Sea, Sex & Sun: Urlaub am Meer, Fragen offen? Hier antworten echte Profis
Teil I: Was hilft gegen Quallengifte, Blasenentzündung nach dem Baden, und wie war das noch bei Gewitter und starke Strömung? In Teil II geht's dann um bissige Fische, meeresfreundliche Sonnencreme und Algen zur Wundheilung
Was wirkt am besten gegen Quallengift?
Andreas Montag, Hautarzt in Hamburg und Autor des Fachbuchs „Gifttiere und Haut“ (erscheint 2023 im Springer-Wissenschaftsverlag)
Das hängt ganz davon ab, um welche Quallenart es sich handelt! Quallen, die unsere Haut oder Schleimhaut angreifen können, gehören zu den Nesseltieren. Fast jedes Kind, das schon einmal Ferien am Meer gemacht hat, kennt das brennende Gefühl, wenn man einer solchen Qualle zu nahe gekommen ist. Wer Pech hat, trägt Narben davon, die jahrelang zu sehen sind.
Nichtsdestotrotz finde ich den Mechanismus, mit dem Nesseltiere die Haut „vernesseln“, wie es medizinisch korrekt heißt, faszinierend: Berühren wir aus Versehen eine Tentakel, explodieren die dort aufgereihten Nesselzellen wie Mini-Handgranaten. Aus ihren Nesselkapseln schießen sie eine Art Pfeile heraus, die sich in der Haut verhaken – und sofort Gifte freisetzen. Das Ganze passiert mit einem Druck von 150 Bar und dauert nur drei Millisekunden!
Das Gift brennt mehr oder weniger stark, je nachdem um welches der zwei wichtigsten Nesseltier-Toxine es sich handelt: Zytolysine bringen unsere Hautzellen zum Platzen, Neurotoxine schädigen unsere Nerven. Jede Spezies hat unterschiedliche Komponenten, dummerweise weiß man meist nicht, mit welcher man Kontakt hatte. Denn das Meer ist voll mit abgerissenen Tentakeln – die sieht man nicht, man spürt sie nur.
Was tun?
Für alle Arten gilt: Auf keinen Fall die vernesselte Stelle mit Süßwasser abspülen! Durch das osmotische Gefälle zwischen Salzwasser und Süßwasser explodieren die Nesselzellen da erst recht! Ich empfehle, im Wasser zu bleiben und die anheftenden Tentakel so schnell wie möglich glatt zu entfernen, z.B. mit einer Kreditkarte oder einem Messer im steilen Winkel abschaben. So vermeidet man, dass noch mehr Nesselzellen explodieren.
Bei Kindern, die womöglich schreiend aus dem Wasser gerannt kommen, würde ich feuchten Sand auflegen, antrocknen lassen und dann wie oben abschaben.
Rasierschaum wirkt als Hilfsmittel, weil er die Nesselzellen umschließt. Entscheidend ist, ihn mit dem Nassrasierer wegzurasieren, um die Tentakelreste loszuwerden.
Alle sonstigen vermeintlichen Gegenmittel gelten nur für einzelne Nesselquallenspezies – das ist wissenschaftlich gut untersucht. Wer zum falschen greift, macht die Schmerzen nur schlimmer, weil die noch nicht explodierten Nesselzellen bei Kontakt sofort ihre Giftpfeile abschießen.
Gegen das Gift der gelb-orange gefärbten Feuerqualle aus Nordsee oder Ostsee (Cyanea capillata, sie hat keine Nesseln an der Schirmoberfläche) hilft Natriumbicarbonat, etwa als handelsübliches Backpulver; so ein Tütchen kann man einfach mit an den Strand nehmen. Bei Bedarf machen Sie einen Brei aus Backpulver und Meerwasser (Mischung 50/50) und reiben die Haut ein, zehn Minuten einwirken lassen, dann abschaben.
Bloß keinen Essig – auch nicht bei der Feuerqualle aus dem Mittelmeer (Pelagia noctiluca, auch genannt Leuchtqualle, ihr Schirm hat giftige Nesseln!). Gegen ihr Toxin hilft medizinischer Alkohol (Ethanol 70 %) oder Brennspiritus oder Ammoniak 20 %: auftragen und einwirken lassen, dann abschaben.
