Ist Naturschutz vom Kolonialismus in Afrika geprägt?

Fragen an den Historiker und Autor Bernhard Gißibl

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
10 Minuten
Besucher am Rand der Caldera des Ngorongoro-Gebiets.

Bernhard Gißibl arbeitet und forscht als Historiker am Leibniz-Institut für Europäische Geschichte Mainz in Mainz. In seinem 2016 erschienenen Buch „The Nature of German Imperialism“ setzt er sich kritisch mit der kolonialen Vorgeschichte des internationalen Naturschutz auseinander. Gißibl ist Mitherausgeber des Bandes „Civilizing Nature: National Parks in Global Historical Perspective“ (Berghahn, 2012). Für seine Dissertation zu dem Thema hat er den den Nachwuchspreis der Vereinigung für Afrikawissenschaften in Deutschland (VAD) erhalten. Bei RiffReporter ist auch ein übersetzter und überarbeiteter Auszug aus „The Nature of German Imperialism“ erschienen.

Herr Gißibl, Naturschutz gilt als rundum positive Sache. In Ihrem Buch „The Nature of German Imperialism“ schreiben sie, dass es eine dunkle koloniale Vorgeschichte gibt. Wie sind Sie darauf gekommen?

Kritische Umwelthistoriker haben schon in den 1990er Jahren darauf hingewiesen, dass Naturschutzmaßnahmen in früheren europäischen Kolonien und im nordamerikanischen Westen seit dem späten 19. Jahrhundert mit Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung einhergingen. Ich wollte untersuchen, welche Rolle Natur und Tiere im Kontext deutscher Kolonialherrschaft spielten. Mich hat interessiert, wie Bilder und Konzepte von „Natur“ zwischen dem kolonialen Ostafrika und Deutschland ausgetauscht wurden. Ich wollte auch herausfinden, wie sich die Naturerfahrung in den überseeischen Kolonien auf die Entstehung des bürgerlichen und staatlich betriebenen Naturschutzes im deutschen Kaiserreich ausgewirkt haben.

Können Sie an einem Beispiel illustrieren, was Naturschutz und Kolonialismus miteinander zu tun haben?

Elefanten wurden in der Kolonie Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania, seit den 1890er Jahren geschützt. Dabei ging es aber nicht so sehr um das Wohl der Tiere, sondern wesentlich um koloniale Ressourcen- und Staatsbildungspolitik. Die Kolonialbeamten mussten die Auswüchse eines Elfenbeinhandels einschränken, den die deutschen Eroberer selbst angekurbelt hatten. Das deutsche Kolonialsystem brauchte das Elfenbein als Währung und für die Symbolik. Die Elefantenjagd wurde auch betrieben, um Allianzen zu bilden und Herrschaft zu festigen. Dann kamen die Gegenmaßnahmen – die Jagd mit bestimmten Waffen wurde eingeschränkt, in bestimmten Gebieten oder für bestimmte Personengruppen war sie nur noch mit teuren Lizenzen möglich, großflächige Wildreservate entstanden. Wild- und Naturschutz standen also nicht im Gegensatz zu kolonialer Herrschaft. Sie waren ein integraler Bestandteil.

Kolonialismus böse, Naturschutz gut – kann man die Phänomene so auseinanderhalten?

Den vermeintlich guten Naturschutz und den bösen Kolonialismus zu trennen trägt nicht sonderlich weit. Kolonialismus war nicht die schlimme Rückseite eines am Gemeinwohl orientierten progressiven Naturschutzes. Und die Naturschutzmaßnahmen während europäischer Kolonialherrschaft lassen sich nicht als vermeintliche Positivbilanz eines auf Rassismus und Gewalt beruhenden Herrschafts- und Ausbeutungssystems begreifen. Dafür waren Kolonialismus und Naturschutz zu sehr ineinander verwoben.

Was hat den Ausschlag dafür gegeben, ein Buch über dieses Thema zu schreiben?

Ich bin mit Bernhard Grzimek im Fernsehen aufgewachsen. In meiner Generation und darüber hinaus im kulturellen Gedächtnis der Bundesrepublik beginnt das deutsche Engagement im ostafrikanischen Naturschutz mit den Film- und Fernsehbildern des Frankfurter Zoodirektors. Dieser Mythos hat sich verselbständigt und wird durch eine geschickte Öffentlichkeitsarbeit der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft immer wieder genährt und am Leben gehalten. Die koloniale Vorgeschichte und die Kontinuitäten, in denen Grzimek stand, werden völlig ausgeblendet.

