Klimakrise und Naturzerstörung: Wie sicher ist Deutschlands Trinkwasserversorgung?

Dürre, Extremwetter, trockengelegte Feuchtgebiete – der Griff zum Wasserhahn könnte auch bei uns in Zukunft nicht mehr selbstverständlich sein

vom Recherche-Kollektiv Countdown Natur:
15 Minuten
Niederschlag fällt aus einer dunklen Wolke auf flaches Land.

Es ist ein Luxus, der für uns Normalität geworden ist: Trinkwasser in bester Qualität kommt aus der Leitung. Es kostet nicht viel – und steht jederzeit zur Verfügung. Doch können wir uns darauf auch in Zukunft verlassen? Die Klimakrise macht sich auch beim Wasser bemerkbar.

In den öffentlichen Debatten über die Auswirkung der Klimakrise für Deutschland liegt der Fokus meist darauf, dass es in Zukunft zu wenig Wasser geben wird. Doch im Juli 2021 zeigte sich das andere Extrem: viel zu viel Wasser, in Form von flächendeckendem Starkregen, stürzte die Menschen an Ahr und Erft, Rur, Inde, Wupper und Ruhr, im Osterzgebirge und im Berchtesgadener Land in schreckliche Flutkatastrophen. Allein an der Ahr kostete die Katastrophe mehr als 145 Menschen das Leben.

Stressfaktor 1: Zu viel Wasser

Normale Hochwassersituationen an großen Flüssen mit breiten Talauen wie dem Rhein oder der Elbe sind für die Wasserversorgung meist kein gravierendes Problem, weil das Wasser langsam steigt und man genug Zeit hat, sich vorzubereiten. „Aber das ist mit der Flut im Ahrtal nicht zu vergleichen. Da hatte man, wenn man Glück hatte, eine halbe Stunde Vorwarnzeit, teilweise ging das sogar im Minutentakt“, sagt Berthold Niehues vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW).

Die Organisation erarbeitet unter anderem technische Regeln für die Wasserversorgung. „Im Ahrtal ist in vielen Gemeinden die Infrastruktur für die Wasserversorgung im größeren Ausmaß zerstört. Da versucht man jetzt, mit einer Behelfslösung zumindest einen Großteil der Bevölkerung wieder an die öffentliche Wasserversorgung anzuschließen.“ Bei den Provisorien werde es noch lange bleiben, weil man unter anderem noch nicht wisse, wo neue Häuser und Straßen zerstörte ersetzen werden.

Haus, dessen Vorderfront vom Hochwassers zerstört wurde, im Vordergrund eine kraterförmige Pfutze, gefüllt mit Wasser
Die extreme Hochwasserflut im Juli hat an der Ahr viele Menschen das Leben gekostet, vielen Hab und Gut genommen, sowie Häuser und Infrastruktur zerstört, zu der auch Wasserleitungen gehören.
Viele Häuser des Ortes Dernau stehen nach Überflutungen an der Ahr  im Wasser.
Allein im Ahrtal haben die Starkregenfälle und Überschwemmungen im Juli 2021 Verwüstungen auf 40 Kilometer entlang des Flusses hinterlassen.
Ein weißer Tankanhänger  steht auf dem Hof der Freiwilligen Feuerwehr Lauenau.
Wegen der Corona-Pandemie im Sommer 2020 verzichteten viele Einwohnerïnnen von Lauenau auf Reisen. Zuhause verbrauchten sie so viel Wasser, dass die Leitungen nicht mehr genug lieferten. Das technische Hilfswerk lieferte Wasser in Tankwagen.

Im heißen Juni 2020 ging im Odenwald-Dorf Frankenhausen eine besondere Ampel in Betrieb: eine Internet-Trinkwasserampel. Und sofort zeigte sie die Farbe „gelb“ an. Gelb heißt: Der Verbrauch ist größer als die Wassergewinnung. Und das bedeutet für die Einwohnerïnnen unter anderem: Wasser sparen, Garten höchstens zweimal pro Woche bewässern, Schwimmbecken und Zisternen nicht nachfüllen und das Auto bleibt ungewaschen.

Ein Jahr zuvor wäre dieselbe Trinkwasserampel sogar auf „rot“ gesprungen – so schlecht stand es im Sommer 2019 an zwei Tagen um die Wasserreserven in Frankenhausen, einem Ortsteil der Gemeinde Mühltal in der Nähe von Darmstadt. Bei „rot“ gilt: Wasser drastisch sparen, Rasen und Gärten dürfen gar nicht mehr bewässert werden, lediglich für Neuanpflanzungen gilt eine Ausnahme.

Wer große Trinkwasserentnahmen beobachtet, soll dem Wasserwerk Bescheid geben. Die strengen Maßnahmen sind nötig, weil das 700-Einwohner-Dorf nicht in ein übergeordnetes Leitungsnetz eingebunden ist. Es hat seine eigenen Grundwasserbrunnen und Quellen. Deren Wasser pumpen Wasserwerker in einen hoch gelegenen Speicherbehälter. Von dort führen die Leitungen in die Häuser. Doch im langen heißen Sommer 2019 gab es Tage, an denen der Vorrat im Speicher sank und sank. Erstmals pendelte ständig ein Tankwagen zwischen Frankenhausen und einer Zapfstelle in einem anderen Ortsteil hin und her: Er lieferte den dringend nötigen Nachschub für den Wasserspeicher des Dorfes. Mit drastischem Sparen vermieden die Frankenhausenerïnnen den Notstand beim Trinkwasser.

