„Eine Energiewende ohne Rücksicht auf Natur und Landbevölkerung ist ein Irrweg“
Der spanische Biologe Luis Bolonio von der Umweltorganisation ALIENTE erklärt, weshalb sich in seinem Land immer mehr Protest gegen den Wildwuchs der Erneuerbaren Energien regt
„Erneuerbare Energien ja – aber nicht so!“ Das ist das Motto der spanischen Organisation ALIENTE, in der sich über 150 lokale Initiativen – Naturschützer- ebenso wie Bürgerrechtlerïnnen – zusammengeschlossen haben. Anfang dieses Jahres gegründet, wehrt sich ALIENTE (Alianza Energía y Territorio) gegen den forcierten, weitgehend ungeregelten Ausbau der Erneuerbaren Energien vor allem in ländlichen Regionen. Dort sind in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur zahlreiche Windparks errichtet worden, sondern auch groß dimensionierte Fotovoltaikanlagen, die viele Hektar zum Teil ökologisch wertvoller Landfläche in Anspruch nehmen. Die Mitglieder von ALIENTE, die auch auf die Unterstützung vieler spanischer Wissenschaftlerïnnen zählen können, fordern ein Moratorium beim Bau neuer Anlagen. Und eine Energiewende, die mehr Rücksicht auf Natur und Bürgerinteressen nimmt.
Wir haben mit dem Biologen Luis Bolonio gesprochen, Mitgründer und Sprecher der Organisation.
Johanna Romberg: Spanien ist eines der Ländern Europas, die am meisten unter der Klimakrise leiden. Immer längere Sommer, immer neue Hitzerekorde, häufigere Dürreperioden, die zur Verwüstung ganzer Regionen beitragen. Dennoch fordert ALIENTE, den Ausbau der Erneuerbaren Energien vorerst zu stoppen. Warum?
Luis Bolonio: Wir sind davon überzeugt, dass die Energiewende in ihrer jetzigen Form ein Irrweg ist. Sie trägt kaum zur Lösung der Klimakrise bei, und sie richtet irreversible Umweltschäden im ganzen Land an. Zudem wird sie von wenigen Großunternehmen vorangetrieben, die weniger am Kampf gegen die Erderhitzung interessiert sind als daran, eine Gelegenheit zur Steigerung ihrer Profite zu nutzen. Deshalb setzen wir uns für ein Ausbau-Moratorium von sechs bis zwölf Monaten ein, die genutzt werden sollten, um eine wirkliche Energiewende in Gang zu setzen. Eine, die sowohl naturschonend als auch sozial gerecht ist.
Auf den ersten Blick scheint Spanien, geografisch wie klimatisch, geradezu prädestiniert für die Produktion großer Mengen Erneuerbarer Energien. Es gibt nicht nur reichlich Sonne und Wind, sondern auch viel Platz: Die Bevölkerungsdichte ist weniger als halb so groß wie in Deutschland, vor allem abseits der großen Städte ist das Land dünn besiedelt. Weshalb gibt es dennoch so viele Konflikte um die Energiewende?
Auch im sogenannten „leeren Spanien“ leben Menschen. Und diese haben dieselben Rechte wie andere Bürger Europas. Es ist nicht einzusehen, dass die Bewohner ländlicher Regionen die ökologischen Folgekosten tragen müssen für die Produktion von Energie, die anderswo konsumiert wird – vor allem in den großen Ballungszentren. Die Menschen auf dem Land wollen nicht, dass ihre Lebensweise, ihre Lebensqualität und der Naturreichtum ihrer Heimat zerstört werden. Und sie wehren sich dagegen, als rückständig bezeichnet oder gar als Klimawandelleugner diffamiert zu werden – vor allem von Stadtmenschen, die sich bis heute nicht der zentralen Aufgabe einer wirklichen Energiewende gestellt haben: der konsequenten Reduktion des Verbrauchs, des Umbaus eines Systems, das auf der Verschwendung von Energie beruht.
Dass der Ausbau Erneuerbarer Energien Konflikte mit sich bringt, vor allem in ländlichen Regionen, erleben wir auch in Deutschland. Aber ich verstehe noch nicht so richtig, weshalb er auch in Spanien so viel Widerstand hervorruft. Spanien produziert zurzeit 59 Gigawatt an Erneuerbarer Energie, nicht einmal halb so viel wie Deutschland. Und von dieser Menge werden über ein Drittel mit Wasserkraft erzeugt – schon jetzt eine problematische Form der Energieerzeugung in einem so dürregeplagten Land. Dennoch entzünden sich die meisten Konflikte am Ausbau von Wind- und Sonnenenergie. Warum?