Welche Kontinuitäten meinen Sie?

Grzimek war ein mit neuen Medien arbeitender Wiedergänger des Jagdreisenden und Naturschützers Carl Georg Schillings. Schillings versuchte bereits um die Jahrhundertwende, fünfzig Jahre vor Grzimek, die deutsche Gesellschaft für die in seinen Augen schon damals unmittelbar bevorstehende Zerstörung des Artenreichtums der Savannen und die Ausrottung des Großwilds Ostafrikas zu mobilisieren. Mein Buch füllt also nicht nur eine Forschungslücke, sondern bearbeitet auch eine koloniale Lücke im kulturellen Gedächtnis.

In welche neuen Gebiete hat das Buch Sie geführt?

Zum Beispiel in transdisziplinäre Grenzgebiete von Anthropologie und Ethnologie: Wie geht man mit Aussagen deutscher Missionare und Kolonialbeamter in Quellen um? Da steht zum Beispiel, dass die Bevölkerung eines bestimmten Dorfes fest davon überzeugt sei, ein Elefant, der die Ernte niedergetrampelt hat, sei von einem bösen Geist besessen. Ist das jetzt nur die Sicht des beobachtenden Europäers, der die Kultur nicht versteht und deshalb „Aberglauben“ diagnostiziert? Oder haben wir es mit alternativen Vorstellungen zu tun, wie Mensch und Umwelt zusammenhängen? Oder liegt eine geschickte Strategie der Dorfbewohner vor, Hilflosigkeit nur vorzutäuschen, um den Elefanten nicht selbst jagen zu müssen, sondern den Kolonialbeamten zu der gefährlichen Jagd zu verleiten?

Ein Jeep überquert einen schlammigen Weg und eine passiert eine Herde Zebras.
Safaritourismus, wie hier im Ngorongoro-Krater, ist für die Wirtschaft vieler afrikanischer Länder wichtig – doch vermittelt er ein angemessenes Bild der Natur?

Welche Überraschungen gab es beim Schreiben?

Jede Menge. Ich hätte mir beispielsweise nicht gedacht, welch unterhaltsame und ergiebige Quelle die Jagdzeitschrift Wild und Hund sein kann. Die Jahrgänge zu Zeiten des Kaiserreichs strotzen vor jagdlicher Provinzialität, Männlichkeitsdünkel und Deutschtümelei. Sie sind aber auch von einer überraschenden Weltoffenheit. Viele Jagdreisende veröffentlichten hier ihre Reiseberichte, von Bärenjagden in den Karpaten über Großwildjagden in Asien, Afrika, Nordamerika bis hin zu den Polarregionen ist alles dabei. Neben jeder Menge zivilisationsmüder Männer, die sich selbst inszenieren, begegnet man in diesen Berichten auch ernsthaften Diskussionen über Fragen jagdlicher Ethik und Tierschutz weltweit. Überraschend fand ich zudem, wie sehr die deutschen Eroberer die Jagd und mit der Jagd verbundene Rituale und Praktiken von einheimischen Chiefs und 'Big Men’ übernahmen um damit ihren Herrschaftsanspruch zu kommunizieren. Die koloniale Jagdpolitik hatte also tiefe lokale Wurzeln.

Aber die negativen Überraschungen überwogen?

Es ist ein hartes Kapitel deutscher Geschichte mit viel menschlichem Leid, aber auch Brutalität den Tieren gegenüber. Denken Sie nur an das Ausmaß des größten Umweltskandals im ostafrikanischen Wildschutz. Aus Angst, dass Wildtiere die Rinderpest aus Kenia einschleppen und die Viehbestände deutscher Siedler in der Kilimandscharo-Gegend infizieren könnten, ließ Gouverneur Albrecht von Rechenberg im August und September 1910 an der Grenze zu Kenia alles Wild abschießen, das als potenzieller Überträger der Krankheit in Frage kam.

Wie rücksichtslos ging man dabei vor?

