Irdische und kosmische Reiseziele

Vier astronomische Geschichten

von Stefan Oldenburg
15 Minuten
Weihnachtliches Bild von Felicitas Mokler

Vier Adventsrätsel der Weltraumreporter galt es in den Adventstagen des Jahres 2018 zu lösen. Wir danken allen fürs Miträtseln und Mitknobeln! Die Gewinner einer kosmisch-philatelistischen Überraschung haben wir ausgelost und persönlich benachrichtigt.

Hier nun nochmals die vier Fragen – mit den jeweiligen Auflösungen:

Adventsrätsel I vom 2. Dezember 2018

Wir suchten ein Reiseziel in unserem kosmischen Vorgarten:

o   Wir wollen zwei Ziele erreichen, die eine Gemeinsamkeit verbindet.

o   Beide Himmelskörper eignen sich gleichermaßen für einen Besuch nach den Weihnachtstagen, wenn die Personenwaage auf der Erde mehr anzeigt als gewünscht.

o   Johannes Kepler (1571–1630) war der erste, der von der Existenz beider Ziele überzeugt war, ohne sie tatsächlich entdeckt zu haben.

o   Keplers Grundannahme dabei war, dass sich die göttliche Schöpfung in harmonischen Zahlenverhältnissen im Planetensystem widerspiegelt.

o   151 Jahre vor der Entdeckung unserer beiden Reiseziele beschrieb der irische Schriftsteller Jonathan Swift (1667–1745) in seinem bei Kindern auch heute noch beliebten Werk Größe und Bahnen beider Reiseziele überraschend präzise. Swifts Beschreibung basierte auf Keplers Grundannahme der kosmischen Zahlenharmonie.

 Wie heißen die beiden Reiseziele?

 Die Lösung: Die beiden Marsmonde Phobos und Deimos

 Phobos und Deimos („Angst“ und „Schrecken“) sind die beiden natürlichen Satelliten des Mars. Der größere Phobos umkreist Mars auf einer engen Bahn sehr schnell. Für einen Marsumlauf benötigt er nur etwas mehr als siebeneinhalb Stunden. Der Bahndurchmesser des kleineren Deimos ist zweieinhalb Mal so groß wie der des Phobos, und für einen Umlauf benötigt er knapp vier Mal so lang. Beide Monde sind unregelmäßig geformt und messen etwa 27 × 22 × 19 (Phobos), beziehungsweise 15 × 12 × 10 Kilometer (Deimos).

 Die Anziehungskraft beider Marsmonde ist entsprechend gering, weshalb sie sich für einen Besuch nach den Weihnachtstagen eignen würden. Ein Mensch, der auf der Erde (Schwerkraft: 9,807 m/s2) 70 Kilo auf die Waage bringt, würde auf Phobos (Schwerkraft: 0,0057 m/s2) nur 40 Gramm und auf Deimos (Schwerkraft: 0,003 m/s2) gar nur 20 Gramm wiegen. Wem das denn doch zu wenig ist: Auch der Mars (Schwerkraft: 3,711 m/s2) selbst böte sich als Aufenthaltsort für all jene an, die Weihnachten zu sehr geschlemmt haben. Ein 70-Kilo-Mensch wöge auf dem roten Planeten nur 26 Kilo.

Die beiden Marsmonde Phobos & Deimos sind kleine eingefangene Begleiter des roten Planeten, die auf engen Bahnen um ihn kreisen und in nicht allzu ferner Zukunft auf ihm einschlagen werden.
Die beiden Marsmonde Phobos & Deimos.

Entdeckt wurden beide Marsmonde zwar erst 1877. Aber bereits Johannes Kepler (1571–1630), der als erster die Gesetzmäßigkeiten beschrieb, mit denen sich Planeten um die Sonne bewegen, postulierte die Existenz zweier Marsmonde. Kepler ging davon aus, der Kosmos sei harmonisch aufgebaut und die Körper und ihre Bahnen stünden in einem harmonischen Verhältnis zueinander. Zu Keplers Zeit war bekannt, dass Venus keinen Mond, die Erde einen und Jupiter vier Monde hat. Daraus folgerte der bedeutende Astronom, der zwischen Erde und Jupiter liegende Mars müsse zwei Monde haben. Und Saturn sechs oder acht, je nachdem, ob die Reihe arithmetisch (1 2 4 6) oder geometrisch (1 2 4 8) verläuft.

