Konflikte zwischen Krähen und Menschen: Es braucht eine „Paartherapie“

Im Umgang mit „Problemtieren“ zeigt sich unser gespaltenes Verhältnis zur Natur

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter: Markus Hofmann
11 Minuten
„Der Schuss geht nach hinten los": Mit humoristischen Plakaten macht in Bern eine Ausstellung auf die Konflikte zwischen Mensch und Saatkrähen aufmerksam. Das Plakat zeigt einen Jäger, auf dessen Waffe eine Saatkrähe sitzt.

Der Fall liegt zwei Jahre zurück. Ein Anwohner eines Berner Stadtquartiers, wo Saatkrähen jeden Frühling ihre Kolonien bauen, ärgerte sich über deren Lärm und den Dreck, den sie hinterliessen. So holte er mit einer Hebebühne Krähennester von einer Platane herunter, die vor seinem Haus steht. Die Nester seien alt und unbenutzt gewesen, verteidigte er sein Tun. Der Wildhüter sah dies anders. Es folgte eine Anzeige sowie eine Strafe in der Höhe von 2000 Franken. Der Anwohner habe das Brutgeschäft der Saatkrähen während der Schonzeit gestört und damit gegen das Gesetz verstossen, meinte der Staatsanwalt.

Mittlerweile hat sich bereits die zweite Instanz über den Fall gebeugt, denn der Berner Anwohner hatte die Strafe angefochten. Auch das Berner Obergericht kam diesen Frühling zum Schluss, dass es nicht rechtens gewesen sei, die Nester zu zerstören. Allerdings reduzierte es die Strafe auf 1000 Franken. Zugunsten des Beschuldigten ging es davon aus, dass dieser nur unbenutzte Nester entfernt habe. Und das Obergericht anerkannte, dass Saatkrähen in der Tat viel Ärger machen könnten.

Saatkrähen fühlen sich in der Stadt wohl

In Bern sorgen Saatkrähen seit Jahren für Konflikte. In der baumreichen Stadt finden die Rabenvögel ideale Bedingungen, um zu brüten. 5800 bis 7300 Saatkrähen-Paare leben in der Schweiz, mehr als die Hälfte davon in städtischen Gebieten. Tagsüber ziehen die sehr geselligen Vögel zusammen aufs umliegende Land, um dort nach Nahrung zu suchen. Abends kehren sie wieder zurück, gehen ruffreudig ihrem Brutgeschäft nach, bis sie am kommenden Morgen genauso lautstark den neuen Tag und ihre Artgenossen in der Kolonie begrüssen. Gleichzeitig lassen sie ihren Kot hemmungslos auf blankgeputzte Autos fallen.

Wie andere Städte in Europa versuchen auch die Berner Behörden, die Saatkrähen mit den verschiedensten Mitteln zu vergrämen, etwa in dem man Plexiglashauben auf die Nester setzte oder die Bäume so schnitt, dass es den Krähen schwerer fallen sollte, Nester zu bauen. Doch die klugen Vögel sind äusserst anpassungsfähig und durschauen die menschlichen Bemühungen, sie zu vertreiben, meist rasch.

Derzeit setzt die Stadt Bern auf Uhu-Attrappen, deren Flügel immer wieder zum Flattern gebracht werden. Das soll den Saatkrähen Angst und Schrecken einjagen, gehört doch der Uhu zu deren grössten natürlichen Feinden. Ebenso fürchten sich Saatkrähen vor Wanderfalken, weshalb die Stadt erwägt, Nisthilfen für die schnellen Greifvögel zu installieren.

Gespanntes Mensch-Krähen-Verhältnis entkrampfen

Vor allem aber setzt Bern auf Deeskalation. So ruft die Stadt ihre Bewohnerinnen und Bewohner dazu auf, sich mit der Situation zu arrangieren. Die Behörden hoffen, dass der gegenwärtige Bestand von rund 1050 Brutpaaren in der Stadt stabil bleibe und dass sich mit der Zeit ein gutes Miteinander von Krähenvögeln und Menschen einstelle.

