Ist der Gedächtnisverlust im Alter umkehrbar?

Forscher entdeckten einen epigenetischen Mechanismus, der mitverantwortlich dafür sein dürfte, dass alte Menschen schlechter lernen als junge. Mithilfe eines Wirkstoffes kehrten sie den fatalen Prozess bei Mäusen sogar um.

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Blick durch ein Milchglas-Fenster des Irish Museum of Modern Art in Dublin.

Kennen Sie den Kinofilm „Men in Black“? Dann wissen Sie auch, was „blitzdingsen“ ist. Supercool kämpft der von Will Smith gespielte Agent Jay gegen außerirdische Monster aller Art, die heimtückisch versteckt oder perfekt getarnt mitten unter uns weilen. Gewöhnliche Menschen sollen davon nichts mitbekommen, aber für den Fall, dass doch einmal ein paar Zeugen mit ansehen, wie Jay ein neunbeiniges, siebzehnköpfiges oder sonstwie furchterregendes Schwabbelwesen verhaftet, hat die „Behörde zur Bekämpfung Außerirdischer“ vorgesorgt: Jay zückt einen schwarzen Stab, setzt sich eine Sonnenbrille auf und „blitzdingst“ die Zeugen in die Augen. Das schwarze „Dings“ erzeugt dabei einen grellen Blitz, der eine sofortige amnesische Wirkung hat – die Zeugen können sich an keine Monster mehr erinnern.

Diese Geschichte ist nicht so utopisch, wie sie scheint. Es gibt ein Labor an der University of Alabama in Birmingham, USA, in dem Ratten schon vor zwölf Jahren chemisch „geblitzdingst“ wurden. Die Biologin Courtney Miller, heute am Scripps Institute in Florida tätig, versetzte einzelne Tiere zunächst mit einem harmlosen Elektroschock in Angst und löschte anschließend die üble Erinnerung aus. Dazu nutzten sie und ihr Team die junge Wissenschaft der Epigenetik. Diese erforscht Strukturen, die an und neben dem Erbgutmolekül DNA sitzen und beeinflussen, welche ihrer Gene eine Zelle benutzen kann und welche nicht.

Ändert sich die Epigenetik einer Zelle, wechselt sie sozusagen in ein anderes Programm. Und erst diese Fähigkeit ermöglicht uns und anderen Tieren das Lernen. Denn es sind epigenetische Veränderungen in den Nervenzellen des Gehirns, die diese anregen, neue Verknüpfungen und Auswüchse zu bilden sowie auf Signale schwächer oder stärker zu reagieren. Solche Verwandlungen des Nervennetzes bilden letztlich die Basis des Erinnerns. Sie treten zum Beispiel auf, wenn wir Informationen aus dem Kurz- in das Langzeitgedächtnis übertragen.

Courtney Miller und ihr Kollege David Sweatt spritzten ihren Versuchstieren ein Medikament namens Zebularin in eine bestimmte Region des Gehirns. Das Mittel verhinderte die epigenetischen Veränderungen in den dortigen Nervenzellen. Und schon vergaßen die Ratten, was kurz zuvor passiert war. Sie übertrugen die Information nicht in ihr Langzeitgedächtnis. Die generelle Lernfähigkeit der Tiere litt übrigens nicht: Wurde das Experiment tags darauf ohne Zebularin wiederholt, lernten die Ratten ganz normal [1].

Porträt einer 90-Jährigen.
Die Urgroßmutter des Autors wurde mehr als 90 Jahre alt. Ihr Gedächtnis blieb zwar bis zuletzt erstaunlich gut, aber auch ihr fiel es zunehmend schwer, sich an Kleinigkeiten zu erinnern.

Jetzt konnten Neuro-Epigenetiker von der gleichen Universität in einer Studie mit menschlichen Zellkulturen und Mäusen nachweisen, dass eine epigenetische Besonderheit auch mitverantwortlich für den ganz gewöhnlichen altersbedingten Abfall der Erinnerungsfähigkeit ist. Und zumindest bei den Mäusen funktioniert bereits der Einsatz eines Gegenmittels.

Wenn im Alter das Gedächtnis nachlässt

Das „Anti-Blitzdings“ aus Alabama

Junge Mäuse lernten plötzlich schlechter

Auch bei Alzheimer verändert sich die Epigenetik der Nervenzellen

Epigenetisches Medikament verändert die Aktivität von 1.500 Genen zugleich

Quellen

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