Der irische Autor Jonathan Swift (1667–1745) schreibt im dritten Teil seines 1726 erschienenen, satirischen Romans Gulliver’s Travels, in dem Lemuel Gulliver unter anderem das fliegende Land Laputa bereist: „… They [Anm.: the astronomers of Laputa] have likewise discovered two lesser stars, or satellites, which revolve about Mars; whereof the innermost is distant from the centre of the primary planet exactly three of his diameters, and the outermost, five; the former revolves in the space of ten hours, and the latter in twenty-one and a half; so that the squares of their periodical times are very near in the same proportion with the cubes of their distance from the centre of Mars; which evidently shows them to be governed by the same law of gravitation that influences the other heavenly bodies. …“ (zitiert nach der Ausgabe: Jonathan Swift: Gulliver's Travels, Penguin, 2011, S. 213).

Die Astronomen von Laputa kennen zwei Marsmonde, deren Bahndurchmesser im Verhältnis 3:5 zueinander stehen. Auf die Großen Halbachsen übertragen bedeutet dies ein Verhältnis von 5:9. Tatsächlich ist die Große Halbachse von Phobos fast genau 2,5 Mal so groß wie die von Deimos. Bei Swift stehen die Umlaufperioden des äußeren und des inneren Marsmondes im Verhältnis 1:2,1. Die tatsächliche Umlaufperiode von Deimos ist aber exakt 3,958-mal so groß wie die von Phobos, also nahe einer 1:4-Bahnresonanz. Swift nennt auch das dritte Keplersche Gesetz („… with the cubes of their distance …“), das Umlaufzeiten und Monddistanzen zum Planeten miteinander in Beziehung setzt. Im Kontext des Romans ist deutlich, dass Swift hier weniger auf Kepler Bezug nimmt oder gar prophetische Begabung zeigt. Vielmehr entspringen die – anscheinend präzisen – Bahnbeschreibungen seiner Fantasie. Swifts Name bleibt jedenfalls mit Phobos und Deimos verbunden, und ihm zu Ehren trägt Deimos größter Krater seinen Namen.

Der große Astronom Asaph Hall.
Asaph Hall

Die Entdeckung der beiden Marsmonde – 151 Jahre nach der Niederschrift von Gulliver’s Travels – war dann kein Zufall. Astronomen beobachteten Mars während der Marsopposition im Sommer 1877 besonders intensiv. Bei einer Opposition stehen Sonne, Erde und Planet in einer Linie. Nun stehen sich Erde und Mars aber bei jeder Opposition unterschiedlich nahe. Am 5. September 1877 waren sich beide Nachbarplaneten noch zwei Millionen Kilometer näher (55,5 Mio km) als bei der sehr günstigen Marsopposition am 27. Juli 2018 (57,6 Mio km). Entsprechend detailreich präsentierte sich Mars in den größten Fernrohren des 19. Jahrhunderts. Der amerikanische Astronom Asaph Hall (1829–1907) entdeckte beide Marstrabanten am 12. August 1877 mit dem seinerzeit größten Linsenteleskop, dem 26-Zoll-Refraktor „Great Equatorial“ am United States Naval Observatory (USNO), Washington, D.C.. Er berechnete später auch die Bahnen beider Monde. Wenig bekannt ist die Tatsache, dass seine Frau Chloë Angeline Stickney Hall ihm bei seinen Himmelsbeobachtungen unermüdlich half und damit ebenfalls Entdeckerin beider Marsmonde ist.

 _________________________________________________________________________________

Adventsrätsel II vom 8. Dezember 2018

Wir suchten ein erheblich weiter entferntes Reiseziel als beim ersten Adventsrätsel, eines, das aber in kosmischen Maßstäben nah ist.

 o   Wir suchen ein Himmelsobjekt.

o   Unser Reiseziel zeichnet sich durch eine Besonderheit aus, die erstmals vor 102 Jahren von einem Astronomen erkannt und beschrieben wurde.

o   Der Entdecker dieser Besonderheit war einer der Pioniere der Astrofotografie.

o   Nach ihm ist auch ein Katalog benannt, der 349 Himmelsobjekte einer bestimmten Form Interstellarer Materie listet.

o   Ein von Max Wolf entdeckter Asteroid ist nach dem Entdecker benannt.

o   Von der Erde aus können wir das Reiseziel nur mit einem Teleskop sehen.

o   Die Eigenart des gesuchten Objekts wird erst auf fotografischem Wege und mit Geduld erkennbar.

o   Erst vor wenigen Wochen stand das gesuchte Objekt im Rampenlicht der Öffentlichkeit.

