Klimafreundlicher Ersatz für Torferde: „Wir sind zuversichtlich, dass sich Torfmoosanbau rechnet“
Das Team von „ZukunftMoor“ erprobt in Niedersachsen, wie sich Torfmoos auf wiedervernässten Flächen kultivieren lässt. Das soll CO₂-Emissionen reduzieren und Erden ersetzen, die noch immer durch Raubbau gewonnen werden

Lucas Gerrits, 34, ist Mitgründer von „ZukunftMoor“, einer neuen Firma, die Torfmoose für klimafreundliche Erden anbauen will. Das Projekt soll es lukrativ machen, trockengelegte Moorflächen wiederzuvernässen, um den Ausstoß von CO₂ zu reduzieren. Vom 28. Februar bis 9. März läuft die bundesweite Aktionswoche „Torffrei gärtnern!“.
Wie sind Sie darauf gekommen, sich mit Mooren zu beschäftigen?
Seit meiner Jugend engagiere ich mich für Umwelt- und Klimaschutz. Nach meinem Studium habe ich Unternehmen unter anderem dabei beraten, wie sie Nachhaltigkeit für ihre Geschäftsentwicklung nutzen können. Ich bin davon überzeugt, dass wir Menschen für Klima- und Umweltschutz gewinnen, wenn es sich wirtschaftlich rechnet. Unser Gründerteam trieb an, wie wir mit einem Geschäftsmodell Impact und Profitabilität miteinander verbinden können. Und so kamen die Moore in unser Leben.
Wie genau?
Uns war schleierhaft, weshalb trockengelegte Moorflächen in Deutschland 25 Mal so viel Treibhausgase wie der innerdeutsche Flugverkehr ausstoßen, aber kaum wiedervernässt werden. Vom Greifswald Moore Centrum haben wir die Antwort bekommen: Um die Wiedervernässung zu beschleunigen, muss sich Paludikultur als rentables Geschäftsmodell für die Landwirtschaft beweisen. Man kann das mit der Biogasanlage vergleichen. Die haben viele Landwirtinnen und Landwirte erst gebaut, als sie beim Nachbarn gesehen haben, dass das wirtschaftlich funktioniert.
Wie entstand die Idee, Torfmoos als Ersatz für torfhaltige Gartenerde anzubauen?
Wir haben die Marktpotenziale verschiedener Anbaumöglichkeiten von Paludikultur, also der Bewirtschaftung wiedervernässter Moorflächen, analysiert. Dabei stießen wir auf Torfmoos und die Erdenindustrie. Die Erdenindustrie will nachhaltiger werden und sucht Torfersatzstoffe. Politik und Handel erhöhen den Druck, den klimaschädlichen Torf in Erden zu ersetzen. Vorhandene Alternativen – wie etwa Kokosfasern, Holzfasern, Rindenhumus, Grünkompost – kommen aber nicht an die Qualität von Torf heran. Torfmoos wächst auf nassen Moorflächen, als Vorstufe von Torf hat es die ähnlichsten Eigenschaften und lässt sich hervorragend zu Substraten, also für Erden für die Pflanzenproduktion, verarbeiten. Wir glauben, dass Torfmoosanbau den Torfausstieg und Landwirtschaft auf wiedervernässten Moorflächen ermöglicht.


Wie sind Sie dann vorgegangen?
Wir hatten das große Glück, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Torfmoosanbau bereits über ein Jahrzehnt auf einer Forschungsfläche erprobt hatten. Wir konnten unseren Business Case dank ihrer Erkenntnisse und zusammen mit Unternehmen der Erdenindustrie, Maschinenentwickler und Planungsbüros entwickeln. Dadurch können wir aktuell unseren Pilotbetrieb umsetzen.
Wie sieht der aus?
Unsere Pilotfläche im Teufelsmoor ist 13 Hektar groß. Dabei soll es natürlich nicht bleiben. Bis 2027 wollen wir 200 Hektar bewirtschaften und kontinuierlich wachsen. Perspektivisch wollen wir andere Betriebe beim Umstieg unterstützen. Dafür gehen wir jetzt aber erst in Vorleistung und lernen.
Wieso haben Sie sich für das Teufelsmoor als Standort entschieden?
Unser Torfmoos wächst auf Hochmoorflächen. Dreiviertel aller deutschen Hochmoore befinden sich in Niedersachsen. Dort haben wir anfangs eine Reihe von Landkreisen abgeklappert. Durch ein Flächenangebot sind wir im Teufelsmoor im Landkreis Rotenburg (Wümme) gelandet. Darüber sind wir sehr froh, da wir hier große Unterstützung vom Landrat, dem Bürgermeister, den Behörden und weiteren Akteuren erfahren. Im April 2024 haben wir unsere Geschäftsstelle in der Moormetropole Gnarrenburg in der Nähe unserer Pilotfläche eröffnet. Andere bauen ihr Start-up im Co-Working-Space auf, wir können Rehe und Kraniche vor der Bürotür bewundern.
