Der Sommer der Extreme: Bilder einer weltweiten Krise
Überschwemmungen in Mitteleuropa und China, Hitze in Nordamerika, Brände in Russland und am Mittelmeer – und das arktische Eis schrumpft
Der Sommer 2021 wird für seine Wetterextreme in die Geschichte eingehen. Rund um die Welt werden Rekorde gemessen, leiden Mensch und Natur unter ungewöhnlich heftigen Bränden, Hitzewellen und Überschwemmungen.
Deutschland, Belgien, die Niederlande und Österreich wurden von Starkregen heimgesucht, der Hunderte Menschen das Leben kostete. Riesige Wassermassen wälzten sich Täler hinab, überraschen Menschen im Schlaf und rissen ganze Häuser mit.
Überschwemmungen und Hochwasser hat es schon immer gegeben, aber Ausmaß und Intensität der aktuellen Ereignisse lässt viele Menschen fragen, ob das eintritt, wovor Klimaforscherinnen und -forscher schon lange warnen.
Anfang August setzte sich die Serie der Wetterextreme im Mittelmeerraum fort. Dort gibt es im Sommer häufiger Brände, aber Ausmaß und Intensität der Feuer schockierten viele Menschen. Teilweise wurden Temperaturen bis 48 Grad gemessen. Vorangegangen waren Überschwemmungen in Mitteleuropa und Fluten in China, bei denen jeweils mehrere Hundert Menschen ums Leben gekommen sind.
„Die deutsche Sprache kennt kaum Worte für die Verwüstung, die hier angerichtet ist“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch im Katastrophengebiet.
Das Wasser, das sich über dem Westen Deutschlands und Belgien ergoß, kam aus einem Tiefdruckgebiet, das von heißen Luftmassen im Osten blockiert wurde. Dann setzte sich die Flut gen Niederlande in Bewegung. Die Maas war deshalb auf weiten Teilen über die Ufer getreten.
Entlang der Maas herrschte eine angespannte Stimmung. Künstliche Barrieren wurden errichtet.
In Deutschland herrscht nach wie vor Entsetzen über die Ereignisse im Ahrtal. In Rheinland-Pfalz wurden bis Anfang August mehr als 140 Tote geborgen. Mit weiteren Opfern wird gerechnet.
Die Wassermassen sind mit riesiger Gewalt in die Ortschaften eingedrungen und haben alles durcheinandergewirbelt, was Menschen aufgebaut hatten.
Schon am Tag nach der Flut begannen die Aufräumarbeiten. Doch es wird lange dauern, bis die Schäden beseitigt sind.
Auch die Überschwemmungen entlang des Flusses Erft haben für Entsetzen gesorgt – und für Anblicke, die man nur in Katastrophenfilmen sehen möchte. Horrorszenarien wurden Wirklichkeit.
In der Nähe von Erftstadt ergoss sich die Flut in eine Sandgrube – und riss dabei die Häuser von Anwohnern und Felder mit.
Wenig später gingen auch über Südbayern und der Region um Salzburg gewaltige Regenmengen nieder und führten zu Überschwemmungen.
In Kufstein standen Keller unter Wasser, für den Alpenrand gilt Katastrophenalarm.
Nicht nur in Europa leiden Menschen unter starken Regenfällen. In Uganda in Ostafrika wurden Straßen und Landwirtschaft durch heftigen Regen von einer Flut zerstört.
Im Oman kamen mehrere Menschen durch die Folgen heftiger Regenfälle ums Leben.
Während die Menschen in Westeuropa, Uganda und dem Oman unter zu viel Wasser litten, suchten viele in Osteuropa wegen ausgeprägter Hitze kühlende Orte auf.
Doch nicht nur Europa ist von Wetterextremen gezeichnet. In Nordamerika liegt ein regelrechter "Hitzedom" über der Westseite des Kontinents. Die Dürre trägt dazu bei, das Waldbrände sich schnell ausbreiten – wie das "Sugar Fire" in Kalifornien.
Solche Feuer mit einer Ausdehnung von mehr als 20 mal 20 Kilometern seien nicht länger ungewöhnlich, sagte der Sektionschef der U.S. Forest Service Operations, Jake Cagle, laut Los Angeles Times. "Das ist das neue Normal – wir sprachen früher von 'historischen' oder 'ungekannten' Ausmaßen" solcher Feuer. "Aber das ist vorbei."
Auch in Sibirien wüten – befeuert von Hitze und Dürre – auf riesigen Flächen Brände, wie diese Aufnahmen der NASA zeigen. Bei den Bränden werden gewaltige Mengen Kohlendioxid frei, die wiederum die Erderhitzung verstärken.
Und als ob das alles nicht genug wäre, melden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Extrem-Sommer 2021 auch neue Tiefstände bei der Ausdehnung von Meereseis in der Arktis. Mit einer Fläche von nur 7,95 Millionen Quadratkilometer war dem National Snow & Ice Data Center zufolge am 13. Juli noch weniger Meereis vorhanden als bei früheren Minusrekorden 2012 und 2020.
Die Ereignisse werden noch immer als "Naturkatastrophen" beschrieben. Doch über allem liegen der Verdacht und die Angst, es könnte sich um konkrete Folgen der menschgemachten Erhitzung handeln – um genau das, wovor der Weltklimarat seit Jahrzehnten warnt. Einen ultimativen Beweis gibt es nicht, aber sehr wohl Wahrscheinlichkeitsrechnungen, die einen Zusammenhang sowohl für die Überschwemmungen in Europa wie auch die Hitze in Nordamerika sehr stark nahelegen.
In der New York Times schreibt Somini Sengupta: "Die extremen Wetterkatastrophen in Europa und Nordamerika haben uns zwei wesentliche Tatsachen aus Wissenschaft und der Geschichte vor Augen geführt: Die Welt als Ganzes ist weder dafür bereit, den Klimawandel zu verlangsamen, noch dafür, mit ihm zu leben. Die Ereignisse der Woche haben einige der reichsten Nationen der Welt heimgesucht, deren Wohlstand erst durch mehr als ein Jahrhundert der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas möglich wurde."
In der FAZ mahnt Joachim Müller-Jung: "Den Katastrophenfall in der Eifel als isoliertes und zufälliges Unwetter, gleichsam als Teilmenge historischer Naturereignisse zu betrachten, blendet einen entscheidenden Wissensstand der jüngeren Forschungsgeschichte aus. (…) Grob lässt sich sagen: Ein Grad Erwärmung bedeutet knapp sieben Prozent mehr Wasser in der Atmosphäre, und dieses Mehr an Wasser muss irgendwann und irgendwo abregnen."
Und in "Spektrum der Wissenschaft" fordert der Wissenschaftsjournalist Daniel Lingenhöhl: "Es mehren sich die Zeichen, dass sich verschiedene für das Weltklima wichtige Regionen ihren Kipppunkten nähern oder sie vielleicht sogar schon erreicht haben. (…) Die Wissenschaft hat die Daten und Prognosen geliefert. Die Politik ist nun am Zug."
Im Projekt „Countdown Natur“ berichten wir mit Blick auf den UN-Naturschutzgipfel über die Gefahren für die biologische Vielfalt und Lösungen zu ihrem Schutz. Der Fotoeinkauf für diesen Beitrag wurden von der Hering Stiftung Natur und Mensch gefördert. Sie können weitere Recherchen mit einem Abonnement unterstützen.