Die Abschlachterei dauerte rund drei Wochen. Mehrere Kompanien Militär und Polizei wurden aufgeboten. Behörden sprachen hinterher beschwichtigend von knapp 5.000 getöteten Stück Großwild, Naturschützer argumentierten mit deutlich dramatischeren Zahlen von bis zu 30.000 Tieren. Zur Dramatisierung trug bei, dass die Maßnahme erst über ein halbes Jahr später im Kaiserreich bekannt wurde. Bis dahin hatte sich die befürchtete Rinderpest als weitgehender Fehlalarm entpuppt. Für die Befürworter eines verstärkten kolonialen Wildschutzes wurde Rechenbergs Vorgehen zum Sinnbild für den verantwortungslosen Umgang der Kolonialbehörden mit den ihnen anvertrauten Naturdenkmälern. Von „Wildmord“ und einem für Deutschland international beschämenden „Kulturskandal“ war die Rede, und das Thema beschäftigte neben Tageszeitungen, Kolonial- und Naturschutzpresse auch die Deutsche Kolonialgesellschaft, wissenschaftliche Vereinigungen und Naturschutzkongresse. Gouverneur Rechenberg verlor darüber sein Amt, die Jagd- und Naturschutzgesetzgebung in der Kolonie wurden verschärft.

Hat Naturschutz heute immer noch koloniale Züge?

Naturschutz, zumal in Form großflächiger Wildreservate und Nationalparks, schließt Menschen aus. Er war im kolonialen Kontext mit Missachtung der Rechte der lokalen Bevölkerung und oft mit gewaltsamen Umsiedlungen verbunden. So weit ging die damalige deutsche Kolonialverwaltung noch nicht. Aber ein jagdbegeisterter Gouverneur oder der Einfluss einer gut vernetzten Wildschutzlobby reichten aus, um großflächig Wildreservate auszuweisen – ohne Rücksicht auf Interessen, Nutzungsrechte und Umweltpraktiken der afrikanischen Bevölkerung. Möglich wurde dies durch eine autoritäre Staatsstruktur mit starkem Gouverneur, die auf hierarchischer Verwaltung und einer rassistischen Rechtsordnung basierte. Die Bevölkerung durfte nicht mitbestimmen und die Kolonialverwaltung war komplett auf Berlin ausgerichtet.

Das war damals so, aber wie ist es heute?

Zentrale Strukturelemente dieser kolonialen Governance-Strukturen haben sich im afrikanischen Naturschutz bis in die Gegenwart erhalten. Ich leugne nicht, dass die Bevölkerung über die letzten Jahrzehnte hinweg immer stärker eingebunden wurde. Dennoch sind Partizipationsmöglichkeiten nach wie vor nur rudimentär ausgebildet; politische Verantwortlichkeiten richten sich noch immer vor allem nach außen auf externe Geldgeber, weniger nach unten auf die eigene Bevölkerung. Angesichts der Finanzmacht westlicher Naturschutzorganisationen werden Maßnahmen an westlichen Diskursen ausgerichtet, oft zu Ungunsten lokaler Notwendigkeiten.

Aber ist nicht Ökotourimus für den Naturschutz in Afrika essentiell?

Safaritourismus und Naturschutzorganisationen schreiben die Stereotypen von Afrika als Natur und vermeintlich unberührter Wildnis fort. Damit wird einer mentalen Kolonisierung Vorschub geleistet. Die historische, von Menschen bewohnte Landschaft wird in eine zeitlose Wildnis überführt. Das passiert, um die von Naturschutz und Tourismus gewünschten Managementpraktiken zu ermöglichen. Ein anderes Stereotyp, das in Naturschutzkampagnen gegenwärtig unablässig verwendet wird, ist das rassistisch konnotierte Feindbild des aus niedrigen Motiven handelnden „Wilderers“. Damit werden im Zuge der aktuellen Elfenbeinkrise hartes Durchgreifen und die Militarisierung des Naturschutzes legitimiert. Wer oder was ein Wilderer ist, das ist eine komplizierte Sache. Das ganze Konzept hat einen kolonialen Ursprung. Vielerorts haben Naturschutz und Umsiedlungen die Menschen erst so arm gemacht, dass sie illegal jagen müssen, um zu überleben.

Was sollten Naturschutzorganisationen an ihrer Praxis verändern?