Genau darauf setzt auch der Künstler und Krähenfreund Dino Rigoli. Er initiierte in einer Vorortsgemeinde von Bern das Projekt „Corvo“. Mitten in einem gut besuchten Naherholungsgebiet gibt es nun eine Ausstellung zu sehen. Themen sind etwa die Biologie der intelligenten Rabenvögel sowie deren wechselvolle gemeinsame Geschichte mit den Menschen. Zudem haben die Ausstellungsmacher humoristische Tafeln mit Krähen-Motiven entlang vielgenutzter Wege aufgestellt, die das gespannte Verhältnis gegenüber der Saatkrähen etwas entkrampfen sollen.

Da die Ausstellung wegen der Corona-Pandemie nicht wie geplant im Frühling, sondern erst im Sommer Besucher empfangen konnte, lag die Aufmerksamkeit zunächst vor allem auf einer ebenfalls installierten Webcam, die das Brutverhalten einer Saatkrähenfamilie vom Nestbau bis zum Ausflug der Jungvögel live übertrug. Das Schicksal der jungen Familie schaffte es gar in die Medien, als eine Saatkrähe eine Attacke auf das Nest verübte, ein Krähenküken mit Schnabelhieben auf den Kopf töte und es auffrass.

Mit grossem Interesse verfolgt Uta Maria Jürgens das Projekt „Corvo“. Jürgens initiierte 2009 in ihrer Heimatstadt Ascheberg in Holstein den wohl ersten „Krähenpfad“ im deutschsprachigen Raum. Auch da ging es darum, zwischen Menschen und Saatkrähen zu vermitteln. Inzwischen erforscht die Psychologin und Ethologin an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft in Birmensdorf die besondere Beziehung zwischen Menschen und Wildtieren. Dabei spielen nicht nur Rabenvögel, sondern auch Wölfe und Spinnen eine Rolle.

Wir haben uns darüber unterhalten, was hinter dem Mensch-Saatkrähen-Konflikt steckt und wie dieser gelöst werden könnte.

Die Psychologin Uta Maria Jürgens erforscht in Zürich das schwierige Verhältnis von Menschen und sogenannten Problemtieren wie Rabenvögeln, Wölfen und Spinnen.
Die Psychologin Uta Maria Jürgens erforscht in Zürich das schwierige Verhältnis von Menschen und sogenannten Problemtieren wie Rabenvögeln, Wölfen und Spinnen.

Uta Maria Jürgens, welche Reaktionen gab es in Ascheberg auf den Krähenpfad?

Als wir den Krähenpfad einrichteten, bestand noch keine sehr aufgeheizte Situation. Denn die dortige Saatkrähen-Kolonie gab es bereits seit 70 Jahren. Und zwischen den Anwohnern und den Saatkrähen verlief eine Bundesstrasse. So war der Strassenlärm lange das viel präsentere Problem als die Saatkrähen. Ein Zugezogener störte sich dann aber an der Kolonie und sah in ihr eine Gefahr für den Tourismus, da ein viel begangener Weg unter ihr durchführte. Weil der Tourismus im kleinen Ascheberg wirtschaftlich wichtig ist, schreckte dies die Politiker auf.

Mein Vorschlag lautete: Machen wir die Not, die eigentlich gar keine war, zur Tugend. Machen wir die Saatkrähen-Kolonie zur Attraktion und nutzen sie touristisch. Die Reaktionen auf den Krähenpfad waren dann wirklich positiv. Im Nachgang hat sich niemand je wieder über die Saatkrähen beschwert. Und per Mail erhalten wir immer wieder freundliche Meldungen, zum Beispiel von Ornithologen, die die Kolonie extra wegen des Krähenpfads besuchen.

Die beste Reaktion von allen: Die Krähen werden vermisst

Wie sieht die Situation jetzt aus in Ascheberg?

Die Saatkrähen sind leider nicht mehr da. Wir haben dort einen Krähenpfad ohne Krähen. Als sie eines Frühlings nicht mehr kamen, rief mich der Bürgermeister an und fragte: Wir kriegen wir denn die Krähen wieder hierher? Das ist eigentlich die beste Reaktion von allen.

Wieso sind die Saatkrähen nicht mehr aufgetaucht?