 Wie heißt das gesuchte Himmelsobjekt?

Die Lösung: Barnards Pfeilstern

Gesucht war Barnards Pfeilstern im Sternbild Schlangenträger. Unter den vielen – geschätzt 100 bis 200 Milliarden – Sternen unserer Galaxis ist er ein besonderer Stern, weshalb ihm das Privileg zuteil geworden ist, einen Namen zu erhalten. Zum einen ist er mit sechs Lichtjahren Entfernung unser viertnächster Stern. Zum anderen ist er der Stern mit der größten bekannten Eigenbewegung von 10,3 Bogensekunden pro Jahr. Barnards Pfeilstern ist der schnellste bekannte Schnellläufer – und ein sogenannter Roter Zwerg. Er leuchtet daher so schwach, dass man trotz seiner Sonnennähe ein Teleskop benötigt, um ihn zu sehen. Entdeckt hat der amerikanische Astronom Edward Emerson Barnard (1857–1923) den nach ihm benannten Stern zwar nicht, aber er war der erste, der im Jahr 1916 auf fotografischem Wege seine hohe Eigenbewegung erkannte.

Gif-Datei, welche die Bewegung von Barnards Pfeilstern von 2001bis 2010 zeigt.
Barnards Pfeilstern 2001, 2004, 2007 und 2010

Seine Eigenbewegung von 10,3 Bogensekunden pro Jahr summiert sich in etwa 175 Jahren auf den Durchmesser eines Vollmondes (0,5 Grad). Nur auf fotografischem Wege ist die Besonderheit von Barnards Pfeilstern also feststellbar – und der Beobachter benötigt dafür Geduld. Die Animation zeigt vier Aufnahmen von Barnards Pfeilstern, aufgenommen im Sommer der Jahre 2001, 2004, 2007 und 2010. Er verändert seine Position relativ zu anderen Sternen deutlich.

Der große Astronom Edward Emerson Barnard auf einer Fotografie aus dem Jahre 1897.
Edward Emerson Barnard, 1897

Edward Emerson Barnard zählt zu den Pionieren der Astrofotografie. 1895 wurde er Professor für Astronomie an der Universität Chicago, und nutzte den 40-Zoll-Refraktor des Yerkes Observatory für Aufnahmen der Milchstraße. Zusammen mit dem Heidelberger Astronomen Max Wolf (1863–1932) erkannte er die Natur von Dunkelwolken. Damit werden jene Wolken interstellarer Materie bezeichnet, die das Licht dahinter liegender Himmelsobjekte absorbieren. In dem nach ihm benannten Katalog, dem Barnard-Katalog, sind 349 Dunkelwolken gelistet, die sich nur indirekt zeigen, indem sie entweder Hintergrundsterne oder Teile von Reflexions- oder Emissionsnebeln verdecken. Beispiele dieser Himmelsobjekte, die wir von der Nordhalbkugel aus sehen können, sind etwa die scheinbare Teilung der Milchstraße in den Sternbildern Schwan und Adler oder der Pferdekopfnebel im Sternbild Orion. Ein spektakuläres Bild des Hubble-Teleskops zeigt den Pferdekopfnebel nahe des Sterns Alnitak im Sternbild Orion. Visuell zeigt sich dieses Himmelsobjekt nur unter bestem Alpenhimmel und in großen Amateurteleskopen ab etwa 20 Zoll Öffnung – oder auf langbelichteten Astrofotos.

Der Pferdekopfnebel im Sternbild Orion ist ein sehr belanntes Beispiel für einen Dunkelnebel. Visuell kaum zugänglich, hier auf einer Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble.
Beispiel für einen Dunkelnebel: Der Pferdekopfnebel im Sternbild Orion, aufgenommen mit dem Weltraumteleskop Hubble

Auch über die Zwischenfrage nach einem Asteroiden ließ sich die Lösung dieses zweiten Adventsrätsels eingrenzen: Der 1916 von Max Wolf entdeckte Asteroid (819) trägt den Namen (819) Barnardiana.

