Wenn Schlafmangel auf die Gene schlägt

Schichtarbeit erhöht das Risiko für Schlafstörungen. Die Epigenetik misst neuerdings, was dabei passiert und entdeckt, dass schon zwei Wochen Urlaub helfen können.

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Zeichnung eines Mannes, der wach liegt und versucht, eingebildete Schäfchen zu zählen.

Finnische Forscher*innen entdecken in den Immunzellen von Menschen mit Schichtarbeitersyndrom typische Veränderungen des epigenetischen Musters. Mit einer Analyse dieser nebengenetischen Markierungen können sie die Entwicklung der Schlafstörung erstaunlich gut beobachten. Und sie haben eine gute Nachricht: Schon zwei Wochen Ausschlafen im gesunden Rhythmus können die Epigenetik mancher Betroffenen normalisieren.

Schichtarbeit ist eine Gesundheitsgefahr. Vor allem wenn die Arbeitszeiten ständig wechseln und auch nachts gearbeitet wird, erhöht die wiederkehrende Störung des biologischen Rhythmus‘ auf Dauer das Risiko für eine Vielzahl von Krankheiten. Darunter sind Herz-Kreislauf-Leiden, Stoffwechselkrankheiten wie starkes Übergewicht und Diabetes, aber auch Verdauungsstörungen, psychische Leiden aller Art und Schlafstörungen.

Bekannt sind diese Zusammenhänge schon lange. Und fast ebenso lange fordern Fachleute, Schicht- und Nachtarbeit auf lebensnotwendige Bereiche zu beschränken, etwa den Dienst in Notfallambulanzen, bei Feuerwehr und Polizei oder der Flugsicherung. Allerdings scheint niemand auf sie zu hören, denn die Zahl der Nacht- und Schichtarbeitenden nimmt in den industrialisierten Ländern immer weiter zu.

Molekulare Beobachtung der Gesundheit steckt noch in den Kinderschuhen

Ein Stück weit ist der fatale Trend sogar verständlich. Denn es ist knifflig, einen direkten Zusammenhang zwischen der eigentlichen Gefahr und ihren negativen Folgen festzustellen. Die meisten Versuche, den beständigen Wandel der menschlichen Gesundheit als hochkomplexen biologischen Prozess zu beobachten, zu begleiten und vielleicht sogar gezielt zu beeinflussen, stecken noch in den Kinderschuhen. Dank Epigenetik und Systembiologie ändert sich das derzeit allerdings.

So erhalten wir jetzt auch die ersten Antworten auf die Frage, wie sich das Schichtarbeiter*innen-Leben im wiederkehrenden falschen Rhythmus sowie der oft damit verbundene chronische Schlafmangel auf die Organe und Zellen des Körpers im Detail auswirken. Die Schlafforscherin Alexandra Lahtinen von der Universität Helsinki und Kolleg*innen zeigen in einer aktuellen Studie eindrucksvoll, welche epigenetischen Veränderungen in Zellen von Menschen ablaufen, die am so genannten Schichtarbeitersyndrom leiden. Das ist vor allem eine Störung des Schlafrhythmus, die meist von langfristiger, wechselnder Schichtarbeit ausgelöst wird und zu chronischem Schlafmangel führt.

Nach dem Urlaub hatte sich die Epigenetik der Immunzellen normalisiert

Schlafende Frau
Erwachsene benötigen sechs bis zehn Stunden Schlaf pro 24 Stunden, Jugendliche mindestens acht bis zehn, manche sogar mehr.

Es wäre so, als hätte man eine Art Fieberthermometer für Schlafprobleme gefunden

Die Organisation von Nacht- und Schichtarbeit muss vielleicht gar nicht so drastisch geändert werden?

Buchtipps

Von Peter Spork gibt es mehrere Bücher zu den Themen dieses Artikels:

Wake up! Aufbruch in eine ausgeschlafene Gesellschaft (Hanser, dtv), erklärt, wie nicht nur Schichtarbeitende, sondern auch viele andere gesellschaftliche Gruppen lernen können, wieder besser im Einklang mit ihrem biologischen Rhythmus zu leben.

Gesundheit ist kein Zufall. Wie das Leben unsere Gene prägt (DVA, Pantheon), schildert, wieso Gesundheit ein steter Prozess der Anpassung ist, und wie die Epigenetik derzeit lernt, diesen Prozess zu beobachten.

Die Vermessung des Lebens. Wie wir mit Systembiologie erstmals unseren Körper ganzheitlich begreifen (DVA), entführt in die neue Welt der mathematischen Modellierungen biologischer Prozesse.

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