Wir reden nicht nur vom Status quo, sondern auch von der Zukunft. Zurzeit liegt die installierte Leistung spanischer Wind- und Solarenergieanlagen bei rund 36 Gigawatt. Der Integrierte Energie- und Klimaplan der spanischen Regierung (PNIEC) sieht vor, dass diese Leistung bis 2030 auf 89 Gigawatt gesteigert wird. Aber allein die Leistung der zurzeit geplanten Wind- und Fotovoltaikanlagen beläuft sich auf über 200 Gigawatt. Das entspricht einem gewaltigen Flächenbedarf. Eine einzige PV-Anlage nimmt im Durchschnitt 2,2 Hektar ein. Würden alle Wind- und Solarprojekte, die derzeit zur Genehmigung anstehen, realisiert werden, dann würden sie nach unseren Berechnungen eine Fläche von 8000 bis 10.000 Quadratkilometern einnehmen – das entspricht der Ausdehnung einer durchschnittlich großen spanischen Provinz.
Die Energiewende in ihrer derzeit geplanten Form wäre der folgenschwerste Umwelteingriff, den Spanien in den vergangenen beiden Jahrhunderten erlebt hat. Sie käme in ihren Auswirkungen der Desamortisation gleich…
… der Enteignung und nachfolgenden Privatisierung spanischer Kirchen- und Gemeindegüter im 19. Jahrhundert. In deren Folge wurden Tausende Quadratkilometer Naturwald abgeholzt und in Agrarland umgewandelt, viele bedrohte Tierarten ausgerottet und unzählige Landbewohner ihrer Existenzgrundlage beraubt.
Genau. Und dieses ökologische Desaster würde sich nicht, wie im 19. Jahrhundert, im Laufe von Jahrzehnten vollziehen, sondern wenigen Jahren oder gar Monaten.
Es gibt keine Planung beim Ausbau der Erneuerbaren. Die Regierung gibt nur Gigawattzahlen vor
„Desaster“ klingt drastisch. Es muss doch möglich sein, den Ausbau der Erneuerbaren Energien so zu planen, dass die Natur weitgehend geschont wird. Welche Rahmenbedingungen hat der spanische Staat dazu gesetzt, welche öffentlichen Institutionen kümmern sich um Planung und Genehmigung konkreter Projekte?
Das ist ja das Problem: Es gibt keine Planung beim Ausbau der Erneuerbaren, weder von Seiten des Staates noch der Regionalregierungen. Die Politik hat nur die Zahl der zu produzierenden Gigawatt vorgegeben; die Auswahl der Flächen bleibt den Betreibern der Anlagen überlassen. Und diese gehen dabei ausschließlich nach wirtschaftlichen Kriterien vor. Sie konzentrieren sich auf abgelegene Gebiete in der Nähe von Einspeisepunkten ins Hochspannungsnetz, und innerhalb dieser Gebiete wählen sie wiederum die billigsten Flächen aus. Das sind meist karge, trockene Böden, die sich nicht für intensive landwirtschaftliche Nutzung eignen. Aber gerade diese Böden weisen in der Regel die höchste Biodiversität auf. Meist werden sie als extensive Viehweiden genutzt – eine naturschonende Form der Landnutzung, die in Spanien eine 7000jährige Tradition hat. Diese Weidelandschaften weisen eine einzigartige Artenvielfalt auf. Sie bieten einige der nicht nur europa-, sondern zum Teil sogar weltweit letzten Refugien für bedrohte Vogelarten wie die Großtrappe, die Zwergtrappe, das Spießflughuhn.
Stehen diese Gebiete nicht unter Naturschutz? Immerhin gehören 27 Prozent der spanischen Landfläche zum europäischen Natura-2000-Netz, also den Gebieten, die nach der EU-Vogelschutz- und der EU-Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie von überregionaler Bedeutung für die biologische Vielfalt sind.
