Neues Phänomen des Klimawandels: Wasser in Seen und Flüssen wird weltweit brauner

Der Weltklimarat warnt in seinem jüngsten Sachstandbericht erstmals vor der Bräunung von Gewässern. Sie erschwert nicht nur die Trinkwasserversorgung und führt zu einem erhöhten CO2-Ausstoß, sondern trägt lokal sogar zum Artensterben bei.

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Dunkelbraune Gerbsäure bildet sich im Fluss Blackwater um einen Zypressenbaum im Hart Springs County Park in Florida.

Im Zuge der Erderwärmung werden Flüsse und Seen brauner, weil in ihnen mehr organisches Material und Mikroorganismen entstehen. Diesen Vorgang beobachteten Forscher zuerst in kaltgemäßigten Klimazonen, die von der Erderwärmung stärker betroffen sind als gemäßigte Klimazonen. Wenn Gewässer sich braun verfärben, können dort lebende Tiere sterben, außerdem wird das Trinkwasser ungenießbar.

Das Phänomen der Bräunung von Gewässern ist inzwischen so weit verbreitet, dass es 2022 in den Sachstandsbericht der Arbeitsgruppe II des Weltklimarats aufgenommen wurde. Es kann dem Klimawandel als Ursache eindeutig zugeordnet werden. Im Bericht wird eine Studie von Gesa Weyhenmeyer von 2016 prominent erwähnt.

Viele Gewässer in Deutschland sind von klimabedingter Bräunung betroffen

Die deutsch-schwedische Erdsystem-Wissenschaftlerin gehört zu den ersten Forschenden, die dieses Phänomen mit den Klimaveränderungen in Verbindung gebracht haben. Sie weiß: „Gebiete, in denen es wärmer, aber dabei nicht trockener wird, zählen zu den Risikogebieten.“ Viele Gebiete in Schweden, aber auch Gebiete in Deutschland sind betroffen.

Sechs Wasserproben zeigen klares bis nahezu schwarzes Wasser aus Oberflächengewässern in Südschweden.
Diese Wasserproben wurden in Südschweden aus natürlichen Gewässern in einem Umkreis von 35 Kilometern entnommen. Oberflächenwasser kann aufgrund unterschiedlicher Konzentration und Zusammensetzung organischer Materialien und interagierendem Eisen unterschiedliche Braunfärbungen annehmen. (Bild: Stefan Löfgren/Schweden)

Schreitet der Klimawandel voran, ist mit einer weiteren Bräunung zu rechnen, warnt Weyhenmeyer: „Ob und wie stark sich ein Gewässer verfärbt, ist von der Landnutzung, Lufttemperatur und dem Niederschlag abhängig.“

Oberflächengewässer werden tendenziell brauner, wenn Starkregen gehäuft auftritt

Nadelwälder und vor allem Moore begünstigen den Prozess, erklärt Mark Gessner vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der TU Berlin. Da sich dort organische Substanzen im Vergleich zu Laubstreu langsamer abbauen, akkumulieren sie sich stärker. Besonders bei Starkregen, der im Zuge des Klimawandels häufiger stattfindet, waschen sie stärker aus den Böden aus und gelangen so in die Oberflächengewässer. Gessner: „Wir können davon ausgehen, dass Oberflächengewässer tendenziell brauner werden, wenn Starkregenereignisse häufiger auftreten.“

„Wir können davon ausgehen, dass Oberflächengewässer tendenziell brauner werden, wenn Starkregenereignisse häufiger auftreten.“

Mark Gessner, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)

Braunes Wasser in Baummoor mit Sumpfzypressen (Taxodium distichum).
Braunes Wasser in Baummoor mit Sumpfzypressen (Taxodium distichum).

Das Institut für Geoökologie in Braunschweig hat sich die Gewässer im Harz bereits genauer angesehen. Mit Blick auf die erhobenen Daten stellt auch Harald Biester, der dort das Institut für Umweltgeochemie leitet, fest: „Flüsse vor allem in den Waldgebieten der Mittelgebirge werden zunehmend verbräunen.“ Grund seien auch hier in erster Linie die häufigeren Starkregenereignisse.

Braunes Wasser aus dem Wasserhahn: Wasserwirtschaft kann nicht einfach Chlor einsetzen

In Deutschland muss sich die Wasserwirtschaft auf die zunehmende Bräunung von Oberflächengewässern einstellen, obwohl man diese vor allem aus Skandinavien und Kanada kennt. „Braunes Wasser aus dem Wasserhahn wird nicht sehr geschätzt – obwohl die Farbe an sich zunächst kein gesundheitliches Problem darstellt“, sagt Gessner.