Ich kann da aus der Ferne keine pauschalen Empfehlungen geben. Aber als Historiker weise ich darauf hin, dass westliche NGOs zwar eine wichtige Anwalts- und Wächterfunktion ausüben, aber Teil der transnationalen Governance-Strukturen des Naturschutzes in Ostafrika waren und sind. NGOs sind dabei vom Wohlwollen zentralstaatlicher Regierungen und Behörden abhängig, teilweise übernehmen sie parastaatliche Funktionen. Wir nehmen sie von Europa aus als die Anwälte einer uns faszinierenden charismatischen Fauna wahr, aber sie sind selbst auch Teil des Problems. Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF) legitimiert ihre Tätigkeit hierzulande beispielsweise mit über einem halben Jahrhundert Erfahrung im Wildschutz in und um die Serengeti im Nordwesten Tansanias.

Historisches Foto eines erlegten Elefanten mit weißem Jäger und zahlreichen afrikanischen Helfern.
Der Jäger inszeniert sich als Herrscher – so sahen Kolonialherren sich gerne selbst.

Was sollte daran problematisch sein?

Jahrzehntelang hat die ZGF den exklusiven Naturschutz der tansanischen Behörden unterstützt und umgesetzt, Umsiedlungen aus Nationalparks befürwortet und das dafür nötige Personal, Ausrüstung und Waffen finanziert. In einigen Gegenden und Dörfern fehlt daher schlichtweg das Vertrauen, dass dieselbe Organisation, die lange Zeit Naturschutz gegen die Menschen betrieben hat, nunmehr mit und für die Menschen arbeiten will. Und das nicht zu Unrecht, denn im Konflikt mit Regierung und staatlichen Behörden gilt das Mandat der NGOs im Zweifelsfall dem zu schützenden Wildtier, nicht der Fürsprache und den Rechten der örtlichen Bevölkerung.

Aber wir haben es doch bei Organisationen wie dem WWF mit aufgeklärten, reflektierten Menschen zu tun.

Das ist ja genau das Problem. Gerade die Öffentlichkeitsarbeit dieser Organisationen zeichnet sich durch einen immensen Reflexionsgrad aus. Als strategische Kommunikation zur Spendenwerbung operiert sie mit eingängigen, aber hochgradig durchdachten und effektiven Botschaften. Ich halte es daher für utopisch zu glauben, dass die Naturschutzorganisationen nach außen plötzlich selbstreflexiv kommunizieren, ihr Verhältnis zu Regierungen oder ihre Konzepte von Wildnis hinterfragen, das Problem der Militarisierung deutlich benennen oder darlegen, in welchem Umfang auch touristische Großwildjagd nach wie vor und wieder zu den akzeptierten Naturschutzinstrumenten gehört. Nichts Anderes verbirgt sich ja häufig hinter der Rhetorik von „nachhaltiger Nutzung“. Aber mit Selbstzweifeln würden sie ja ihre eigenen Fundraising-Interessen konterkarieren.

Gegen die Umweltschutzorganisation WWF läuft gerade ein Verfahren bei der OECD, der WWF soll die Rechte der indigenen Bevölkerung missachtet haben. Wie beurteilen Sie das?

Dabei geht es um die Ethnie der Baka, einem Jäger- und Sammlervolk im Südosten Kameruns. Survival International, eine NGO, die sich seit Jahrzehnten für die Rechte indigener Völker engagiert, hat publik gemacht, dass der WWF im Zuge der Einrichtung von Waldschutzgebieten die Landrechte der indigenen Bevölkerung seit Jahren missachte. Zudem haben sich vom WWF mitfinanzierte und ausgerüstete Anti-Wilderer-Einheiten immer wieder Misshandlungen der Bevölkerung zu Schulden kommen lassen. Dem WWF waren diese Vorgänge spätestens seit 2015 bekannt. In Kamerun wurden bereits um die Jahrtausendwende erste Vorwürfe laut, dass Regierung und WWF im Zuge der Ausweisung neuer Nationalparks in den Regenwaldgebieten im Süden keine Rücksicht auf die Rechte der örtlichen Bevölkerung nahmen. Entgegen anderslautender Ankündigungen wurden ganze Dörfer gewaltsam umgesiedelt.

Wie paßt das zum Bild vom nachhaltigen Naturschutz, der allen nützt?

