Wer singt und fliegt denn da? 10 Tipps für den Einstieg in die Vogelbeobachtung
Der Umweltverband Nabu lädt im Mai zur „Stunde der Gartenvögel“ ein. Doch Vogelbeobachtung macht das ganze Jahr Spaß. Und wer sich etwas auskennt, kann mit seinen Beobachtungen sogar beim Naturschutz mitwirken
1. Aller Anfang ist leicht
Es gibt in Deutschland 260 Vogelarten, die regelmäßig brüten, vom winzigen Sommergoldhähnchen bis zum großen Graureiher. Durchzügler und Wintergäste kommen hinzu. Lassen Sie sich von der Vielfalt nicht abschrecken oder überwältigen und fangen Sie klein an – mit den häufigsten Vögeln im nächstgelegenen Park, Wald oder Schutzgebiet. Man muss dazu auch nicht unbedingt ein Frühaufsteher sein. Das Schöne am Vogelbeobachten ist, dass man ganz leicht überall damit beginnen kann, auch mitten in der Stadt. Wenn Sie außer Amsel und Kohlmeise noch gar keine Vogelarten kennen, haben Sie einen besonderen Startvorteil: Sie dürfen noch am meisten entdecken.
2. Ein preiswerter Spaß
Vogelbeobachtung braucht wenig Ausrüstung: Ein gutes Vogelbuch, das man auch vor dem Einschlafen nochmal durchblättern kann, ist immer ratsam. Bücher mit detaillierten Zeichnungen sind hilfreicher als solche mit Fotos. Es gibt auch hervorragende Apps (Einsteiger iOS/Android; Fortgeschrittene iOS/Android; Stimmenprofis iOS), die man bei ausreichend geladenem Smartphone gut draußen einsetzen kann. Ein Fernglas gehört natürlich immer dazu. Es ist auch hilfreich, sich Beobachtungen mit Ort, Uhrzeit und Wetter gleich zu notieren. Passende Kleidung, Mücken- und Zeckenschutz, etwas Wasser und ein Snack – und los geht's!
3. Immer mit der Ruhe
Vogelbeobachtung ist kein Leistungssport. Es geht nicht unbedingt darum, möglichst viele oder möglichst seltene Arten zu sehen, sondern Anblick und Gesang der Tiere zu genießen. Konzentrieren Sie sich bei Ihren ersten Exkursionen auf einige wenige Vögel, die Sie genauer anschauen. Jetzt gilt es, genau hinzusehen und die eigene Beobachtungsgabe zu schulen. Jedes Detail ist wichtig. Merken oder notieren Sie sich Merkmale, die Ihnen aufgefallen sind, zum Beispiel ungefähre Größe, Körperbau, Federfarben, Flugform, Lebensraum. Dann können Sie später in Ruhe in Buch oder App suchen, welche Art Ihnen begegnet sein könnte.
4. Für Durchblick sorgen
Apropos Fernglas: Die Vielfalt an Modellen und das Preisspektrum sind riesig. Für den Einstieg empfiehlt sich ein Glas mit achtfacher statt zehnfacher Vergrößerung, da es dann leichter fällt, auf Anhieb auf die richtige Stelle zu schauen. Wer bei der Anschaffung Geld investieren will, sollte unbedingt verschiedenste Modelle in einem Fachgeschäft vergleichen.
5. Wie man lernt, auf Details zu achten
Machen Sie sich Schritt für Schritt genauer mit dem Körperbau und dem Federkleid von Vögeln vertraut. Jedes gute Bestimmungsbuch bietet einen Überblick. Von Überaugenstreif bis Bürzel – wenn man diese Begriffe kennt, kann man Merkmale der Tiere leichter erkennen und sie sich schneller merken. Man kann damit Bestimmungsbücher besser nutzen und die Arten Schritt für Schritt unterscheiden lernen. Sehr hilfreich ist es natürlich auch, wenn man mit jemandem unterwegs sein kann, der sich gut auskennt. Vielerorts werden regelmäßig Vogelexkursionen angeboten – je kleiner die Gruppen, desto besser.
6. Nicht stressen lassen
Selbst erfahrene Ornithologen erkennen nicht jede Art auf den ersten Blick. Begegnen Ihnen unbekannte Arten, genießen Sie Ihre Neuentdeckung und lassen Sie sich nicht stressen, wenn Sie nicht gleich den richtigen Namen parat haben. Gehen Sie die Erkundung der Arten langsam und geduldig an. Es ist auch ganz normal, dass Vögel von Ästen verdeckt sind oder in dem Moment auffliegen, in dem man sie im Fernglas erfasst hat. Nicht ärgern! Mit Vogelbeobachtung trainieren Sie Ihre Geduld und Ihre Achtsamkeit.