Es wird vermutet, dass in Deutschland der Rückgang der Saatkrähenpopulation insgesamt etwas mit dem Einsatz von Neonikotinoiden zu tun hat, einer Gruppe von sehr wirksamen Insektiziden. Das könnte auch in der Ascheberger Kolonie ein Faktor gewesen sein. Mitten in der Brutperiode wurde es plötzlich sehr still. Saatkrähen füttern ihre Jungen vor allem mit Insekten. Es ist plausibel, dass die Brut verstorben ist, vielleicht durch Gifteinwirkung. Denn eine Störung der Kolonie gab es nicht. Wenn eine seit Jahrzehnten anwesende Krähenkolonie nicht mehr auftaucht, muss etwas Massives vorgefallen sein.

Wurde das wissenschaftlich untersucht?

Nein. Man war damals einfach etwas erstaunt, dass die Brutsaison so früh endete. Ein Jahr darauf kamen die Krähen dann nicht mehr zurück.

Ist dieser Krähenpfad in Deutschland an anderen Orten nachgeahmt worden?

Ja, es gibt verschiedene Projekte. Nicht immer in der Form von Pfaden, manchmal sind es lediglich ein paar Schautafeln mit Erklärungen, manchmal Naturlehrpfade, in denen auch Stationen mit Informationen zu Krähen eingebaut sind.

„Saatkrähe, halt den Schnabel!" Mit humoristischen Plakaten versucht eine Berner Ausstellung, das angespannte Verhältnis von Saatkrähen und Menschen zu entspannen. Das Plakat zeigt eine Saatkrähe, deren Schnabel von einer Schlange zugehalten wird.
„Halt den Schnabel!" Mit humoristischen Plakaten versucht eine Berner Ausstellung, das angespannte Verhältnis von Saatkrähen und Menschen zu entspannen.

Wer besucht diese Pfade an: Diejenigen Leute, die ohnehin schon Sympathien für Krähen haben, oder auch solche, die sie als Problemvögel wahrnehmen?

Die Pfade sind meistens sehr niederschwellig konzipiert. Wenn man will, kann man sich in die Informationen vertiefen. Man kriegt aber auch einiges mit, wenn man einfach durchspaziert. Es hilft selbstverständlich, wenn die Pfade wie in Ascheberg an Wegen liegen, die ohnehin viel genutzt werden. Ein Effekt ist aber auch ein psychologischer. Mit einem Krähenpfad sagt eine Gemeinde etwas aus, nämlich: Diese Krähen sind hier gewünscht, und wir investieren in einen konstruktiven Umgang mit ihnen. Die Leute werden dadurch nicht unbedingt zu Krähenfreunden. Eine klare Haltung der Politik kann aber helfen, den Konflikt zumindest zu deckeln, sodass die Emotionen nicht noch weiter hochkochen.

Es gibt ja handfeste Gründe, dass es zu Konflikten mit Saatkrähen kommt: Sie können sehr laut sein, und es fällt Dreck an. Haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Menschen darüber aufregen?

Ich kann es nachvollziehen. Ich kann zum Beispiel verstehen, dass sich jemand Sorgen macht, wenn ein Spielplatz unter einer Krähenkolonie liegt. Auch wenn der Krähenkot nachweislich nicht schädlich ist, möchte man vielleicht nicht, dass kleine Kinder dauernd in den Dreck greifen. Ich verstehe auch, wenn sich jemand über Krähen ärgert, die sein Auto verdrecken.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch Menschen, die Freude an den Saatkrähen haben, die das rege Treiben in der Kolonie sehr schätzen, daran Anteil nehmen und es gerne von ihren Fenstern oder Balkonen beobachten. Ich bin in Hörweite der Saatkrähenkolonie in Ascheberg aufgewachsen und fand das immer heimelig und schön. Die Menschen bewerten dasselbe Phänomen verschieden. Ich will keine Position dämonisieren, auch wenn ich mich klar der krähenfreundlichen Fraktion zurechne. Aber keine dieser Positionen ist grundsätzlich falsch.

Mit Kompromissen erreicht man keine echte Versöhnung

Wie bringt man die verschiedenen Positionen zusammen?