Und Frankenhausen ist nicht der einzige Ort, der mit Wasserknappheit zu kämpfen hatte. Wie das Dorf im Odenwald machte in den langen Trockenzeiten der Jahre 2018 bis 2020 zum Beispiel Rheinböllen im Hunsrück Schlagzeilen mit knappem Wasser. Oder der 4000 Einwohner-Ort Lauenau in Niedersachsen, wo es am Feuerwehrhaus Brauchwasser abzuholen gab – etwa für die Toilettenspülung. Wasser zum Trinken kauften die Lauenauerïnnen im Supermarkt.

Bereits vereinzelte Engpässe

Engpässe bei der Trinkwasserversorgung, von denen Bürgerïnnen etwas mitbekamen, wie in Lauenau, Rheinböllen oder Frankenhausen, sind bislang Einzelfälle.

„Prinzipiell ist Deutschland eigentlich ein wasserreiches Land. Wir haben über ganz Deutschland gesehen genug Wasser“, sagt der Gewässerökologe Markus Weitere von Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Magdeburg .

188 Milliarden Kubikmeter umfassen laut Umweltbundesamt (UBA) die erneuerbaren Süßwasserressourcen in Deutschland.

Würden 20 Prozent davon genutzt, wäre das für Hydrologïnnen und Wasserwirtschaftlerïnnen das Alarmsignal für Wasserstress. Doch Deutschland liegt mit 13 Prozent deutlich unter dieser Marke.

Das mag zum sorglosen Umgang verleiten.

Doch auf anderen Gebieten hat sich schon drastisch bemerkbar gemacht, dass wegen der Klimakrise beim Wasser nicht mehr alles beim alten ist. Bäume leiden an Wassermangel. Einzelne Exemplare und ganze Waldflächen mit Dürreschäden kann in vielen Wäldern niemand mehr übersehen. Berichte über Bauern, die im Sommer schon ihre Heuvorräte für den Winter angreifen mussten, weil auf den Weiden das Gras für ihre Tiere verdorrt war, über Flussschiffe, die nicht mehr genug Wasser unter dem Kiel hatten und Kraftwerke, denen Kühlwasser fehlte, füllten in den trockenen Sommern 2018 bis 2020 viele Nachrichtenspalten und Sendungen.

Die Versorgung mit Trinkwasser sei nach den Trockenjahren 2018 bis 2020 auf kurze und mittlere Sicht noch sicher, schreibt der Hydrobiologe Dietrich Borchardt, der am UFZ den Themenbereich Wasserressourcen und Umwelt leitet, in einem Kommentar zur Nationalen Wasserstrategie.

In einer Halle der Bodenseewasserversorgung strömt Wasser an die Oberfläche eines runden Beckens.
Im Quelltopf Sipplinger Berg quillt Wasser empor, das Pumpen tief aus dem Bodensee fördern. Es wird zu Trinkwasser für vier Millionen Menschen in Baden-Württemberg aufbereitet.
Eine Boje liegt in einem Staubecken bei Niedrigwasser auf dem Trockenen. Im Hintergrund Stauanlagen der Möhnetalsperre.
Im Staubecken der Möhnetalsperre in Nordrhein-Westfalen war im September 2020 deutlich zu erkennen, wie sich die Trockenheit auf den Wasserstand dieses wichtigen Speichers für die Wasserversorgung an der Ruhr auswirkte.
Deutschland-Karten für jedes Jahr von 1952 bis 2020, wie trocken es in welchen Regionen es während der Wachstumsperiode der Pflanzen war. Für 2018 bis 2020 zeigt die Farbe braun besonders schwere, großflächige und  und lange Dürreperioden an.
Forscherïnnen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung haben bis 1952 zurückverfolgt, wann und wo Böden bis in eine Tiefe von 1,80 Meter besonders trocken waren. Sie haben jeweils die Monate von April bis Oktober betrachtet. Die Farben werden von gelb – für ungewöhnlich trocken – bis braun – für außergewöhnliche Dürre – mit zunehmender Dauer und Ausprägung der Dürre dunkler.
abgeschwemmter Boden vor einem Hang mit Maisfeld
Starkregen schwemmt bei Trockenheit eher Boden fort als dass er ihn dauerhaft befeuchtet.
Ein Mann läuft bei anhaltendem Regen im Wald mit einem Regenschirm.
Regen, der im Wald fällt, wird teilweise im Boden gespeichert und trägt unter Umständen zur Grundwasserneubildung bei.
Eine Beregnungsanlage schießt im hohen Bogen einen Wasserstrahl auf einen Acker. Dabei entsteht ein Regenbogen.
Ist der Boden zu trocken, können Landwirte ihren Feldfrüchten das nötige Wasser oft nur per Beregnung bieten, wie hier auf einem niedersächsischen Acker im trockenen April 2020.
Tümpel in einem Feuchtbiotop sind umgeben von Gras- und Schilf.
Aus einem Regenrückhaltebecken im Donaumoos hat sich ein Feuchtbiotop entwickelt.
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