Gegen Würfelquallen aus dem Pazifik wiederum können Sie getrost Haushaltsweinessig verwenden – gegen ihr Gift hilft er tatsächlich, aber auch nur da.
Bleibt die Stelle schmerzhaft, empfehle ich, sie immer mal wieder 20 Minuten in ein Meerwasserbad zu halten – je nachdem, was gut tut, kalt oder warm (maximal 45 Grad). Wenn die Wunde trotz herkömmlicher Wund- und Heilsalben oder Aloe Vera nicht verheilt, brauchen Sie eine ärztliche Verschreibung für eine kortisonhaltige Salbe.
Warum bekommen Frauen nach dem Baden im Meer häufig Blasenentzündung?
Stephan Roth, Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie am Helios Universitätsklinikum Wuppertal/Witten Herdecke sowie Autor von „Blase gut, alles gut“ sowie des Blogs blasendoktor.de
Ob das wirklich häufig passiert, dazu gibt es leider keine sauberen Daten. Aber der Mechanismus wird durchaus medizinisch diskutiert – bei warmem wie kaltem Wasser.
Bei warmem Wasser, wie etwa in einem Thermalbad oder auch in tropischen Meeren, kann es sein, dass der Blasenschließmuskel so entspannt, dass das „Badewasser“ über die Harnröhre in die Blase strömt. Befinden sich Bakterien darin, können diese womöglich eine Entzündung der Blase auslösen. Wer schon mal eine hatte – die Zystitis ist eine der häufigsten Erkrankungen überhaupt – weiß genau: Sie kann extrem schmerzhaft sein!
Bei kühlem oder gar kaltem Wasser ist dieser Mechanismus mangels Entspannung weniger wahrscheinlich. Es gibt aber ein Phänomen namens „Kaltfuß-Zystitis“. Jede/r kennt vermutlich den Rat, sich nach dem Schwimmen lieber aufzuwärmen, die nassen Badesachen aus- und trockene Unterwäsche anzuziehen oder auch das Sitzen auf kalten Unterlagen oder generell kalte Füße zu vermeiden. Und Betroffene schildern eindrücklich den Zusammenhang einer schmerzenden Blase mit solch einer Verkühlung. Ursache davon könnte jedenfalls sein, dass das vegetative oder autonome Nervensystem reflexhaft auf die Unterkühlung reagiert.
In dem Fall verengen die Blutgefäße, damit dem Körper nicht noch mehr Wärme verloren geht. Das könnte dazu führen, dass die Schleimhäute nicht mehr so gut durchblutet sind und daher anfälliger werden gegenüber Irritationen oder möglicherweise auch Entzündungen.
Die einzige medizinische Studie zu dem Problem erfolgte vor mehr als 25 Jahren in Skandinavien. 29 Frauen mit immer wiederkehrenden Blasenentzündungen wurden einer gezielten Unterkühlung der Füße ausgesetzt. Nach durchschnittlich 55 Stunden kam es dann bei sechs der 29 Frauen tatsächlich zu entzündungsähnlichen Symptomen. Blieben die Füße warm, blieben auch alle gesund. Wissenschaftlich betrachtet steht diese Studie auf eher wackeligen Füßen. Es gibt aber Phänomene, die lassen sich schlichtweg nicht durch Studien mit einer vergleichenden und verblindeten Gruppentestung durchführen.
Interessant und bei älteren Frauen bewiesen ist ein anderes Phänomen: Durch einen lokalen Östrogenmangel im Scheidenbereich schrumpft zum einen das Schleimhautpolster der Harnröhre. Dann können Bakterien aus dem Bereich des Scheidenvorhofs oder dem Wasser einfacher aufsteigen und eine Entzündung auslösen. Zum anderen fehlen Zucker, mit denen sich körpereigene Bakterien ernähren, die die fremden Bakterien bekämpfen. Helfen kann die Behandlung mit einer östrogenhaltigen Salbe, fragen Sie dafür um Rat bei Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin.