Das Wasser des Rheins ist nach dem Starkregen in der Eifel im Juli 2021 braun.
Nach dem Starkregen im Juli 2021 schwemmten Flüsse wie Ahr Erdreich in den Rhein. Hier die Schiffsanlegestelle in Bonn-Bad Godesberg am 16. Juli 2021.

„Es ist ein Abwägen, ab welchen Konzentrationen man eine teure Extrabehandlung macht“, weiß Weyhenmeyer aus Schweden. Wenn aber das Wasser mit den braunen Inhaltsstoffen mit Chlor behandelt wird, können chlororganische Verbindungen entstehen. Gessner: „Die schmecken fürchterlich und haben sicher auch ein gesundheitsgefährdendes Potenzial.“

Verfärbtes Wasser kann zum Aussterben von Tierarten beitragen

Skandinavische Wissenschaftler stellten in den letzten Jahren zudem fest, dass die durch den Klimawandel verursachte Bräunung auch weitreichende Folgen auf das Ökosystem von Flüssen, Seen und Auen hat: Das Wasser wird durch die Verfärbung immer wärmer, weil es die Sonnenstrahlen absorbiert, anstatt sie zu reflektieren. Für die Tierwelt hat das Folgen. Habitate verändern sich. Lokal kann das zum Aussterben von Tierarten beitragen.

Stark betroffen sind alle Organismen, die Licht brauchen, erklärt Gesa Weyhenmeyer. Das Licht in braunem Wasser ist nämlich deutlich schwächer. Wenn sich damit die Wasserschichtung verstärkt, kann das zu Sauerstoffmangel in den Gewässern führen. Hauptsächlich die am Boden lebenden Lebewesen leiden dann unter Sauerstoffmangel.

Dramatischer Schwund von Sauerstoff im Tiefenwasser

Eine Forschergruppe des Leibniz-Instituts konnte am Kleinen Gollinsee nördlich von Berlin beobachten, dass der gelöste organische Kohlenstoff binnen weniger Monate von 10 mg/l auf 50 mg/l zunahm und das Seewasser braun färbte. Das hatte weitreichende Folgen, darunter auch einen dramatischen Schwund des Sauerstoffs im Tiefenwasser. „Dadurch sind damals alle Wasserpflanzen und bodenlebende Wassertiere in dem See abgestorben“, berichtet Gessner.

Ein Seelabor mit Versuchszylindern, vorne rechts mit klarem Wasser, hinten links einer mit braun gefärbtem Wasser.
Ein Blick ins Seelabor des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB): vorne rechts ein Versuchszylinder mit klarem Wasser, hinten links einer mit braun gefärbtem Wasser.

Ein Grund für den extrem schnellen und starken Anstieg lag vermutlich darin, so Gessner, dass in den trockeneren Jahren der Grundwasserspiegel sank und dadurch vermehrt organische Substanz umgewandelt wurde. Mit dem später wieder steigenden Wasserstand wurde der dadurch gebildete gelöste organische Kohlenstoff mobilisiert und aus den Böden im Einzugsgebiet ausgewaschen. Begünstigt hat die Braunfärbung des Sees dabei, dass sich die hohen Einträge auf ein relativ kleines Wasservolumen verteilten. Gessner: „Momentan erholt sich der See wieder.“

Braunes Wasser erhöht die Freisetzung von CO2 aus dem Gewässer

Mit der Bräunung des Wassers gehen noch weitere Probleme einher. So verursachen sie auch einen erhöhten Ausstoß von Kohlendioxid (CO2). Das liegt an dem organischen Material, welches die Bräunung verursacht. Millionen von Mikroorganismen in den Gewässern wandeln das organische Material effektiv zu CO2 um, das dann aus den Gewässern ausgestoßen wird. So können sich Gewässer von einer CO2-Senke zu einer CO2-Quelle wandeln. Starke Niederschläge können das Phänomen verstärken, weil dann mehr Nahrung für die Kleinstlebewesen in Form von organischem Material in die Gewässer gespült wird.

Auch Forst- und Landwirtschaft tragen zur Bräunung bei, wenn sie nicht nachhaltig betrieben werden. In Deutschland wird ein Drittel der überflutbaren Auen als Ackerflächen sowie als Siedlungs-, Verkehrs- und Gewerbeflächen genutzt, steht also als Stau- und Versickerungsraum nicht zur Verfügung. Nur 9 % der Auen sind noch ökologisch weitestgehend intakt. Eine Renaturierung der Flüsse und die Wiederanbindung an Auen könnte nicht nur die zunehmende Bräunung stoppen, sondern auch Raum für eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt schaffen. Funktionierende Auen filtern Oberflächenwasser und halten es in der Landschaft. So beugen sie Dürren vor und bieten Raum für einen vorbeugenden Schutz vor Hochwasser und Fluten, etwa nach Extremregenereignissen.

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