Die Gebiete des Natura 2000-Netzwerks sind rechtsverbindlich geschützt, das stimmt. Und Bauprojekte, die diese Gebiete beeinträchtigen, lassen sich im Prinzip auch mit juristischen Mitteln verhindern. Aber dazu muss man erst ein Gerichtsverfahren anstrengen. Und da liegt das erste Problem. Es stehen zurzeit Tausende von Windkraft- und Solarprojekten zur Genehmigung an – eine Lawine, die nicht mal das dafür zuständige Ministerium überblickt. Und niemand hat das Geld oder die fachlichen Ressourcen, alle diese Projekte juristisch zu prüfen und gegebenenfalls zu beklagen.
Auch Solarparks bedrohen die Artenvielfalt. Sie könnten Großtrappen und andere seltene Vögel der offenen Landschaft an den Rand des Aussterbens bringen
Das zweite Problem liegt darin, dass das spanische Natura-2000-Netzwerk völlig unzureichend ist; es wurde eher nach politischen als nach fachlichen Kriterien geplant. Weshalb es viele Flächen von hohem ökologischem Wert gibt, die nach wie vor ungeschützt sind.
Welche Schäden an Natur und Artenvielfalt sind denn jetzt schon zu verzeichnen? Gibt es, zum Beispiel, Studien zu Kollisionsopfern an Windkraftanlagen oder Zahlen zur Bestandsentwicklung gefährdeter Arten in Regionen, in denen schon jetzt viele Wind- und Solarparks stehen?
Der Boom bei den Fotovoltaikanlagen hat erst vor zwei Jahren eingesetzt, deshalb gibt es zu deren Auswirkungen noch keine Zahlen. Aber schon jetzt ist abzusehen, dass Solarparks gerade jene seltenen Arten bedrohen werden, die weltweit gefährdet sind – etwa Trappen und Flughühner. Das sind typische Vögel weiträumiger Brachen und Steppen, die es schon nicht ertragen, wenn das Gras in ihren Brut- und Rastgebieten zu hoch wächst. Sie halten weiten Abstand zu Bäumen, Büschen und jeder Art von vertikalen Strukturen. Die Errichtung von Solarparks in ihren Lebensräumen würde sie nicht nur verdrängen, sondern könnte sie an den Rand des Aussterbens bringen.
Was weiß man über die Auswirkungen von Windkraftanlagen? Die gibt es ja schon länger. Es ist zum Beispiel belegt, dass Anlagen in den Zugvogelkorridoren Südspaniens viele Langstreckenzieher zu kräftezehrenden Umwegen zwingen …
Windkraft gibt es in Spanien seit etwa 20 Jahren. Aber die Erforschung ihrer Folgen, etwa der Kollisionsraten von Vögeln und Fledermäusen an Rotoren, ist bis heute völlig unzureichend. Es gibt kaum unabhängige Studien. Denn es sind vor allem die Windparkbetreiber selbst, die über Kollisionsopfer Buch führen. Und ihre Daten sind weitgehend unzugänglich. Auch die zuständigen Behörden weigern sich oft, sie herauszugeben – und das selbst dann, wenn Vertreterïnnen staatlicher Institutionen wie des Obersten Rats für Wissenschaftliche Forschung (CSIC) sie anfordern.
Vom Boom der Erneuerbaren Energien profitieren vor allem große Konzerne. Die Verbraucher dagegen zahlen mit die höchsten Strompreise in Europa
In Aragón haben wir einige Anlagen selbst über mehrere Monate nach Kollisionsopfern abgesucht – und unsere Ergebnisse mit den verfügbaren Daten der Betreiber verglichen. Diese hatten für diesen Zeitraum gerade zehn tote Tiere angegeben, während wir über 500 Opfer entdeckt haben – Vögel ebenso wie Fledermäuse.
Der Verdacht liegt nahe, dass die durch Windkraftanlagen verursachte Mortalität viel höher ist als bislang bekannt. Und dass gerade bei langlebigen Arten wie Greifvögeln und Fledertieren, die pro Jahr nur wenige Junge bekommen, bereits das Überleben ganzer Populationen gefährdet ist.
Zumindest bei Fledertieren ließen sich Opferzahlen doch deutlich reduzieren – durch automatische Abschaltungen bei mildem Wetter und Windstille in den Nachtstunden. In Deutschland verbinden Behörden die Genehmigung neuer Anlagen häufig mit der Auflage an die Betreiber, solche Abschaltvorrichtungen zu integrieren.
