Bakterien statt Versorgungsflüge: So könnte eine Forschungsstation auf dem Mars an Sauerstoff kommen

Transportflüge zum Mars sind zeitaufwendig und teuer. Künftige Kolonien sollten daher möglichst viel aus den Ressourcen vor Ort erzeugen können. Forscher:innen erproben eine biotechnologische Lösung dafür.

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Zwei Männer arbeiten in einem Labor an einem Versuchsaufbau.

Irgendwann in den nächsten 15 Jahren soll es so weit sein: Eine Rakete wird die Erde verlassen und erstmals Menschen zum Mars fliegen. Geht es nach der amerikanischen Weltraumorganisation Nasa, dürften die 15 Jahre wohl ausgereizt werden. Das Privatunternehmen SpaceX spricht gerne vollmundig von einen Start im Jahr 2026. So oder so wird dieser erste Flug nur ein Auftakt sein. Mittelfristig wollen mehrere Nationen und Unternehmen eine Basis auf dem Mars errichten – für Forschung, Exploration und Kolonisierung.

Das bedeutet, dass Menschen über längere Zeiträume mit allem versorgt werden müssen, was sie zum Leben benötigen. Geht es nach dem Astrobiologen Cyprien Verseux von der Universität Bremen, könnten Bakterien und die Biotechnologie dabei eine wichtige Rolle übernehmen. Um seine Idee zu entwickeln, hat der Europäische Forschungsrat ihm unlängst eine Förderung über rund 1,5 Millionen Euro bewilligt. Im Interview erzählt der Astrobiologe, was er konkret plant.

Bakterien könnten Abfälle recyceln, Wasser reinigen und Sauerstoff, Lebensmittel und mehr produzieren

Wie können Mikroorganismen helfen, eine Kolonie auf dem Mars zu versorgen?

Dr. Cyprien Verseux: Mikroorganismen könnten für eine Vielzahl von Prozessen auf dem Mars eingesetzt werden. Sie können Abfälle recyceln, Wasser reinigen und Sauerstoff, Lebensmittel, Arzneimittel, Biokraftstoffe sowie Biomaterialien produzieren. Das wäre äußerst nützlich, da es langfristig eine große Herausforderung darstellt, Verbrauchsgüter zum Mars zu schicken – sowohl in Bezug auf Kosten als auch Logistik.

Sie konzentrieren sich auf Cyanobakterien. Was können die besser als andere Mikroorganismen?

Cyanobakterien können Sauerstoff produzieren, da sie Photosynthese betreiben. Das ist ein Vorteil. Der Hauptgrund ist jedoch, dass Mikroorganismen – wie Pflanzen oder Menschen – Nährstoffe zum Wachsen benötigen. Im Idealfall würden wir diese Nährstoffe nicht von der Erde schicken, sondern die natürlichen Ressourcen des Mars als Nährstoffquellen nutzen. Leider könnten die meisten Mikroorganismen sich nicht von diesen natürlichen Ressourcen ernähren. Einige ausgewählte Arten von Cyanobakterien könnten dies jedoch.

Wovon würden sich Cyanobakterien auf dem Mars ernähren?

Sie könnten Kohlenstoff und Stickstoff aus Kohlendioxid und Distickstoff nutzen, die in der Marsatmosphäre vorhanden sind; Wasser, das vor Ort zum Beispiel aus Eis im Boden abgebaut wird; und andere Nährstoffe wie Eisen, Magnesium oder Kalium, die sie aus dem Marsboden extrahieren könnten. Kurz gesagt, sie könnten alle benötigten Atome aus dem Boden und der Atmosphäre des Mars beziehen. Und was die Energie angeht: Sie können Sonnenlicht nutzen.

Porträt des Oberkörpers eines dunkelhaarigen Mannes mit Vollbart und blauem Oberhemd, der lächelt
Dr. Cyprien Verseux vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen hat den prestigeträchtigen ERC Starting Grant für Nachwuchswissenschaftler bekommen.

