diamanten gegen die Erderwärmung

Ohne Geoengineering wird die Menschheit die Klimakrise nicht bewältigen. Doch welche Eingriffe in den Planten werden erwogen – und lassen sie sich ethisch vertreten?

vom Recherche-Kollektiv Klima & Wandel:
5 Minuten
Im Vordergrund einer Halle stehen wandartige Strukturen mit weißen Rippen. Im Hintergrund sieht man Berge.

Geoengineering, der massive Eingriff in die Mechanismen des Planeten Erde, war in der Klimaschutzbewegung lange Zeit ein verpöntes Thema. Gemeint sind damit technische Maßnahmen, die entweder der Atmosphäre das Treibhausgas Kohlendioxid entziehen oder die verringern, wie viel Wärmeenergie der Sonnenstrahlung das Erdsystem speichert. Wer sich zu sehr auf die Reparatur eines Schadens verlässt, vernachlässigt womöglich, den Schaden von vornherein zu minimieren – so die bis heute gültige Kritik.

Doch spätestens seit dem Bericht des Weltklimarats aus dem Jahr 2018 ist klar: Geoengineering wird zu den Werkzeugen gehören, von denen die Menschheit Gebrauch machen muss, um auf diesem Planeten zu überleben. Klimaschutz allein wird nicht mehr ausreichen. Dafür erfolgt er zu spät und zu langsam – auch wenn das jede vermiedene Tonne CO2 nur umso wichtiger macht.

Es werden immer Unsicherheiten bleiben

Allerdings ist Geoengineering noch aus einem weiteren Grund heftig umstritten. „Es wird sehr direkt in ein komplexes System eingegriffen, das aufgrund der Komplexität nicht komplett vorhersagbar ist“, warnt etwa Rafaela Hillerbrand, Technikethikerin am Karlsruher Institut für Technologie. „Egal wie gut unser (zukünftiges) Wissen über das Klimasystem ist, es werden immer Unsicherheiten bleiben.“ Nicht zuletzt birgt Geoengineering geopolitischen Sprengstoff: Was wäre, wenn ein Staat unabgesprochen Maßnahmen ergreift, die in anderen Staaten unerwünschte Folgen haben – etwa eine Veränderung der Niederschlagsmuster?

Die US-amerikanische Fachgesellschaft für Geophysik (AGU) hat deshalb in diesem Jahr Ethik-Empfehlungen veröffentlicht, wie Geoengineering erforscht werden sollte – oder eben auch nicht.

CO2 aus der Luft filtern

Die unstrittigste Geoengineering-Maßnahme besteht darin, CO2 über Filter der Atmosphäre zu entziehen. Tatsächlich laufen erste Demonstrationsanlagen bereits. Ihr Vorteil: Anders als Wälder oder Moore benötigen sie deutlich weniger Fläche. Ihre Nachteile: Die Verfahren erfordern pro Tonne CO2 Hunderte Kilowattstunden grünen Strom und Wärmeenergie.

Orca, die erste große Anlage dieser Art, steht auf Island und kann jährlich 4000 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernen und speichern. Das ist etwa so viel, wie 400 Menschen in Deutschland pro Jahr verursachen. Allein für die deutschen Emissionen bräuchte es also mehr als 200.000 derartige Anlagen. 2024 nahm Orcas Nachfolger, Mammoth, auf Island den Betrieb auf. Die bislang weltgrößte Anlage soll pro Jahr bis zu 36.000 Tonnen CO2 der Atmosphäre entziehen. Gespeichert werden soll das Treibhausgas unterirdisch, gebunden in Basaltgestein. In den 2030er Jahren will das Unternehmen die Megatonnengrenze überschreiten. Die US-Regierung stellt dafür 600 Millionen US-Dollar Fördermittel bereit.

Algenwachstum fördern

Analog zur Aufforstung wird die Meeresdüngung diskutiert. Werden dem Ozean Eisen und andere Nährstoffe zugeführt, fördert das das Wachstum von Mikroalgen, die dabei Kohlenstoff in ihrer Biomasse binden, der wiederum aus der Menge an CO2 stammt, die das Meer aus der Atmosphäre aufgenommen hat. Lokale Pilotprojekte hat es schon von mehr als zehn Jahren gegeben. Im Idealfall könnten so wohl ein bis drei Gigatonnen CO2 gebunden werden – realistisch eher ein Zehntel davon. 2023 verursachte die Menschheit etwa 39 Gigatonnen Kohlendixoid. Unklar ist dabei nicht nur, für wie viele Jahre die Mikroalgen das Treibhausgas binden könnten, bevor es wieder in die Atmosphäre gelangt, sondern auch, wie sich das massive Wachstum auf das Ökosystem Meer auswirken würde.