Mein Tipp: Entleeren Sie nach dem Baden die Blase und trinken Sie etwas. Es gibt inzwischen sehr gute Daten, dass der Effekt der Spülung wirklich hilft, das Risiko einer Blaseninfektion zu senken.
Steigt das Risiko nach Sex im Wasser?
Ob das Risiko bei Sex im Wasser erhöht ist, kann ich nur mutmaßen – gegebenenfalls kommt es zu einem leichteren Eintritt von Bakterien in die Vagina. Aber es sind dann wie beim „normalen“ Verkehr in der Regel nicht externe Bakterien oder die des Mannes, die Entzündungen auslösen, sondern die Bakterien der Frau, die aus dem Scheidenvorhof (Vestibulum) einmassiert werden.
Grundsätzlich spült Wasser, ob mit Salz oder ohne, das „natürliche Schmiermittel“ der Vagina ab. Die Penetration wird unter Umständen schmerzhaft, und die „Trockenheit“ macht die Vagina wie den Penis verletzlicher – Effekt siehe oben. Salzwasser kann außerdem ein Kondom porös machen.
Egal ob Sex im Nassen oder im Trockenen, auch hier gilt für Frauen der Tipp: Um einen Infektion zu vermeiden, entleeren Sie danach die Blase und trinken Sie etwas.
(Kleiner Zusatztipp aus dem Riff: Sex im Meer = Sex in der Öffentlichkeit. Das ist fast überall verboten und kann, lässt man sich dabei erwischen, ziemlich Ärger bringen. In Deutschland droht Bußgeld, theoretisch auch eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. In Skandinavien sieht man die Sache lockerer, in einigen südlichen Ländern landet man direkt im Gefängnis und kassiert womöglich sogar eine Prügelstrafe.)
Wie reagiert man am besten, wenn man in starker Strömung abdriftet?
Silke Marks, Rettungsschwimmerin des DLRG in Grömitz
Ganz klar: Nicht dagegen anschwimmen! Das kostet zu viel Kraft. Man sollte stattdessen versuchen, innerlich ruhig zu bleiben und auf sich aufmerksam zu machen, etwa durch Winken oder lautes Rufen. Dann quer zur Strömung aus dem Hauptstrom schwimmen, am besten Richtung Küste.
In diesem Sommer haben wir rund 5.000 ehrenamtlichen Rettungsschwimmerinnen und Rettungsschwimmer an den Stränden zwischen Borkum und Usedom rund 70 Menschenleben gerettet. Viele der in Not Geratenen hatten mit den Strömungen zu kämpfen. Gerade an Tagen mit kräftigem ablandigen Wind können starke Unterströmungen entstehen, die von den Badegästen völlig unterschätzt oder zu spät wahrgenommen werden.
Leider wird da auch oft die rote Flagge missachtet, und so bringen sich immer wieder Personen leichtsinnig in Lebensgefahr. Das ist auch für uns gefährlich, weil wir natürlich trotzdem zu Hilfe kommen.
Damit es erst gar nicht zu so einer Situation kommt, ist es wirklich wichtig, auf die Flaggen der Rettungsschwimmer zu achten. Bei Rot geht's nicht ins Wasser – das hat immer einen Grund, wenn wir diese Flagge hissen. Gelb signalisiert ungeübten Schwimmerinnen und Schwimmern, Kindern sowieso, nahe am Strand zu bleiben. Außerdem sollten sie innerhalb der Badezone bleiben, also nicht zu weit rausschwimmen. Lieber parallel zum Ufer schwimmen, dann ist man schneller wieder zurück am Strand.
Muss man bei Gewitter sofort raus aus dem Wasser?
Ich sag mal so: Wenn das Donnergrollen in der Ferne zu hören ist, sollten Schwimmer gewarnt sein und langsam das Wasser verlassen. Gerade an der Küste ziehen die Gewitter schneller auf als auf dem Land, meist mit starken Winden. Blitzt es dann noch, kann es direkt lebensgefährlich werden. Denn Wasser leitet Elektrizität sehr gut, so dass auch ein Blitzeinschlag in einiger Entfernung tödliche Folgen haben kann. Wenn an überwachten Stränden ein Gewitter anzieht, hissen wir immer die rote Flagge.