Leben mit Gesichtsblindheit: „Manche holen das falsche Kind aus der Schule ab“

Die Nachbarin auf der Straße nicht erkannt? Solch peinliche Momente kennt jeder. Für Menschen, die unter Prosopagnosie leiden, sind sie der Normalzustand.

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Ulrich Holzbauer steht vorm Kurhaus in Bad Cannstatt

Da steht die Frau und lächelt, ganz sicher kennt man sie, nur woher? Viele Menschen haben Probleme damit, Bekannte auf Anhieb zu erkennen, vor allem bei unverhofften Begegnungen in unerwarteter Umgebung.

Doch Ulrich Holzbaur könnte so etwas auch mit seiner Ehefrau oder mit seinen Kindern passieren, zumindest dann, wenn sie neue Kleidung tragen oder ihre Stimmen nicht klar zu hören sind. Denn dann fehlen entscheidende Anhaltspunkte, die seine Angehörigen normalerweise für ihn erkennbar machen.

Holzbaur leidet an Prosopagnosie, im Volksmund: Gesichtsblindheit. Der Begriff ist streng genommen nicht ganz korrekt, weil keine Blindheit vorliegt. Stattdessen können Betroffene verschiedene Gesichter einfach nicht unterscheiden. Hat jemand lange Haare oder einen Bart? Markante Wangenknochen oder ein rundliches Antlitz? Blaue Augen oder braune?

Die meisten Menschen speichern solche Informationen unbewusst und automatisch ab. Anders bei Gesichtsblinden. Für sie sieht jedes Gesicht gleich oder zumindest sehr ähnlich aus.

Ulrich Holzbaur unterhält sich mit einem Mann an einem Stehtisch
„Wir kennen uns doch“: Dieser Kongressteilnehmer geht in die Offensive, bevor Holzbaur in Verlegenheit kommt - oder aufs Namensschild schaut.
Ulrich Holzbauer spaziert vorm Kurhaus in Bad Cannstatt
Vielleicht ist die Frau da hinten eine Bekannte. Oder auch nicht.
Ulrich Holzbaur steht vorm Spiegel
Hallo Fremder: Manche Gesichtsblinde erkennen ihr eigenes Spiegelbild nicht.
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