Sonnenlicht reflektieren

Noch radikaler erscheint die Idee, kleine Teilchen in die Atmosphäre zu befördern, die dort einen Teil der Sonnenstrahlung zurück ins All reflektieren sollen, damit sich die Erde weniger aufheizt. Das Vorbild stammt aus der Erdgeschichte: Vulkanausbrüche schleudern Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Atmosphäre, das dort mit Wasserdampf Aerosole bildet, die das Sonnenlicht zurückwerfen. Der Ausbruch des Pinatubo im Jahr 1991 etwa kühlte das globale Klima für mehrere Jahre um 0,5 Grad Celsius.

Blick über einen Acker auf eine Bergkette, über der einge gigantische Stauberuption aufsteigt.
Die Eruption des Pinatubo war eine der größten des 20. Jahrhunderts. Die Aerosole, die dabei in die Atmosphäre gelangte, kühlten das globale Klima für mehrere Jahre um 0,5 Grad Celsius.

Derartige Aerosole enthalten jedoch Schwefelsäure – den Hauptbestandteil des sauren Regens. Auch die Ozonschicht kann durch derartige Aerosole Schaden nehmen. Klimaforscher der ETH Zürich haben deshalb unlängst sechs mögliche Alternativen ausgewertet. Ideale Teilchen sollten nur langsam wieder aus der Atmosphäre ausfallen und keine Klümpchen bilden. Letztere würden Sonnenenergie eher speichern als reflektieren. Mit einem Supercomputer simulierten die Forscher mit modernen Klimamodellen, wie sich beispielsweise Aluminium oder Calcit über 45 Jahre in der Atmosphäre auswirken würden. Am Ende fanden die Fachleute einen klaren Favoriten: Diamantstaub.

Bergeweise Diamanten und gigantische Schutzfolien

Diamantstaub reflektiert Sonnenlicht besonders effektiv, bleibt lange in der Atmosphäre, bildet keine Klümpchen und ist chemisch so träge, dass er auch keine Reaktionen eingeht, die etwa zu saurem Regen führen könnten. Um die Erde um 1,6 Grad Celsius zu kühlen, wären demnach jährlich fünf Millionen Tonnen synthetischer Diamanten erforderlich, die mit Flugzeugen in der Stratosphäre verteilt werden müssten. Die Maßnahme wäre mit Diamanten 2400-mal so teuer wie mit Schwefeldioxid: 175 Billionen US-Dollar für die Jahre 2035 bis 2100.

Als Schutz vor einem weiteren Meeresspiegelanstieg werden auch riesige Unterwasservorhänge diskutiert, die das warme Meerwasser von den Gletschern Grönlands und der Antarktis trennen sollen, um zu verhindern, dass diese noch schneller abschmelzen. Andere Ideen sehen schwimmende Reflektoren oder künstliche Schäume auf dem Meer vor, um Sonnenlicht stärker zu reflektieren. Alle Vorschläge haben eines gemeinsam: Werden sie gestoppt, kehrt die Erwärmung schnell zurück.

Geologische Prozesse im Zeitraffer

Nachhaltiger wirksam wäre die Idee, natürliche geologische Prozesse in kurzen Zeiträumen nachzubilden. Das Konzept basiert darauf, die natürliche Verwitterung von Silikatgesteinen zu beschleunigen. Bei der Verwitterung reagieren Silikatmineralien mit CO₂ und Wasser und bilden stabile Karbonate, die langfristig im Boden oder in Gewässern gespeichert werden können. Das fein gemahlene Gesteinsmehl wird auf landwirtschaftliche Flächen oder in andere Ökosysteme ausgebracht, wo es den chemischen Prozess der mineralischen Kohlenstoffbindung unterstützt. Neben der CO₂-Speicherung kann dieser Ansatz zugleich die Bodenfruchtbarkeit verbessern, da es Mineralstoffe freisetzt.

Ebenfalls untersucht wird, das Gesteinsmehl direkt ins Meerwasser einzubringen, um dort die entsprechende chemische Reaktion in Gang zu setzen. Doch auch hier bleibt derzeit die Frage offen, welche ökologischen Folgen damit verbunden sein könnten.

Vorsichtig, aber nicht zu vorsichtig sein

Die bloße Machbarkeit eines Ansatzes ist jedoch nicht alles: „Dass es beim Thema Geoengineering nicht nur um technische und polit-ökonomische Aspekte geht, gerät häufig in den Hintergrund“, findet Christian Baatz, Klimaethiker an der Universität Kiel. Vielmehr sei die gesellschaftliche Frage, welche Geoengineering-Maßnahmen wie erforscht und letztlich eingesetzt werden sollten, eine ethische Frage. Sein Fazit lautet daher: „Klima-Interventionen sind etwas, was wir den Opfern des Klimawandels möglicherweise schulden. Wir müssen dabei vorsichtig sein – aber wir schulden es den Opfern des Klimawandels, nicht zu vorsichtig zu sein.“

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