Mangroven: Wo Fische spazieren gehen und Bäume die Luft anhalten

Tropische Gezeitenzonen sind extreme Lebensräume, in denen nur Mangrovenwälder mit ihrer ganz eigenen Biodiversität überleben. Weltweit gingen ihre Bestände über Jahrzehnte massiv zurück, sollen nun aber bewahrt und erneuert werden – als Küstenschutz und Klimaretter.

vom Recherche-Kollektiv Ozean & Meere:
6 Minuten
Ein großer Waran schwimmt zwischen verästelten Mangrovenwurzeln.

In der Morgendämmerung ist es schwer, sich dem Zauber von Sungei Buloh zu entziehen. Die Bäume in diesem Mangrovenwald an Singapurs Küste säumen einen Gezeitenfluss, über den eine sanft geschwungene Brücke führt. Ein Logenplatz, um bei noch erträglichen Temperaturen in der Früh zu beobachten, wie der Himmel heller wird und Scharen schneeweißer Reiher heranschweben, um die ersten Fische des Tages zu fangen. Vielleicht lässt sich auch ein mehrere Meter langer Schatten im schlammbraunen Fluss erahnen: Hier lauern Krokodile. Mangroven sind ein Tropenparadies, dessen eher spröder Charme sich aber nicht immer so leicht erschließt. Bei Ebbe beispielsweise steigt vom schlammigen Untergrund ein fauliger Geruch auf. Und anders als die üppigen Urwaldriesen der Regenwälder tragen Mangrovenbäume überwiegend nur lockeres Laub in mattem Grün und stecken ihre Stämme in ein übermannshohes Korsett aus Wurzelgeflechten.

Mangroven lassen sich vielleicht nur lieben, wenn sie als extremes und einzigartiges Ökosystem verstanden werden. Sie sind eine Art botanische Elite: Nach Schätzungen gibt es gut 70.000 Baumarten auf der Welt, von denen nur rund 70 Spezies in Jahrmillionen gelernt haben, im Mangroven-Milieu zu überleben. Dieses Milieu ist die Gezeitenzone der Tropen und Subtropen. Hier treffen Land und Meer zusammen und die Mangroven – der Begriff steht für jeden Baum, jede Baumart und das Ökosystem – werden bis zu zweimal täglich unter Salzwasser gesetzt. „Es ist ein häufiges Missverständnis, dass die Bäume glücklich über das Meerwasser sind, weil sie an der Küste wachsen“, sagt der Mangrovenforscher Dan Friess von der National University of Singapore (NUS). „Tatsächlich tolerieren sie es bestenfalls, hassen es aber eigentlich – und jede Flut ist Stress.“

Weiße Reiher suchen den schlammigen Mangrovenboden nach Nahrung ab. Im Hintergrund Mangrovenbäume mit Stelzwurzeln.
Schneeweiße Reihe passen nicht so richtig in die schlammigen Mangroven. Sie finden aber wie viele andere Tiere im weichen Untergrund reichlich Nahrung.
Ein Schlammspringer an einem Wasserloch. Der Fisch hat spezielle Kiemen und starke Brustflossen, kann sich also an Land aufhalten.
Ein amphibischer Fisch in einem amphibischen Ökosystem: Der Schlammspringer kann sich dank spezieller Kiemen länger an Land aufhalten.
Salzwasserkrokodil im Wasser hat seinen Kopf an Ufersteinen abgelegt.
Sie waren aus Sungei Buloh über Jahre verschwunden, sind aber zurückgekehrt. Seit einiger Zeit leben wieder Krokodile in den Mangroven.
Schotenähnlicher Mangrovenspross am Elternbaum.
Mangrovenbäume führen ein hartes Leben. Ihre Sprosse keimen und wachsen deshalb zunächst am Elternbaum und fallen erst spät ab.