 Zuletzt im November 2018 war Barnards Pfeilstern in den Medien präsent: Auswertungen von Beobachtungsdaten der zurück liegenden 20 Jahre legen den Schluss nahe, dass der rote Zwergstern von einem Planeten umkreist wird. Dieser Planet dürfte mindestens die dreifache Erdmasse haben und Barnards Pfeilstern in einer Entfernung von rund 60 Millionen Kilometern umkreisen, alle 233 Tage einmal. Damit steht er seinem Stern wesentlich näher als die Erde der Sonne. Da aber Barnards Pfeilstern nur etwa vier Promille der Sonnenstrahlkraft hat, dürfte es auf diesem Planeten nicht wärmer als –170 Grad Celsius sein, zu wenig für Leben, wie es sich auf der Erde entwickelt hat.

 ____________________________________________________________________________________

Adventsrätsel III vom 16. Dezember 2018

Bei diesem Rätsel suchten wir ein Himmelsereignis, für das wir eine Zeitreise in die Vergangenheit auf unserem Heimatplaneten unternahmen:

 o   Wir suchen ein Himmelsereignis.

o   Dafür begeben wir uns auf eine Insel vulkanischen Ursprungs, die dazu geeignet war, jenes Himmelsereignis zu verfolgen.

o   Zu jener Insel machte sich auch seinerzeit – nicht unbedingt unter dem Wohlgefallen seiner Landsleute – ein tollkühner Forscher auf, um das gesuchte Himmelsereignis mit speziellen Experimenten zu vermessen.

o   Die Messungen dieser Forschungsexpedition erbrachten den Beweis einer bedeutsamen Theorie.

 Welches Himmelsereignis ist gesucht?

 Die Lösung: Die totale Sonnenfinsternis vom 29. Mai 1919

Gesucht war die totale Sonnenfinsternis, die sich am 29. Mai 2019 zum hundertsten Mal jähren wird. Beobachtet von Arthur Stanley Eddington (1882–1944), der seine Messungen auf der Vulkaninsel Príncipe durchführte.

Albert Einstein (1879–1955) postulierte mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie unter anderem, auch Licht würde durch Gravitation abgelenkt. Schon die Masse der Sonne sollte ausreichen, Licht messbar abzulenken. Seine Idee war es, bei einer totalen Sonnenfinsternis die Ablenkung von Hintergrundsternen direkt neben der verfinsterten Sonne zu messen. Die Versuche mehrerer Forscherteams, die beiden totalen Sonnenfinsternisse der Jahre 1912 (Brasilien) und 1914 (Russland) zu beobachten, scheiterten.

Drei Aufnahmen von Albert Einstein (1921), Arthur Stanley Eddington (1920) und Andrew Crommelin (1915).
Albert Einstein (1921), Arthur Stanley Eddington (1920) und Andrew Crommelin (1915) Credit Albert Einstein: Nobel foundation / A.B. Lagrelius & Westphal – http://nobelprize.org/nobel_prizes/physics/laureates/1921/einstein-bio.html Credit Arthur Stanley Eddington: Smithsonian Institution Libraries – http://www.sil.si.edu/imagegalaxy/ Credit Andrew Crommelin: The Royal Observatory Greenwich – http://www.royalobservatorygreenwich.org/articles.php?article=1103

Der britische Astrophysiker Arthur Stanley Eddington gilt als einer der ersten Physiker, der die Tragweite von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie erkannte. Die nächste Gelegenheit sollte die Sonnenfinsternis am 29. Mai 1919 sein, da die Sonne im offenen Sternhaufen der Hyaden stehen würde, was die Chance erhöhte, helle Sterne zu verdecken. Unter Eddingtons Leitung brachen Anfang März 1919 von England aus zwei Expeditionen mit großem Gepäck auf: Gemeinsam mit ihm eine erste zur Vulkaninsel Príncipe vor der afrikanischen Küste, eine zweite mit Andrew Crommelin (1865–1939) nach Sobral im Norden Brasiliens.

Das Camp in Sobral: Mit zwei Heliostaten lenkten Crommlin und sein Team das Sonnenlicht in zwei waagerecht gelagerte Teleskope.
Ein Bild des Camps in Sobral: Mit zwei Heliostaten lenkten Crommlin und sein Team das Sonnenlicht in zwei waagerecht gelagerte Teleskope

Auf Príncipe regnete es am Morgen des 29. Mai 1919. Erst während der Verfinsterung am Mittag rissen die Wolken für kurze Zeit auf, und Eddington und seinem Team gelangen zumindest zwei brauchbare Aufnahmen. Das Expeditionsteam um Andrew Crommelin in Brasilien hatte mehr Erfolg; sie brachten acht Aufnahmen nach England, die auswertbar waren.