Wie war die Resonanz in der Bevölkerung?
Gut. Als wir gestartet sind, hat der Bürgermeister einen Runden Tisch mit über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer veranstaltet, bei dem wir unser Projekt vorstellen durften. Auch in verschiedenen Gremien der Gemeinde konnten wir unser Vorhaben erläutern. Viele sind neugierig. Sicherlich haben sich auch einige gefragt, was für verrückte Pläne wir vorhaben. Wir versuchen, viel zu erklären und Interessierten den Fortschritt zu zeigen. Da ein Großteil unseres Teams ursprünglich vom Dorf kommt, wissen wir, wie wichtig auch ein Schnack mit der Nachbarschaft ist.
Oft ist es ja schwer, wilde Arten zu kultivieren – Ist der Anbau anspruchsvoll?
Torfmoos an sich ist keine komplizierte Pflanze. Der nasse Anbau unterscheidet sich aber grundsätzlich von konventioneller, trockener Landwirtschaft. Wir müssen die Fläche so einrichten, dass dort Wasser dauerhaft stehen kann. Für die Pflege und Ernte brauchen wir neue Maschinen, die nicht im Moor versinken. Die Pionierarbeit ist anspruchsvoll und wir müssen Dinge probieren, die noch niemand so gemacht hat. Das macht aber auch den Reiz aus.
Moose vermehren sich über Sporen, wie kommen Sie da an ausreichend Saatgut?
Da de facto kein Torfmoosanbau stattfindet, ist Saatgut knapp. Das lassen wir aktuell über einen Partner im Gewächshaus anbauen. Zwar wird daran geforscht, Torfmoos in Bioreaktoren ähnlich wie Algen herzustellen. Allerdings lassen sich darüber noch keine größeren Mengen produzieren.
Wie wird aus geernteten Moosen dann Gartenerde?
Das geerntete Torfmoos wird zunächst bedampft, damit aus der Erde später nicht plötzlich unerwünschte Pflanzen heraussprießen. Die Erdenproduktion ist dann eine Wissenschaft für sich. Jede Pflanze und jeder Kunde braucht eine spezielle Mischung Substrat. Unser Torfmoos wird Teil solch einer Mischung sein.
Wie lange dauert es von der Wiedervernässung bis zur ersten Erdenlieferung?
Sobald wir die Fläche wiedervernässt und Torfmoos ausgesät haben, wächst etwa drei Jahre ein Torfmoosteppich an. Dieser lässt sich dann regelmäßig ernten und die Biomasse in Erdenwerken weiterverarbeiten. Wir sind guter Dinge, dass in wenigen Jahren unser Torfmoos made in Niedersachsen für Gemüseanbau im Gewächshaus oder für das Blumenbeet zu Hause im Einsatz ist.
Und das Ganze wird sich rechnen?
Das wollen wir beweisen. Wir haben unsere kalkulatorischen Hausaufgaben gemacht und gehen jetzt in den Praxistest. Natürlich stehen wir ständig vor neuen Herausforderungen. Aber wir sind zuversichtlich, dass die Erdenindustrie auf Torfmoos als beste Torfalternative umsteigt und sich das nicht nur für das Klima, sondern auch für uns als Torfmoos-Landwirtinnen und -Landwirte rechnet.
Welche Flächen sind für einen substantiellen Beitrag des Torfmoos-Anbaus zum Klimaschutz nötig?
Deutschland müsste jährlich mehr als 50.000 Hektar trockengelegte Moorflächen wiedervernässen, um die Pariser Klimaziele einzuhalten. Das ist eine Fläche etwa halb so groß wie Berlin. Da so gut wie keine Wiedervernässung stattfindet, werden diese Ziele deutlich verfehlt. Allein für den Bedarf an Torfersatzstoffen in Deutschland werden mehrere Zehntausend Hektar Torfmoosanbau notwendig sein. Mit unserer Pilotfläche sparen wir jährlich rund 550 Tonnen CO₂-Äquivalente ein. Dafür müsste man jedes Jahr etwa 44.000 Bäume pflanzen, die darauf keinen Platz hätten. Damit die Paludikultur ausreichend schnell wächst und mehr Betriebe auf den Anbau von Torfmoos, aber auch Rohrkolben, Schilf oder Nasswiese umsteigen können, sollten Genehmigungsverfahren beschleunigt und Kosten für den Umstieg gesenkt werden. Je mehr Betriebe erfolgreich umstellen, desto größer der Beitrag für den Klimaschutz.