Das ist eine Kunst, die noch niemand zur Vollendung gebracht hat. Die Probleme sind bei anderen Tieren wie etwa dem Wolf ganz ähnlich. Mit diesen Tieren gibt es objektiv vorhandene Schwierigkeiten, die man verschieden bewerten kann. Den Ansatz, den ich in meiner Doktor-Arbeit verfolge, ist zu schauen, was sich hinter diesen verschiedenen Bewertungen verbirgt. Selbstverständlich kann man auf politischer Ebene nach Kompromissen suchen. Aber auf diese Weise wird man die Lager nie miteinander versöhnen können. Möglich ist aber, dass sich die verschiedenen Lager zumindest untereinander verständigen. Eine solche Verständigung kann man anbahnen, indem man nach den Gründen für die Positionen sucht, die auf beiden Seiten so heftig verteidigt werden.

Was sind denn die wahren Gründe des Streits?

Diese reichen teilweise sehr tief in die Psyche – zum Beispiel die Frage, welche Rolle wir Menschen in und gegenüber der Natur haben. Da gibt es diejenigen, die sagen, dass die Saatkrähen nicht hierhergehörten, die Stadt sei doch ein menschlicher Raum. In diesem Fall findet eine ganz klare Trennung von menschlicher und natürlicher Sphäre statt. Andere freuen sich hingegen, wenn ein natürliches Phänomen in den menschlichen Raum eintritt. Denn das zeige, dass es eigentlich gar nicht zwei verschiedene Sphären gibt, sondern dass wir Menschen Teil der Natur und mit ihr verbunden sind. Diese verschiedenen Weltsichten gilt es explizit zu machen, damit der eine versteht, wieso der andere diesen „schrecklichen Vogel“ so toll findet und umgekehrt.

Auf einem Plakat der Berner Krähenausstellung stehen sich Saatkrähen und Menschen gegenüber. Darüber steht auf Berndeutsch: „Austausch". Um Ruhe in die Beziehung zwischen Rabenvögeln und Menschen zu bringen, ist eine Mediation nötig, eine Art „Paartherapie".
„Austausch": Eine weiteres Plakat der Berner Rabenvögel-Ausstellung. Um Ruhe in die Beziehung zwischen Saatkrähen und Menschen zu bringen, ist eine Mediation nötig - eine Art „Paartherapie".

Wie stellt man ein solches gegenseitiges Verstehen her?

Das ist schwierig, aber man kann sich dies als eine Art Mediation vorstellen – wie in der Paartherapie. Man muss die tieferliegenden Motive aufdecken und versuchen auf dieser tieferliegenden Ebene zu einer Verständigung zu kommen. Wir können etwa danach fragen, ob wir vielleicht gemeinsame Interessen haben, bei denen es nicht nur um den Entscheid „Krähe ja oder nein“ geht. Oder wir suchen nach einem Umgang mit den natürlichen Elementen, zu dem beide Seite Ja sagen können. So muss militanten Krähenfreunden, die es ja auch gibt und die die Krähenkolonien im Namen aller geschunden Geschöpfe verteidigen, aufgezeigt werden, dass ihrer Position Wertschätzung entgegengebracht wird.

Und den Krähengegnern könnte man vorschlagen, Profite aus der Krähenkolonie zu schlagen, indem sie zum Beispiel wie in Ascheberg touristisch genutzt wird. Oft ist mit der Ablehnung von Krähen ja das Empfinden verbunden, uns Menschen stehe ein Souveränitätsanspruch gegenüber der Natur zu. Kann man die Anwesenheit der Krähen nutzen, um für den Menschen daraus Kapital zu schlagen, wahren die Krähengegner ihren Souveränitätsanspruch. Wir sollten daher einer Mensch-Krähen-Mediation gesellschaftlichen Raum geben. Wir werden erkennen, dass es dabei nicht nur um Krähen, sondern um unseren Umgang mit der Natur insgesamt geht.

Der Blick auf das Einzelwesen öffnet neue Perspektiven

Machen wir ein Schritt zurück von der Natur insgesamt und schauen auf die einzelne Saatkrähe. Sie vertreten die Ansicht, dass wir weniger auf die Art, sondern mehr auf die Einzelwesen achten sollten. Wie muss ich mir das vorstellen? Ich kenne ja keine Saatkrähe persönlich.