EIn historisch wertvolles Dokument: Das Positiv einer der Fotoplatten, welche die totale Sonnenfinsternis vom 29. Mai 1919 zeigen, aufgenommen vom Team um Andrew Crommelin in Sobral, Brasilien.
Positiv einer der Fotoplatten der totalen Sonnenfinsternis vom 29. Mai 1919, aufgenommen vom Team um Andrew Crommelin in Sobral, Brasilien.

Einstein hatte einen Wert von 1,75 Bogensekunden angenommen, um den sich die Position eines Sterns durch die Ablenkung der Sonne verschieben würde. Die Messergebnisse der Eddington-Expeditionen ergaben ein Ergebnis recht nahe an diesem Wert. Im September 1919 veröffentlichte Arthur Stanley Eddington ein vorläufiges Resultat, und am 6. November 1919 legte Andrew Crommelin in einer gemeinsamen Sitzung von Royal Society und Royal Astronomical Society das Ergebnis zweier teleskopischer Messungen der Abweichung am Sonnenrand vor. Sie betrugen 1,98 +/– 0,18 Bogensekunden und 1,60 +/– 0,31 Bogensekunden. Mit Pauken und Trompeten war die Allgemeine Relativitätstheorie im Experiment bestätigt! Immer wieder flammten Zweifel an der Korrektheit dieser Messwerte auf, weshalb 1979 die Fotoplatten beider Expeditionen am Royal Greenwich Observatory erneut unter die Lupe genommen und noch exakter vermessen wurden als 60 Jahre zuvor. Das Ergebnis 1,90 +/– 0,11 Bogensekunden bestätigte die Messungen des Jahres 1919. Auch dieser zweite glasklare Beweis der Allgemeinen Relativitätstheorie wird 2019 ein Jubiläum feiern: Sein 40stes.

 ____________________________________________________________________________________

Adventsrätsel IV vom 23. Dezember 2018

Gesucht war eine bedeutende Forscherpersönlichkeit.

 o   Wir suchen eine Person, die schon als Kind in naturwissenschaftlichen Disziplinen außerordentliche Begabung zeigte.

o   Der Vater der gesuchten Person war Lehrer und Amateurastronom – und unterrichtete sein Kind in Mathematik und Astronomie.

o   Der gesuchten Forscherpersönlichkeit selbst ist ein von einem Heidelberger Astronomen entdeckter Asteroid gewidmet.

o   Die gesuchte Person beschäftigte sich auch mit Mathematik, u.a. mit einem 350 Jahre nach seiner Formulierung gelösten Theorem.

o   Ein 30 Kilometer großer Mondkrater ist nach der gesuchten Person benannt.

 Wen suchen wir?

 Die Lösung: Maria Mitchell

Gesucht war Maria Mitchell (1818–1889). Im Sternenhimmel vom August 2018 berichtete Felicitas Mokler ausführlich über das Leben der ersten Astronomieprofessorin Amerikas und einflussreichen Frauenrechtlerin.

Zwei Aufnahmen der berühmten Astronomin Maria Mitchell, entstanden 1851 und 1885.
Maria Mitchell, 1851 und 1885

Es gibt viele Beispiele für Forscher, die ohne die Unterstützung und Förderung ihrer Eltern vermutlich unbekannt geblieben wären. Die gesuchte Forscherpersönlichkeit, Maria Mitchell, ist eines dieser Glückskinder, bei denen sich Begabung, äußere Umstände, frühe Förderung durch die Eltern und lebenslang harte Arbeit zu einem Ganzen fügten.