Solche Auflagen fordern auch wir, ebenso wie die SECEMU, die Spanische Gesellschaft zum Schutz der Fledermäuse. Die Ertragsverluste durch die Abschaltungen dürften kaum mehr als ein Prozent betragen. Aber die Windpark-Betreiber lehnen solche Auflagen ab. Und nicht nur sie, sondern auch die Behörden, die eigentlich für die Kontrolle der Anlagen zuständig wären. Die öffentliche Verwaltung in Spanien ist äußerst korrupt. Anders als in Italien agiert die Mafia hier nicht außerhalb der Verwaltung, sie sitzt mittendrin. Und handelt nicht im Interesse der Bürger, sondern macht gemeinsame Sache mit den großen Unternehmen.
Was für Unternehmen sind das? Welche wirtschaftlichen Kräfte stehen hinter dem Boom der Erneuerbaren in Spanien, wer profitiert davon?
Das sind vor allem die großen spanischen Energieproduzenten und -versorger, ein Oligopol, das noch aus der Franco-Zeit stammt. Francos Militärputsch 1936 wurde aktiv von mächtigen Familien unterstützt, Unternehmensbesitzern, die in den folgenden Jahrzehnten zu wirtschaftlichen Profiteuren der Diktatur wurden. Diese Familien haben ihren Reichtum und ihren Einfluss auch nach dem Übergang zur Demokratie bewahrt – bis heute.
Mittlerweile sind ihre Unternehmen – Iberdrola und Endesa gehören zu den größten – Aktiengesellschaften. Was bedeutet, dass die Energiewende in Spanien entscheidend von ausländischen Investoren vorangetrieben wird. Blackrock ist einer der größten, aber auch der norwegische Staatsfonds gehört dazu.
Dieses Oligopol profitiert von einer Besonderheit des spanischen Energiemarkts: Der Strompreis bemisst sich immer an den Produktionskosten jener Erzeuger, die zuletzt in den Markt eingetreten sind. Das sind unter anderem Betreiber von Gaskraftwerken, die außer hohen Rohstoff- auch steigende Kosten für CO2-Emissionsrechte tragen müssen. Für Konzerne wie Iberdrola und Endesa hingegen, die Energie weitgehend aus Erneuerbaren Quellen sowie abgeschriebenen Atomkraftwerken produzieren, fallen diese Kosten nicht an. Deshalb beschert ihnen der hohe Strompreis beträchtliche Gewinne.
Vor Kurzem hat die Regierung angekündigt, diese „windfall profits“ um wenige Prozent zu beschneiden, auch um die spanischen Verbraucher zu entlasten, die mit die höchsten Strompreise in Europa zahlen. Daraufhin haben die Stromkonzerne gedroht, den Nuklearpakt zu kündigen, also die Vereinbarung, die verbliebenen Atomkraftwerke bis 2035 stillzulegen.
Und das sind dieselben Konzerne, die sich bei anderer Gelegenheit als grüne Retter der Welt präsentieren.
Wie sieht denn nun die „wirkliche Energiewende“ aus, die ALIENTE fordert? Der Ausstieg aus fossilen Energien ist schließlich unumgänglich, wenn die Erderhitzung gebremst werden soll. Zurzeit werden gerade 32 Prozent des spanischen Strombedarfs aus Erneuerbaren gedeckt; betrachtet man die gesamte verbrauchte Energie, liegt ihr Anteil sogar nur bei 18 Prozent.
Wir sind überzeugt, dass die Energiewende sich in einer logischen Reihenfolge vollziehen muss. Oberste Priorität: sparen. Unser Wirtschaftssystem ist derart verschwenderisch – es wird schlicht unmöglich sein, die gesamte derzeit verbrauchte Menge an fossiler Energie durch grüne zu ersetzen. Das sagen sogar Experten des Weltklimarats: In einem kürzlich geleakten Report hat eine Gruppe von ihnen darauf hingewiesen, dass nur eine radikale Reduktion des Energieverbrauchs, vor allem bei den reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung, den Klimawandel aufhalten kann. Sie betonen auch, dass diese Reduktion ohne größere Einbußen bei unserer Lebensqualität möglich ist. Zuallererst gilt es also festzustellen, wie groß das Potenzial für Einsparungen ist.
