TAB-Bericht: So können Stahl, Zement und Grundchemikalien in Deutschland klimaneutral werden

Das Büro für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags hat mögliche Technologien und Szenarien analysiert. Die gute Nachricht: Die Transformation ist möglich und Endprodukte würden kaum teurer.

vom Recherche-Kollektiv Klima & Wandel:
4 Minuten
Beleuchteter Industriepark im Dämmerlicht mit hohen Schloten und Dampfwolke

Klimaneutralität ist unumgänglich, aber stellt unterschiedliche Bereiche des menschlichen Lebens vor unterschiedlich große Herausforderungen. Vor allem jenen Bereichen, die heute hohe Treibhausgasemissionen zu verantworten haben, fällt der Wandel oft schwer. Dazu zählen die Stahlproduktion, die Zementherstellung und die Erzeugung chemischer Grundstoffe. Doch auch hier ist ein Wandel möglich – und sogar bezahlbar. Zu diesem Ergebnis kommt ein aktueller Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag.

Warum ist die Grundstoffindustrie beim Klimaschutz so wichtig?

155 Millionen Tonnen CO2-Emissionen entstehen jährlich in Deutschland bei der Herstellung von Stahl, Zement und chemischen Grundstoffen. Das ist etwa ein Viertel der insgesamt in Deutschland verursachten 674 Millionen Tonnen. Diese Produktionsprozesse sollen bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden. Zu klären ist also, ob das technologisch überhaupt möglich ist und welche Folgen das hätte.

Bei der klassischen Stahlherstellung etwa wird Eisenerz im Hochofen mit Koks reduziert. Dabei wird der Kohlenstoff oxidiert und es entsteht CO2. Für Zement wird Kalkstein bei hohen Temperaturen zu Zementklinker gebrannt, wobei aus dem Kalkstein CO2 freigesetzt wird. Die chemische Industrie gewinnt ihre Grundstoffe vor allem aus Erdöl.

Welche technologischen Alternativen gibt es?

Stahl könnte erzeugt werden, indem man das Eisenerz statt mit Koks mit Wasserstoff reduziert. Das benötigt jedoch große Mengen klimaneutral hergestellten Wasserstoffs. Der Aufbau entsprechender Produktionsstandorte und Transportlogistiken beginnt gerade erst. Außerdem ließe sich CO2 abscheiden und nutzen oder speichern. Allerdings würde dabei in der Gesamtbilanz der Abscheidung noch immer gut die Hälfte des Treibhausgases in die Atmosphäre gelangen und müsste kompensiert werden. Da bis 2040 alle Hochöfen erneuert werden müssen, ist ein kompletter Austausch der Technologie bis 2045 grundsätzlich realistisch.

Bei Zement ließe sich ein Teil der Emissionen über veränderte Rezepturen und einen geringeren Klinkeranteil vermeiden, der Großteil müsste jedoch abgeschieden werden – mit den zuvor genannten Einschränkungen. Bislang ist die konventionelle Zementproduktion aber sehr billig, weil die nötigen Emissionszertifikate im Europäischen Emissionshandel größtenteils kostenlos zugeteilt werden. Dadurch fehlen finanzielle Anreize für die Investition in Alternativen. Zudem dürfte das Ausmaß der CO2-Abscheidung so groß sein, dass ein Transport des Gases nur per Pipeline bewerkstelligt werden kann – Pipelines, die erst noch gebaut und finanziert werden müssen.

Die Grundstoffchemie wiederum könnte Erdöl durch emissionsarm hergestellte Kohlenwasserstoffe ersetzen. Diese könnten aus Biomasse, recycelten Kunststoffen oder abgeschiedenem CO2 aus Industrieprozessen stammen.

Was kostet die grüne Transformation?

Die Fachleute vom TAB haben errechnet, dass die nötigen Mehrinvestitionen für die Transformation in der Stahlindustrie 8,6 Milliarden Euro, in der Zementherstellung 4,1 Milliarden Euro und in der Chemieindustrie 2,2 Milliarden Euro betragen würden.

Ende dieses Jahrzehnts wäre demnach grüner Stahl 42 Prozent teurer als konventionell hergestellter Stahl. Bis 2045 allerdings wäre grüner Stahl sogar 28 Prozent günstiger als konventioneller. Das liegt unter anderem an technischen Fortschritten und Skaleneffekten, aber auch an steigenden CO₂-Kosten für den konventionellen Prozess. Bei Zement wäre die klimaneutrale Variante 2030 maximal zehn Prozent teurer als bisheriger Zement, 2045 ganze 60 Prozent günstiger. Klimafreundliche Chemikalien bleiben jedoch teurer – mit einem Maximum Ende der 2030er Jahre bei einem Aufpreis von 53 Prozent.

Interessant ist für viele Menschen jedoch eher, wie sich das auf die Endprodukte auswirken würde. Auch das hat das TAB errechnet. Ein PKW im Wert von 30.000 Euro würden demnach vorübergehend maximal 480 Euro teurer, 2045 aber 330 Euro günstiger. Eine Bauproduktion im Wert von 100.000 Euro verteuerte sich Ende dieses Jahrzehnts um 100 Euro und wäre 2045 640 Euro günstiger. Im Bereich der Chemikalien würde sich ein Medikament im Wert von 100 Euro etwa um 5,64 Euro verteuern. Wichtig: Das bedeutet nicht, dass die Produkte gegenüber heutigen Preisen günstiger sind, sondern im Vergleich mit den künftigen Preisen der fossilen Alternativen.

Ein Manko der finanziellen Prognosen liegt in den großen Schwankungen, die sowohl die Verfügbarkeit als auch die Preise der unterschiedlichen Energieträger betreffen. Dennoch ist die Tendenz deutlich: Eine grüne Transformation der drei Branchen würde für Verbraucher kurzfristig nur geringe Preissteigerungen und langfristig sogar Einsparungen bedeuten. Auf diese Weise würden die Kosten so auf die gesamte Volkswirtschaft verteilt und die Grundstoffhersteller müssen die Milliarden Euro nicht alleine stemmen.

Wie steht es um den internationalen Wettbewerb?

Ob die nötigen Investitionen und vorübergehenden Verteuerungen sich auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Standorte auswirken, hängt davon ab, welche Begleitmaßnahmen die Politik ergreift, welche internationalen Klimaschutzvereinbarungen es gibt und wie schnell andere Länder ebenfalls die unvermeidliche Transformation vollziehen.

Denkbar wäre etwa ein Klimabeitrag auf Grundstoffe, der nicht auf die Produktion, sondern auf den Vertrieb heimischer wie ausländischer Produkte erhoben würde. Eine solche Lösung wäre mit dem Handelsrecht kompatibel und wäre tendenziell sozial verträglich, da einkommensstärkere Haushalte auch mehr oder teurere Produkte konsumieren und entsprechend stärker von den Klimabeiträgen betroffen wären.

Nicht zuletzt können Unternehmen, die jetzt schon in grüne Technologien investieren, international Vorreiter werden und besitzen damit große Wertschöpfungspotenziale. Umgekehrt könnten Firmen, die jetzt nicht in den Wandel investieren, international abgehängt werden.

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