Maria Mitchell wurde 1818 auf Nantucket geboren, einer kleinen von Seefahrt geprägten und rund 50 Meilen vor der Küste Massachusetts gelegenen Insel. Hier ankerte die weltweit größte Walfangflotte und von hier aus stachen Seefahrer in See, deren Wissen um den Sternenhimmel als Navigationshilfe unabdingbar war. Maria Mitchell wuchs zusammen mit neun Geschwistern in einem streng religiösen Umfeld auf. Ihre Eltern waren Quaker, deren Mitglieder Mädchen dieselbe Bildung zukommen ließen wie Jungen. Ihre Eltern erkannten Marias mathematische Begabung schon früh und ihr Vater, Lehrer und Amateurastronom, besaß gar ein kleines Linsenteleskop, mit dem gemeinsam beobachtet wurde. Und über Nantucket, was "weit entferntes Land" bedeutet, war Nacht für Nacht stockfinsterer Sternenhimmel. Beste Voraussetzungen für Maria, die sich am Sternenhimmel und mit dem Gebrauch nautischer Instrumente schnell besser auskannte als viele Insulaner und Seefahrer. Einige Meilensteine ihrer Karriere zeigen, wie begabt Maria Mitchell war und wie ungewöhnlich ihr Leben verlief: Schon mit 14 Jahren kalibrierte sie Chronometer für Seefahrer oder unterwies sie im Gebrauch von Sextanten. Mit 17 Jahren gründete Maria Mitchell auf Nantucket eine Mädchenschule und unterrichtete Mathematik. Mit 18 Jahren wurde sie zur Leiterin der Bibliothek von Nantucket ernannt. Hier liegt auch die Wiege ihrer Bildung. Fast täglich hielt sie sich in dieser Bibliothek auf, in der auch Frauen willkommen waren – anders als in den meisten anderen Bibliotheken der USA. Sie beschäftigte sich mit Mathematik und Astronomie, aber auch Literatur und Philosophie. Sie vergrößerte kontinuierlich den Bestand der Bibliothek, und ließ vergessen, auf einer Insel zu leben. Auf Nantucket sagte man anerkennend, Maria Mitchell habe jedes Buch der Bibliothek selbst gelesen.

Berühmt wurde Maria Mitchell mit 29 Jahren durch die Entdeckung eines Kometen: Am 1. Oktober 1847 entdeckte Maria Mitchell fünf Grad über dem Polarstern jenen nicht-periodischen Kometen, der „Miss Mitchells Comet“ genannt wurde. Vom Dänischen König erhielt sie für ihre Entdeckung einen satt dotierten Preis und selbst in Europa kannte man nun die „Astronomin von Nantucket“.

1865 eröffnete mit dem Vassar College in Poughkeepsie, New York, eine der ersten amerikanischen Frauen-Universitäten. Maria Mitchell erhielt den Ruf und wurde mit 47 Jahren die erste Astronomieprofessorin Amerikas – ohne jemals selbst eine Universität besucht zu haben. Ziel ihrer täglichen Arbeit war, dass ihre Studentinnen mit den Männern der renommierten Universitäten Yale und Harvard gleichauf ziehen. So verteidigte sie ihre Studentinnen gegen herrschende Konventionen, die beispielsweise Frauen untersagten, nach 22 Uhr vom Observatorium aus zu beobachten. 1873 gründete sie die American Association for the Advancement of Women und wurde zwei Jahre später deren Präsidentin. Nicht nur in Vorträgen, sondern in der täglichen Arbeit als Professorin und Direktorin des Vassar-College-Observatoriums setzte sie sich beständig für die Gleichberechtigung von Frauen ein.

Als Zwischenergebnis zur richtigen Lösung fragten wir nach dem Hauptgürtelasteroid (1455) Mitchella, den der Heidelberger Astronom Alfred Bohrmann (1904–2000) am 5. Juni 1937 entdeckte.

Maria Mitchell beschäftigte sich auch mit grundlegenden mathematischen Fragen, etwa mit dem ´Großen Fermatschen Satz`. Eine harte Nuss, die im 17. Jahrhundert von Pierre de Fermat formuliert, aber erst 1994 von dem britischen Mathematiker Andrew Wiles bewiesen wurde.

Einer der wenigen nach einer Frau benannten Mondkrater ist Mitchell, der sich an den größeren Aristoteles schmiegt - und älter ist als dieser.
Die beiden Mondkrater Aristoteles & Mitchell

Schon im Amateurteleskop kann man auf dem Mond den an den Krater Aristoteles grenzenden Einschlagkrater Mitchell erkennen, der 1935 von der Internationalen Astronomischen Union nach der großen Forscherin und Frauenrechtlerin benannt wurde. Sein Durchmesser beträgt etwa 30 Kilometer. Er zeigt deutliche Erosionsspuren und sein Ringwall ist vom später entstandenen, etwa 80 Kilometer großen Krater Aristoteles teilweise überdeckt.

 ______

Originalbeitrag für "Die Weltraumreporter".

______

Sie haben Feedback? Schreiben Sie uns an info@riffreporter.de!
VGWort Pixel