7. Wer singt denn da?
Vogelgesänge zu erkennen, fällt vielleicht musikalisch begabten Menschen leichter als anderen – es ist aber in jedem Fall ein längerer Lernprozess. Lassen Sie sich Zeit damit und stellen Sie den Genuss in den Vordergrund. Vogelgesänge sind auch dann schön, wenn man nicht weiß, von wem sie stammen. Hilfreich beim Erlernen der Rufe und Gesänge sind Erkennungsapps wie BirdNet (iOS/Android) und das hervorragend gestaltete Trainingsprogramm von bird-song.ch. Dort kann man sich mit einem kostenlosen Nutzerkonto Übungen mit unterschiedlichen Schweregraden machen, das Vogelkonzert verschiedener Lebensräume erkunden und sogar individuelle Übungen zusammenstellen, etwa für Eulen oder Greifvögel. Eine große Datenbank von Gesängen und Rufen bietet die Plattform Xeno-Canto.
8. Vogelstimmen: Merksprüche und Beruferaten
Um sich Vogelgesänge gut merken zu können, gibt es verschiedene Techniken: Manche Menschen finden Lautmalerei (dann singt die Kohlmeise Zi-zi-Bäh) oder Merksprüche (dann singt die Goldammer „Wie, wie, wie, hab ich dich lieb!“) hilfreich. Andere behelfen sich mit Bildern im Kopf – dann klingt der Gesang des Girlitz wie ein geschüttelter Schlüsselbund oder ein klirrendes Glas. Wieder andere achten vor allem auf die Rhythmen oder auf die Stimmung in den Gesängen. Ein origineller Ansatz ist es zu überlegen, welchen menschlichen Beruf ein singender Vogel haben könnte (der Schlagschwirl etwa Techno-DJ). Niemand erkennt alle Vogelstimmen auf Anhieb wieder. Haben Sie auch hier viel Geduld – Fehler gehören zum Lernprozess dazu. Manchmal sind Vögel sogar auf Täuschung aus – etwa wenn ein Star einen Rotmilan imitiert oder ein Eichelhäher einen Habicht.
9. Mit Umsicht sieht man mehr
Vögel sind bessere Menschenbeobachter als umgekehrt. Sie bemerken unsere Anwesenheit. Im Park sind die Tiere an menschliche Anwesenheit gewöhnt, anders ist das in der freien Landschaft. Da kann zu viel menschliche Nähe Vögel stressen, etwa wenn sie sich um ihren Nachwuchs sorgen oder auffliegen müssen, obwohl sie sich eigentlich ausruhen wollen. Bewegen Sie sich langsam und leise durch die Natur, vermeiden Sie ruckartige Bewegungen, etwa mit dem Fernglas. Wenn Sie im Park zu einer Freifläche oder in der Landschaft zum Beispiel an das Ende eines Waldstücks kommen, lugen Sie zuerst um die Ecke. Sonst fliegen Vögel auf, bevor Sie sie zu Gesicht bekommen. Vermeiden Sie grundsätzlich jede unnötige Störung. Bleiben Sie Nestern fern und verhalten Sie sich rundum rücksichtsvoll. Je umsichtiger man sich ist, desto größer sind auch die Chancen auf spannende Beobachtungen.
10. Durch Beobachten beim Vogelschutz mithelfen
Beobachtungen können Sie im Stillen genießen, aber auch mit der Community von Natur- und Vogelliebhabern teilen, etwa bei den regelmäßigen Vogelzählungen des Nabu oder auf Plattformen wie iNaturalist und ornitho.de. Dann tragen Sie als Citizen Scientist zum Vogelschutz bei. Und sollten Sie Vogelbeobachtung doch mal als Leistungssport betreiben wollen, können Sie das einmal im Jahr beim Birdrace machen. Auch hier dienen die Daten einem guten Zweck.
Buchtipps:
- Vero Mischitz, Birding für Ahnungslose, Kosmos-Verlag, 2019
- Christian Schwägerl (Hrsg.), Die Flugbegleiter, Kosmos-Verlag, 2020
- Rob Hume, Vögel in Europa. Über 500 Arten. Schnell und exakt Vögel bestimmen, DK Verlag, 2020
- Ralph Müller, Die geheime Sprache der Vögel, AT Verlag, 2021
- Johanna Romberg, Federnlesen: Vom Glück, Vögel zu beobachten, Bastei Lübbe, 2018
- Peter H. Barthel, Was fliegt denn da, Kosmos-Verlag, 2024
- Lars Svensson, Der Vogelführer, Kosmos-Verlag, 2023