Zukunft des Meeres: Wenn Überfischung und Klimakrise so weitergehen, drohen neue Kriege

Weder die europäische noch die internationale Fischereipolitik haben es bisher geschafft, die Ausbeutung des Ozeans zu stoppen. Und jetzt? Ein Szenario aus einer nicht allzu fernen Zukunft

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Russische Kriegsschiffe in einer Bucht.

Reykjanes Ridge, in einer nicht so fernen Zukunft

Auf dem Minenleger „Sagitta II“ kehrt Ruhe ein. Die Soldatinnen und Soldaten der EU-Marine werfen sich auf die Liegen in ihren Kajüten, die Taucher unter ihnen reden noch über die Prachtexemplare von Heilbutt und Rotbarsch, die sie gerade im Meeresschutzgebiet Reykjanes Ridge gesehen haben. Dann schlafen auch sie ein. Neunzehn Stunden haben sie ohne Unterbrechung gearbeitet. Einen Minengürtel mitten im Nordatlantik zu legen, gehört zum Aufregendsten und Anspruchsvollsten, was die Arbeit bei der EU-Marine zu bieten hat.

Viele Meter hoch sind die Wellen um diese Jahreszeit. Es reicht nicht, die Minen einfach ins Wasser zu werfen. Zuerst müssen Meeresbiologen – und -biologinnen an Bord die Fischschwärme der Region mithilfe bio-optischer Messgeräte genau lokalisieren. Dann gehen sie mit Kampftauchern unter Wasser, um die Angaben zu überprüfen. Erst wenn die Unterwasserkommandos ihr Okay geben, sendet die Kapitänin ein Signal an das Hauptquartier der EU-Ecoforce-Kräfte in Kiel. Von dort aus werden alle Schiffe in weitem Radius informiert, bevor die Minen scharf gestellt werden.

Die EU-Regierung hat den Einsatzbefehl für den Minenleger sehr restriktiv formuliert. Die Sperrgebiete sind „so klein wie möglich zu halten und auf die am stärksten bedrohten Arten zu konzentrieren“ – an diese Formel wird der Kapitän bei jeder Lagebesprechung mit dem Befehlshaber der Flotte in Glücksburg erinnert. Die Fischereinationen, die im Nordatlantik operieren – vor allem Island, Russland, China und Japan – sollen nicht mehr provoziert werden als absolut nötig, damit sie nicht mit direkter Aggression reagieren.

Bis in die Nacht hinein haben sich die EU-Marinesoldaten ein Rennen mit einem mächtigen Feind geliefert – dem Kapitän des 150.000 PS starken russischen Fischkreuzers „Artur Tschilingarow“, dem größten unter den neuen Kombischiffen, die zugleich vor Waffen strotzen und eine komplette Fischfabrik in sich bergen.

Die „Artur Tschilingarow“ ist 250 Meter lang, verfügt über sechs Kanonen, 22 Torpedoschächte und eine gigantische Halle im Inneren, wo der frisch gefangene Fisch an Fließbändern vollautomatisch verarbeitet und in Blöcken eingefroren wird. Benannt ist sie nach Artur Tschilingarow, dem russischen Polarforscher und Politiker, der 2007 mit einem U-Boot auf den Grund des Arktischen Meeres hinabfuhr und mit einem Roboterarm die russische Nationalflagge in den Boden rammte, um den Anspruch Russlands auf riesige unterseeische Territorien zu demonstrieren.

Nicht nur der Meeresboden ist international umstritten. Die globalen Fischbestände sind aufgrund von Übernutzung, Lebensraumzerstörung und durch die Folgen des Klimawandels dramatisch geschrumpft – und der Anbau von Nahrungsmitteln an Land leidet unter Wetterextremen, was den Anbau von Getreide und Leguminosen und damit auch auch die Fleischerzeugung stark einengt.

Weltweit ist deshalb ein brutales Wettrennen um Proteine aus dem Meer entbrannt. Ihre Minengürtel um Meeresschutzgebiete hält die EU deshalb für unerlässlich. Aufgrund der Knappheit ist der Preis für Fisch extrem gestiegen, die Jagd auf die essbaren Arten ist äußerst lukrativ. Auf den Ozeanen sind neben den national kontrollierten Fischereiflotten auch Tausende von illegalen Fangschiffen unterwegs. Alle Schiffe physisch davon abzuhalten, in Meeresschutzgebieten zu wildern, würde eine riesige Flotte an Kontrollschiffen erfordern.

Sieben Jahre ist die „Sagitta II“ nun schon im Einsatz. Ihr Name bezieht sich auf den ersten deutschen Fischdampfer im 19. Jahrhundert: Das Nachfolgerschiff soll die Überfischung vergangener Jahrhunderte wiedergutmachen. In mehr als fünfzig Fällen ist es seiner Besatzung gelungen, Laichgebiete und Fischgründe, in denen sich die Bestände regenerieren, mithilfe von Minengürteln abzuschirmen. Der Ecoforce-Verband, den das deutsche Schiff anführt, ist weltweit gefürchtet, weil jeder weiß, dass seine Hightech-Minen wirklich jede Schiffswand zerreißen.

Doch die Russen und die mit ihnen verbündeten Chinesen tauchen in aller Welt notorisch dort auf, wo es verboten ist, die Meere weiter zu leeren. Die „Artur Tschilingarow“ und ihre Begleitboote waren in den vergangenen Tagen auf den Satellitenbildern, die aus Kiel zur „Sagitta II“ übermittelt wurden, immer näher an das Schutzgebiet Reykjanes Ridge gerückt, einen der wichtigsten Lebensräume und Laichgründe des Nordatlantiks. Die EU-Soldaten haben sich mit dem guten Gefühl in ihre Kajüten gelegt, den Angriff der Russen mit ihrem Minengürtel gestoppt zu haben. Doch ihre Nachtruhe endet abrupt. Eine gewaltige Explosion reißt sie aus dem Schlaf.

Der bärtige Forscher mit dem jung und schmal wirkenden Putin im Gespräch vor einer Weltkarte
Der russische Arktisforscher und Nationalist Artur Tschilingarow 2011 mit Präsident Putin bei einem Treffen der Russischen Geographischen Gesellschaft.
Kleines Dampferschiff auf historischem Schwarz-weiß-Bild
Der erste deutsche Fischdampfer, die „Sagitta", etwa 1890 in Bremerhaven
Ein riesiger Fischschwarm im hellen Wasser.
Reichtum des Meeres: Wie lange hält er noch=
Landkarte des Nordatlantiks
Der Nordatlantik ist für die Welternährung von großer Bedeutung.
Die Meeresfläche ist hell erleuchtet.
Das nächtliche Meer rund um die koreanische Halbinsel – hell erleuchtet vom Licht der Fischereiboote.
Tote Fische liegen an Deck.
Fang an Deck eines Trawlers.
Mittelgroßes Kriegsschiff in grau auf grauer Meeresfläche, im Hintergrund größere zivile Schiffe.
Das britische Kriegsschiff HMS Severn kehrt im Mai 2021 von einem Kontrolleinsatz im Fischereistreit mit Frankreich nach Portsmouth zurück.
Großes Fischereischiff.
Russland entsendet bereits jetzt einige der größten Trawler auf die Weltmeere.
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