„Das ist natürlich ein Trick, aber ein guter Trick“

Die Umweltbewegung sollte die Kommunikationsstrategie der Neoliberalen nutzen, fordert ein Professor –ein Interview

13 Minuten
Ein Park an einem Frühlingstag: Ein großer Baum steht auf einer blühenden Wiese, durch die sich zwei Spuren eines Trampelpfades ziehen. – Wo viele langgehen, entsteht bald ein Trampelpfad, der weitere Menschen anzieht. Auf ähnliche Weise könnten die Umweltorganisationen das Interesse an einer neuen Wirtschafts-Ordnung wecken und leiten, wenn sie sich auf eine gemeinsame Botschaft einigen.

Die Umweltbewegung mit all ihren kleinen und großen Gruppen verschwendet ihre Kraft, ist Lance Bennett überzeugt. Statt nur für ihre jeweiligen Anliegen zu kämpfen, könnte sie mit einer gemeinsamen Botschaft viel mehr erreichen, sagt der Kommunikationsforscher von der University of Washington in Seattle. Er schlägt vor, dass sie alle sich auf die gemeinsame Grundidee eines neuen Wirtschaftsmodells einigen. Es müsste die Grenzen des Planeten beachten, würdige Jobs und Auskommen für Menschen schaffen, wirtschaftliches Wachstum durch zunehmendes Wohlergehen ersetzen. Und dann sollten alle Gruppen zusammen dafür werben. Das große Vorbild dieser Strategie sind ausgerechnet die erklärten Feinde vieler der Gruppen: die Neoliberalen und ihre Thinktanks.

Christopher Schrader: Sind die beiden Milliardäre Charles Koch und sein Mitte 2019 verstorbener Bruder David eigentlich so etwas wie Vorbilder für Sie?

Lance Bennett: Um Himmels willen, nein. Charles Koch war und ist die treibende Kraft hinter der politischen Operation der Koch Brothers. Seit den 1980er-Jahren bis heute geht es der Familie vor allem darum, den Klimawandel zu leugnen. Das Vermögen der Kochs stammt aus Öl, Raffinerien und Kunststoffen. Sie haben schnell verstanden, dass der Klimawandel tatsächlich passiert, aber sie wussten nicht, wie sie verhindern sollten, dass ihre Geschäfte darunter leiden. Also haben sie beschlossen, Desinformation zu streuen und damit Politiker, Presseleute und die normalen Bürger einzulullen.

Aber Sie, Lance, haben auch gesagt, eigentlich müssten die Klimaschützer sich an der Kommunikations-Strategie an den Neoliberalen ein Beispiel nehmen. Gilt das auch für die Kochs? Sind die größten Feinde auch die größten Vorbilder?

Man kann viel davon lernen, wie sie ihre Kommunikation organisiert haben. Die Neoliberalen und die Leute wie die Kochs, die aus der Tradition kommen und die Arbeitsweise übernommen haben. Man muss sich vielleicht die Nase zuhalten, aber man kann davon lernen.

Also, rein als Kommunikationsleistung betrachtet: Ist das eine Erfolgsgeschichte?

Wenn einem die Umwelt egal ist, na klar. Und wenn einem die kurzfristigen Profite wichtig sind und es nichts ausmacht, dass der Planet am Ende wärmer und instabiler geworden ist.

So ist es ja auch gekommen.

Wo die Umweltbewegung ihre Kraft bündeln soll

Aber wir müssen immer im Kopf behalten und daran erinnern, dass die Bewegung der Neoliberalen mit einer grundsätzlichen Täuschung operierte. Sie sagte sich: Wenn wir den Leuten erzählen, was wir wirklich durchsetzen wollen, nämlich dass der Markt die Sozialpolitik bestimmt, …

… und ruiniert …

… dann werden sie uns nicht unterstützen. Darum müssen wir sie anlügen. 

Während die Klimaschützer heute ganz genau erklären, was sie wie erreichen wollen?

Ja. Wir sagen den Leuten die Wahrheit und legen die Zwecke unserer politischen Ideen ehrlich offen. Wir sind in Kontakt mit der Wissenschaft und würden, wenn es mit dem Klimaschutz mal richtig losgeht, stets analysieren, was funktioniert und was nicht funktioniert – und uns danach richten.

Kann man denn überhaupt etwas von den Neoliberalen lernen, wenn man bei der Wahrheit bleibt?

Das Wesen von deren Kommunikations-Strategie war ja nicht das Lügen, sondern der Umgang mit Ideen, das Verbreiten und Durchsetzen von Ideen. Das haben die Neoliberalen perfektioniert. In unserem Fall geht es aber um die Idee einer besseren Gesellschaft, die Klima und Umwelt schützt und in der die Menschen gute, würdige Arbeit haben. Es ist eine Idee, die die ganze Umweltbewegung vorantreiben sollte. Hinter der sie ihre Kraft bündelt.

Aber würden die Gruppen auf der progressiven oder linken Seite sich nicht mit Grausen abwenden, wenn man ihre Arbeit mit der ihrer größten Feinde vergleicht?

Sie müssen dazu ja keine Neo-Liberalen werden. Die haben aber das erfolgreichste Kommunikationsmodell unserer Zeit entwickelt, dabei waren sie anfangs ein viel kleinerer Haufen als die Umweltbewegung heute ist. Es war unwahrscheinlich, dass sie die Welt erobern würden, hat aber geklappt.

Porträt-Aufnahme des Interviewten. Er hat graue, wellige Haare, trägt eine blau-gestreifte Brille und sitzt in einem Berliner Park vor Büschen. Lance Bennett ist Professor für Politik-Wissenschaft an der University of Washington in Seattle und „Affiliate Scholar“ am Institut für transformative Nachhaltigkeit-Studien (IASS) in Potsdam. Er hat ein Netzwerk gegründet, das sich um gemeinsame Lösungen für die Probleme der Umwelt, Wirtschaft und Demokratie bemüht (Solutions for Environment, Economy, and Democracy – seed.uw.edu).
Lance Bennett ist Professor für Politik-Wissenschaft an der University of Washington in Seattle und „Affiliate Scholar“ am Institut für transformative Nachhaltigkeit-Studien (IASS) in Potsdam. Er hat ein Netzwerk gegründet, das sich um gemeinsame Lösungen für die Probleme der Umwelt, Wirtschaft und Demokratie bemüht (Solutions for Environment, Economy, and Democracy – seed.uw.edu).
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