„Mikrobiome haben bei vielen lebenswichtigen Fragen eine völlig unterbewertete Rolle“

Gabriele Berg, Leiterin des Instituts für Umweltbiotechnologie an der Technischen Universität Graz, über Ernährung, Pandemie und das Konzept der „One Health“

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Im Bild ist eine Mikroskopaufnahme einer Apfelschale zu sehen. Man sieht die Mikroorganismen der Schale.

Mikrobiome sind komplexe Lebensgemeinschaften von Kleinstlebewesen wie Bakterien, Viren und Pilzen. Diese existieren auf der ganzen Erde. Das Mikrobiom im menschlichen Darm hat in den vergangenen Jahren viel Aufmerksamkeit erhalten, als bekannt wurde, dass die Mikroorganismen auch unser Immunsystem, unsere mentale Gesundheit und selbst unser Sozialverhalten beeinflussen könnten. Doch nicht nur wir Menschen werden von Mikrobiomen besiedelt, die ganze Natur ist von diesen Lebensgemeinschaften geprägt. Prof. Dr. Gabriele Berg, Leiterin des Instituts für Umweltbiotechnologie an der Technischen Universität Graz, sieht sogar einen gewissen Zusammenhang zur Corona-Pandemie. Berg forscht seit über 25 Jahren am Mikrobiom von Pflanzen und Menschen. Mit 360 Publikationen und über 24.000 Zitationen gehörte sie 2018 und 2019 zum obersten Prozent der meistzitierten WissenschaftlerInnen weltweit.

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Frau Berg, mit SARS-CoV-2 ist ein Virus das bestimmende Thema unserer Zeit. Sie erforschen seit vielen Jahren die Gesamtheit aller Mikroorganismen, das sogenannte Mikrobiom. Gehört das Coronavirus dazu?

Berg: Ja, auch das neuartige Coronavirus gehört wie alle Viren zum Mikrobiom. Dieses spezielle Virus verbreitet aktuell Angst und Schrecken und verursacht viel Leid. Aber Viren sind, obwohl selbst keine Lebewesen, wichtige Dirigenten der Evolution. Über sehr lange Zeiträume hinweg sind zum Beispiel viele Virengene in unser menschliches Erbgut eingewandert. Viren bilden zusammen mit Bakterien, Archaeen, Pilzen, mikroskopisch kleinen Algen und Protisten ein gigantisches funktionelles Netzwerk auf der Erde, dessen Bedeutung den wenigsten bewusst ist.

Gibt es ein gesundes Mikrobiom?

Berg: Ein gesundes Mikrobiom ist divers, gleichmäßig strukturiert und bildet ein ausbalanciertes funktionelles Netzwerk. Krankheiten können in dysfunktionalen Mikrobiomen ihren Ursprung haben – sie können von anderen Menschen, Tieren, Pflanzen, Wasser übertragen werden – hier ist der Krankheitserreger entscheidend. Die Vernetzung und Bedeutung der Mikrobiome hat auch zum „one health“ Ansatz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geführt, in dem Humanmedizin, Veterinärmedizin und Umweltwissenschaften fächerübergreifend zusammenwirken.

Prof. Gabriele Berg steht mit zwei Mitarbeitern im Labor. Sie hält einen Apfel in der Hand, an dem sie das Mikrobiom erforscht.
Prof. Gabriele Berg (Mitte) forscht mit ihrem Team am Mikrobiom von Pflanzen und Menschen.
Lauch und Karotten liegen auf einem Wochenmarkt aus. Sogenannte alte Obst- oder Gemüsesorten haben viele gesundheitliche Vorteile verglichen mit konventionellen Züchtungen.
Im Gegensatz zu konventionellen Züchtungen enthalten alte Obst- oder Gemüsesorten mehr gesundheitsförderliche Stoffe.
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