Das ist eine ethische Haltung. Im Umgang mit nichtmenschlichen Lebewesen hängt viel davon ab, ob wir auf die Art oder die Einzelwesen schauen. Bleiben wir bei der Saatkrähe. Frage ich nicht, wie wir Menschen den Saatkrähen gegenüberstehen, sondern wie ich als Einzelperson zur Krähenfamilie stehe, die vor meinem Fenster brütet, öffnen sich neue Perspektiven. Diese erlauben mir, die Saatkrähe als ein Lebewesen wahrzunehmen, das zwar eine ganz andere Weltsicht als ich hat, das aber durchaus ähnliche Interessen verfolgt. Aus einer solchen Position wird es schwieriger, den Tieren ihr Lebensrecht abzusprechen.

Ein weiteres Plakat der Berner Rabenvögel-Ausstellung. Es zeigt eine Saatkrähe, die ein Nest baut. Überschrieben ist es mit: diplomierter Architekt. Geschickt bauen Saatkrähen die Nester in ihren Kolonien - eben wie diplomierte Architekten. Der Blick auf diese Fähigkeit soll Sympathien für die Rabenvögel wecken. Dies erhoffen sich die Ausstellungsmacher in Bern.
Geschickt bauen Saatkrähen die Nester in ihren Kolonien - wie diplomierte Architekten. Der Blick auf diese Fähigkeit soll Sympathien für die Rabenvögel wecken. Dies erhoffen sich die Ausstellungsmacher in Bern.

Können Sie das an einem Beispiel verdeutlichen?

Nehmen wir an, dass ich in meiner Wohnung sitze, mich über den Lärm der Krähen ärgere und die Interessen meiner Familie nach Ruhe verteidige. Aber da auf dem Baum sitzt eine Saatkrähe, die ebenso eine Familie und ein Interesse an der Entfaltung ihres Nachwuchses hat. Ich denke, dass diese Sicht auf Einzelwesen Möglichkeiten von Mitgefühl und Anteilnahme aufschliesst. Ich kann die Perspektive der Saatkrähe besser nachvollziehen, wenn ich weiss, dass sich diese nicht so verhält, weil sie mich ärgern oder meinen Sonderstatus als Mensch in Frage stellen will, sondern weil sie Hunger hat, sich mit ihren Kindern unterhält und mit der Nachbarin streitet – genauso wie ich das tue.

Auf diese Weise ist das Gegenüber keine feindliche amorphe Masse von Saatkrähen oder anderen Problemtieren mehr. Wir sind vielmehr Einzelpersonen und teilen uns die Welt mit anderen Einzelpersonen. Nun geht es darum, dass diese Einzelpersonen ein möglichst konfliktfreies Miteinander aushandeln.

„Die Polarisierung nimmt zu“

Sie beschäftigen sich seit Jahren mit der Beziehung des Menschen zu Wildtieren. Was die Zukunft dieser Beziehung betrifft: Sind sie optimistisch oder pessimistisch?

Ich sehe leider eher eine Vertiefung der gesellschaftlichen Gräben. Die Positionen werden extremer und sie bewegen sich nicht aufeinander zu. Die Polarisierung nimmt zu. Man sieht das auch in der gegenwärtigen Corona-Diskussion. Die einen sagen, dass wir uns angesichts der Pandemie wieder naturnaher verhalten müssten, während die anderen genau das Gegenteil behaupten und die anscheinend gefährliche Natur noch weiter von uns wegschieben wollen. Allerdings erkenne ich auch etwas Hoffnung. Das Interesse an der Natur hat zugenommen, wie man etwa bei der Bewegung „Fridays for Future“ der jüngeren Generation beobachtet. Da stellt man eine gewisse Offenheit gegenüber den Fragen nach unserer Stellung in der Natur fest. Ich wünsche mir, dass man diese Offenheit nützt. Jetzt wäre die Zeit, die gesellschaftliche Wertediskussion in Bezug auf unser Verhältnis zur Natur gezielt und fokussiert zu führen.

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Die Ausstellung in Köniz bei Bern ist im Infozentrum Eichholz noch bis zum 25. Oktober 2020 zu sehen. Während des Winters ist sie geschlossen, öffnet aber wieder im kommenden Frühling, also dann, wenn die Saatkrähen damit beginnen, ihre Nester zu bauen und ihre Jungen in den Kolonien der Stadtbäume aufzuziehen.

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