Wir sind nicht gegen neue Anlagen. Aber wir wollen, dass die Bürger bei deren Planung mitreden können
Der zweite wichtige Punkt: Steigerung der Energieeffizienz, bei Verbrauch wie bei Produktion. Auch das ist ein Nachteil der Mega-Energieparks, die weit entfernt von den Ballungszentren errichtet werden: Beim Transport über Hochspannungsleistungen gehen bis zu 35 Prozent der erzeugten Energie verloren.
Dritter Punkt: Die Möglichkeiten zur Selbstversorgung ausbauen. Denn das ist die große Chance, die uns die Erneuerbaren bieten: Energie dezentral zu erzeugen, und zwar dort, wo sie tatsächlich verbraucht wird. Also auf Dächern, in Gewerbegebieten, auf stadtnahen Flächen, die bereits ökologisch geschädigt sind.
Wenn darüber hinaus noch größere Anlagen zur Erzeugung Erneuerbarer Energien benötigt werden – wir sind nicht grundsätzlich dagegen. Aber wir fordern, dass diese Anlagen ordnungsgemäß und mit ausreichender Beteiligung der Bürger geplant werden.
Haben denn die Bürger bislang gar kein Mitspracherecht? Immerhin müssen die Gemeinden, auf deren Gebiet die geplanten Anlagen liegen, diese doch genehmigen. Und auch die Besitzer der benötigten Flächen müssen zum Verkauf bereit sein…
Nicht unbedingt. Das Problem ist: Die Landbewohner haben den Betreibern meist wenig entgegenzusetzen. Viele Gemeinden in ländlichen Gegenden sind klamm, von Abwanderung betroffen; die Arbeitslosigkeit ist hoch. Die Betreiber nutzen diese Notlage aus, säen oft Zwietracht unter den Bewohnern, indem sie wenigen sehr viel Geld für ihr Land bieten. Und wenn jemand nicht verkaufen will, greifen sie auf ein bis heute geltendes Gesetz aus der Franco-Zeit zurück. Es ermöglicht Zwangsenteignungen privater Güter für Bauprojekte, die von staatlichen oder kommunalen Behörden als gemeinnützig deklariert worden sind. Die Betreiber setzen den Landbesitzern quasi die Pistole auf die Brust: „Entweder du verkaufst oder verpachtest, oder ich lasse dich enteignen.“
Jetzt müssen wir das nächste Tabu zur Sprache bringen: den notwendigen Übergang zu einer Postwachstumsgesellschaft
Nun aber formiert sich Widerstand gegen die Hauptakteure der Energiewende …
Und das ist bemerkenswert. Denn wir Spanier tun uns normalerweise schwer damit, uns auf gemeinsame Anliegen zu verständigen – zumal dann, wenn Menschen aus dem ganzen Land beteiligt sind. Aber mit ALIENTE ist uns genau das gelungen. Unsere Mitglieder kommen aus allen Regionen Spaniens, stehen für verschiedene politische Überzeugungen. Und, was uns besonders wichtig ist: Wir haben die entschiedene Unterstützung einer großen Mehrheit der wissenschaftlichen Community.
Wie haben denn Politik und Öffentlichkeit auf die Gründung von ALIENTE reagiert? Und wie stehen die Aussichten, dass eure Forderungen umgesetzt werden?
Die öffentliche Resonanz ist enorm gewesen, weit größer als wir erwartet hatten. Und unser erstes Ziel haben wir schon erreicht: dass es überhaupt eine differenzierte Debatte über die Energiewende gibt. Bis vor Kurzem war jede Kritik daran tabu; man durfte nur dafür oder dagegen sein. Allmählich aber setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Klimakrise nicht allein mit technischen Mitteln zu bewältigen ist. Sondern dass sie unsere Gesellschaft, unsere Zivilisation als Ganzes herausfordert. Jetzt müssen wir das nächste große Tabu zur Sprache bringen: den notwendigen und unvermeidlichen Übergang in eine Postwachstumsgesellschaft. Diese Transformation muss auf eine Weise vollzogen werden, die geordnet, einvernehmlich und gerecht ist. Damit nicht diejenigen die Kosten tragen, die es immer trifft; diejenigen, die unten sind.
Dafür müssen wir kämpfen, wenn wir unseren Kindern in Zukunft noch in die Augen schauen wollen.