Bakterien an die atmosphärischen Bedingungen auf dem Mars anpassen

Für Ihre Arbeit verwenden Sie ein Werkzeug namens Atmos. Was ist das?

Wie ich bereits erwähnt habe, können unsere Cyanobakterien Kohlenstoff und Stickstoff aus der Marsatmosphäre nutzen. Allerdings könnten wir sie nicht unter freiem Himmel wachsen lassen, unter anderem, weil der atmosphärische Druck zu niedrig ist. Er beträgt nur etwa ein Prozent des Drucks auf der Erde. Daher müssen wir die Atmosphäre, die wir den Cyanobakterien zuführen, anpassen, aber wir wollen das nicht mehr als unbedingt nötig tun, da das Energie kostet. Um einen Kompromiss zu finden, studieren wir die Physiologie von Cyanobakterien in unnatürlichen Atmosphären, und dafür war es notwendig, ein spezielles Kultivierungssystem zu erfinden und zu bauen. Das haben wir getan und es Atmos genannt.

Welche Fragen wollen Sie mit dem Geld aus Ihrem Forschungsstipendium beantworten?

Meine Forschungsgruppe hat gezeigt, dass einige Cyanobakterien mit Ressourcen, die auf dem Mars natürlich vorkommen, gezüchtet werden können. Dank des ERC Starting Grants werden wir grundlegende Forschungen betreiben, um zu verstehen, auf welche zellulären Mechanismen Cyanobakterien angewiesen sind, um diese Ressourcen zu nutzen. Wir werden auch die Prozesse, die wir für das Wachstum von Cyanobakterien auf dem Mars entwickelt haben, verbessern und untersuchen, wie effizient diese Prozesse sein können. Wie viel Sauerstoff pro Jahr können wir zum Beispiel mit einem Kultivierungssystem einer bestimmten Masse produzieren?

Einsatz in Forschungsstationen ähnlich jenen in der Antarktis

In einigen Jahren ist die erste bemannte Marsmission geplant. Wie bald könnten Bakterien eine unterstützende Rolle bei der Kolonisierung des Mars spielen?

Cyanobakterien würden wahrscheinlich nicht bei den allerersten Missionen eingesetzt: Diese werden kurz dauern, voraussichtlich etwa drei Jahre, und wir können das meiste an Lebensmitteln und anderen Verbrauchsgütern mitbringen und recyceln, was wir benötigen. In dieser Zeit könnten wir beginnen, Kultivierungssysteme für Cyanobakterien auf dem Mars zu testen, aber nicht auf sie angewiesen sein, um zu überleben. Mit längeren Missionen und sobald die vor Ort durchgeführten Tests gezeigt haben, dass unsere Prozesse zuverlässig sind, könnten die Missionen schrittweise weniger auf mitgebrachte Ressourcen angewiesen sein und mehr auf das, was vor Ort produziert wird. Cyanobakterien könnten somit eine Schlüsselrolle dabei spielen, langfristige Missionen auf dem Mars zu ermöglichen und dadurch ehrgeizige wissenschaftliche Programme zu unterstützen. Unser Ziel ist es nicht, die Kolonisierung des Mars zu ermöglichen. Vielmehr wollen wir kleine Forschungsstationen unterstützen, die vielleicht denen ähneln, die derzeit in der Antarktis existieren.

Könnte Ihre Forschung auch auf der Erde eingesetzt werden?

Um uns auf den Mars vorzubereiten, lernen wir, wesentliche Verbrauchsgüter aus sehr begrenzten Ressourcen – meist Gesteinen, Sonnenlicht, atmosphärischen Gasen und kleinen Mengen Wasser – ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe und unter Abscheidung von Kohlendioxid zu produzieren. Das könnte auch auf der Erde sehr nützlich sein. Die Übertragung von Mars-Technologien und -Prinzipien auf die Erde ist nicht einfach, aber wir werden solche Möglichkeiten im Rahmen des Projekts erforschen.

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