Kraftwerksbau im Tiroler Ötztal hat begonnen, obwohl Beschwerden bei Gerichten laufen

Naturschützer fürchten um einzigartigen Gletscherfluss, Kajakfahrer um weltberühmte Paddel-Strecke, Anrainer um ihre Sicherheit.

vom Recherche-Kollektiv Flussreporter:
26 Minuten
Luftaufnahme eines Gletscherbaches, rechts davon eine aufgerissene Wiese mit Baufahrzeugen, links und rechts des Baches Fundamente einer Brücke.

Darf an der bisher unberührten Ötztaler Ache in Tirol, einem der letzten frei fließenden Gletscherbäche, ein Wasserkraftwerk gebaut werden? Darüber ist seit Jahren ein Rechtsstreit anhängig. Noch bevor dieser endgültig geklärt ist, hat die Betreiberfirma, an der auch die Landesgesellschaft Tiroler Wasserkraft AG TIWAG beteiligt ist, mit dem Bau begonnen.

In der Woche vom 9. März 2020 trauten die Bewohner des Weilers Tumpen der Gemeinde Umhausen im Tiroler Ötztal ihren Augen nicht. Während alle sorgenvoll auf die Entwicklung der Coronavirus-Pandemie starrten, die am 19. März zu einer Quarantäne für das ganze Bundesland Tirol führte, fuhren am Rande des Siedlungsgebietes die Baufahrzeuge der ortsansässigen Firma Auer auf. Mit Raupenbaggern begannen Arbeiter, die Wiese zwischen der Siedlung und der Ötztaler Ache aufzureissen und Steine umzuschlichten. In den folgenden Tagen hoben sie auf beiden Seiten des Flusses Gruben aus und betonierten die Fundamente für eine Baubrücke.

Seit acht Jahren wehren sich die Naturschutzorganisation WWF Österreich und die örtliche Bürgerinitiative gegen Wasserstau Tumpen mit allen verfügbaren Rechtsmitteln gegen den Bau eines Kraftwerkes an der Ötztaler Ache zwischen den Orten Tumpen und Habichen. Nun, da die BürgerInnen und die Vertreter der Nichtregierungsorganisation (NGO) durch die Ausgangsbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie behindert und Versammlungen verboten waren, schuf die Baufirma, die gleichzeitig Teil der Betreibergesellschaft Ötztaler Wasserkraft GmbH ist, Tatsachen. Dabei seien die Beschwerden der Kraftwerksgegner noch beim Landesverwaltungsgericht Tirol und beim Verwaltungsgerichtshof anhängig, sagt Gerhard Egger, Leiter der Gewässerschutzabteilung des WWF. Nach Ansicht des WWF dürfte deshalb nicht gebaut werden, weshalb die zuständigen Behörden des Landes informiert wurden. Bisher wurde jedoch kein Baustopp verhängt.

Blick hinunter auf einen Bach und Baufahrzeuge, die am Ufer den Boden aufgraben.
Während der Ausgangssperren aufgrund der Coronavirus-Pandemie entdeckten Spaziergänger, dass an der Ötztaler Ache mit dem Kraftwerksbau begonnen wurde.
Wilder Gletscherbach mit großen Steinen und einer querenden Holzbrücke.
Die Ötztaler Ache ist zwischen Tumpen und Habichen eine weltberühmte Strecke für wagemutige Kajakfahrer.
Karte des Ötztals mit den Gemeinden Tumpen und Habichen und dem Flusslauf der Ötztaler Ache. Dieser ist farbig markiert entsprechend der Bewertung seiner Qualität.
Wie im Geographischen Informationssystem des Landes Tirol ersichtlich, gilt die Ausleitungsstrecke des geplanten Kraftwerkes (südlich/unten auf der Karte) als einzigartiger (braun) und empfindlicher (rosa) Gewässerabschnitt. Die Achstürze (nördlich/flussabwärts) befinden sich außerdem in einer Schutzzone (grün).
Dunkelgrüne, feingliedrige Pflanze auf Schotter.
Die Deutsche Tamariske braucht dynamische Schotterflächen und ist deshalb stark gefährdet.
Bagger auf einer Wiese gräbt den Boden auf, dahinter Häuser.
Das Maschinenhaus des Kraftwerkes soll unweit des Weilers Tumpen in Umhausen errichtet werden.
Tosender Gletscherbach mit großen Steinen und weißem Wasser.
Die Ötztaler Ache ist ein seltener und empfindlicher Gletscherbach.
Demonstranten auf alter Holzbrücke, auf der ein grünes Transparent hängt mit dem Text: Murabgang und Wasserstand - ein Supergau!
Demo gegen das Kraftwerk Tumpen-Habichen am 19. April 2015.
Frau mit Aktenkoffer mit Papiergel. Auf einem Zettel steht: Auers Erfolgshonorar € 456.400 + USt.
Demonstration gegen das Kraftwerk in Tumpen im Jahr 2015.
Demonstranten an der Hauptstraße mit Transparenten.
Demonstration gegen das Kraftwerk im Jahr 2015.
Ein Bagger am Ufer des Baches gräbt.
Bei Bauarbeiten entlang der Ötztaler Ache sind ab den 1980er Jahren immer wieder Erdfälle aufgetreten. Die Bewohner von Tumpen haben Angst, dass das im Zuge des Kraftwerksbaus wieder passieren könnte.
Plan eines Kraftwerkes.
Plan des Ausleitungsbauwerkes an der Ötztaler Ache.
Protestierende mit Pappfiguren vor altem Gebäude.
Protest mit Pappfiguren vor dem Gemeindeamt in Umhausen am 5.5.2020.
Gletscherbach mit großen Steinen und wildem Wasser.
Die wilde Ötztaler Ache ist noch unberührt.
Sie haben Feedback? Schreiben Sie uns an info@riffreporter.de!