Naturschutzpraxis und öffentliche Nachhaltigkeits- und Partizipationsrhetorik klaffen hier eklatant auseinander. Gerne bedient wird ein Mythos von „ökologisch edlen Wilden“, die beste Garanten für den nachhaltigen Umgang mit dem Regenwald seien. Spendern in Europa wird suggeriert, die in den Parks ansässigen indigenen Völker würden an allen ihr Land betreffenden Entscheidungen beteiligt. Tatsächlich ist aber oft das Gegenteil der Fall. Und die Beteiligung von Anti-Wilderer-Einheiten verweist zudem auf die in den letzten Jahren eklatant zunehmende Militarisierung des Naturschutzes im südlichen Afrika. Diese grüne Militarisierung wird auch mit den Spendengeldern betrieben, die WWF und Frankfurter Zoologische Gesellschaft hierzulande für den Schutz der afrikanischen Tierwelt erhalten.

Wer kann dann für Veränderungen sorgen?

Eine wichtige Funktion hätte der Journalismus. Journalisten müssten einen kritischen, multiperspektivischen Diskurs über das Politikfeld Naturschutz in Afrika ermöglichen. Wenn sich aber die Medien hierzulande des Themas annehmen, dann geschieht das häufig im unkritischen Genre des Reisejournalismus. Und meist läuft das so, dass der Zugang der Medienvertreter von vornherein über die Presse- und Öffentlichkeitsabteilungen von ZGF und WWF erfolgt. Diese Organisationen sind dann auch die ersten Ansprechpartner vor Ort und führen Journalisten bevorzugt zu ihren Vorzeigeprojekten, mit dem Effekt, dass die Berichterstattung sich häufig mit der Reproduktion der Selbstdarstellung und der Pressemitteilungen „unserer“ NGOs begnügt. Wissenschaftsjournalisten sollten das Problem nicht nur aus naturschutzbiologischer und ökologischer, sondern auch aus historischer und anthropologischer Perspektive betrachten.

Kommt Naturschutz in der aktuell laufenden Ausstellung im Deutschen Historischen Museum zum Kolonialismus ausreichend vor?

Leider nicht. Die Ausstellung leistet Großartiges, um den deutschen Kolonialismus stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Doch die politische Bedeutung von Natur, Tierwelt, Naturschutz und Naturvorstellungen wird nicht eigens problematisiert.

Sie dürfen sich einen Leser wünschen – wer wäre das?

Mein Vater. Er hat die langwierige Genese des Buches mit ständiger Ermutigung begleitet. Das veröffentlichte Buch hätte er im Oktober als Geburtstagsgeschenk erhalten sollen. Wenige Wochen vorher ist er verstorben. Das Buch ist deshalb ihm gewidmet.

Welchen Ausschnitt Ihres Buchs haben Sie für Riff-Leser ausgewählt und warum genau diesen?

Riffe sind ja nicht nur Orte der Vielfalt, sondern auch gefährliche Orte. Zumindest verstehe ich das Anliegen der RiffReporter auch dahingehend, dass auch vermeintliche Gewissheiten auf dem Riff auflaufen sollen. Aus diesem Grund habe ich den ersten Teil der Einleitung des Buches gewählt, in der es um den Ngorongoro-Krater im Nordwesten Tansanias geht. Heutigen Safaritouristen wird dieser Krater als intaktes Naturparadies verkauft, gerne auch als Ort einer friedlichen Koexistenz zwischen wilden Tieren und pastoraler Naturnutzung durch die Maasai. Am Kraterrand befindet sich das Grab von Bernhard Grzimek, ansonsten wird die bewegte menschliche Geschichte und die Landkonflikte hinter dem vermeintlich zeitlosen Naturparadies meist verschwiegen. Während der deutschen Kolonialzeit siedelten in Ngorongoro zwei Brüder, die Reste ihrer Farm sind bis heute zu sehen. Die deutsche Kolonialverwaltung plante lange, im Krater einen Naturschutzpark einzurichten, entschied sich kurz vor dem Ersten Weltkrieg dann aber doch für die landwirtschaftliche Erschließung durch Viehzucht. Hätte der Erste Weltkrieg nicht einen Strich durch diese Pläne gemacht, würde Ngorongoro heute vermutlich ganz anders aussehen.

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