„Gesundweiser“: Wie Jugendliche verlässliche Gesundheitsinfos im Netz erkennen können

Die Stiftung Gesundheitswissen will mit einer Online-Plattform die digitale Gesundheitskompetenz von Jugendlichen fördern

vom Recherche-Kollektiv Plan G:
5 Minuten
Jugendliche sitzen in einer Reihe und benutzen Smartphones.

Hilft diese Creme gegen Akne? Wie sicher ist die Pille? Und soll ich mich gegen Corona impfen lassen oder nicht? Gesundheitsentscheidungen spielen auch für Jugendliche und junge Erwachsene eine wichtige Rolle.

Aus diesem Grund hat die Stiftung Gesundheitswissen die Online-Plattform „Gesundweiser“ entwickelt, die sich speziell an diese Zielgruppe richtet. „Gesundweiser“ will Kenntnisse zur digitalen Gesundheitskompetenz vermitteln. Gestartet ist das Projekt im Sommer 2021 mit dem Pilot-Kurs „Verlässliche Gesundheitsinfos im Netz erkennen“, nächstes Jahr soll ein Kurs zum Thema Gesundheits-Apps folgen.

Wir haben uns den Pilot-Kurs einmal genauer angesehen und dabei auch eine 15-jährige Testnutzerin nach ihren Eindrücken befragt.

Auf der Startseite der Online-Plattform "Gesundweiser" sind zwei Hauptfiguren der Hintergrund-Geschichte im Comic-Stil abgebildet: Die Jugendliche Romy und ihr Vater Lars.
Die Online-Plattform Gesundweiser bietet aktuell den Pilot-Kurs "Das Hühnersuppen-Dilemma".

Was du zum Hintergrund des Kurses wissen musst

Die Stiftung Gesundheitswissen bietet nicht nur Gesundheitsinformationen auf ihrer Website an, sondern entwickelt im Schulprojekt „Pausenlos gesund“ auch Unterrichtsmaterial, das allgemeinbildende Schulen in verschiedenen Fächern einsetzen können. Neben Arbeitsmaterialien für die Sekundarstufe I gehört auch die Online-Plattform „Gesundweiser“ dazu, die sich an Schüler:innen in der Oberstufe richtet. Die Materialien und die Plattform stehen aber auch für alle unabhängig vom Einsatz in der Schule frei auf der Website bereit. Für die Plattform ist vor der Nutzung eine kostenfreie Registrierung notwendig.

Wie der Kurs aufgebaut ist

Der Pilot-Kurs trägt den Titel „Das Hühnersuppen-Dilemma“. Nutzer:innen lernen Romy kennen, die erkältet ist und sich mit ihrer Oma Gerda streitet. Die behauptet nämlich: „Hühnersuppe ist das beste Mittel gegen Erkältung“. Gemeinsam mit Romys Vater Lars und dem neugierigen Nachbarn Altkommissar Kralle begeben sie sich im Internet auf die Suche nach verlässlichen Informationen, stoßen dabei aber schon schnell auf Schwierigkeiten. Denn welcher von den 1.000 Treffern bietet denn tatsächlich verlässliche Gesundheitsinformationen?

Im Kurs wechseln sich Videos im Comic-Stil, Hintergrund-Informationen, Infografiken und praktische Übungen in Form von Quiz, Klick-Aufgaben und Lückentexten ab. Die Nutzer:innen erfahren dabei viel Wissenswertes zu den Kriterien von verlässlichen Gesundheitsinformationen, beispielsweise was es mit Evidenz auf sich hat, wie man den Herausgeber identifizieren kann, wie überhaupt gesichertes Wissen entsteht und woher Unsicherheiten in der Studienlage kommen können. Auch dass Gesundheitsinformationen Vor- und Nachteile von Behandlungen thematisieren, eigene Entscheidungen ermöglichen und weder bevormunden noch Angst machen sollten, wird angesprochen. Weitere Themen sind Zahlen in Gesundheitsinformationen und die Aussagekraft von Qualitätssiegeln.

Die einzelnen Einheiten sind dabei in Module unterteilt, die nacheinander bearbeitet werden. Der Kurs lässt sich dabei unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen.

Die Übersichtsseite zeigt die verschiedenen Module des Online-Kurses "Das Hühnersuppen-Dilemma".
Der Kurs "Das Hühnersuppen-Dilemma" ist in mehrere Module mit vertiefenden Einheiten und einem Abschluss-Quiz unterteilt.

Was positiv auffällt und was sich noch verbessern ließe

Der Pilotkurs ist kompakt aufbereitet. Für jedes der acht Haupt-Module braucht man rund zehn Minuten, hinzu kommen drei Module mit vertiefendem Extrawissen, die Nutzer:innen jedoch auch überspringen können.

Die interaktiven Elemente animieren zum Mitmachen. Die praktischen Übungen in jedem Modul, die sich an fiktiven oder echten Websites mit Gesundheitsinformationen orientieren, gehen darauf ein, dass selbst bei verlässlichen Anbietern eine gewissen Varianz besteht, etwa wo man Angaben über den Herausgeber findet oder wie Quellen angegeben werden. Die Beispiele stammen dabei aus den Gesundheitsinformationen der Stiftung Gesundheitswissen selbst, aber auch von Medizin transparent oder gesundheitsinformation.de.

Gelungen ist auch der didaktische Aufbau: Am Ende jedes Moduls gibt es ein Quiz zur Wissensüberprüfung und eine kurze Zusammenfassung auf einem virtuellen Notizzettel. Die Sammlung der Notizzettel lässt sich am Ende des Kurses als PDF herunterladen. Und wer das Abschluss-Quiz besteht, bekommt nicht nur einen digitalen Pokal, sondern auch ein Zertifikat zum Ausdrucken.

Für eilige Nutzer:innen wäre es praktisch, wenn sich Module auch anschauen ließen, wenn man die vorherigen noch nicht absolviert hat. Denn zumindest einige wären auch ohne die vorherigen Informationen gut verständlich.

Was den Kurs noch gut abrunden würde: Links zu Anbietern verlässlicher Gesundheitsinformationen, die sich um die angesprochenen Kriterien bemühen und mehr Hintergrund zur Logik der Suchmaschinen. Das könnte auch die Medienkompetenz bei anderen Fragen stärken.

Zu sehen ist ein Beispiel für eine Übung im Online-Kurs: Die Elemente identifizieren, die einen ersten groben Check von Gesundheitsseiten im Netz ermöglichen.
Der Online-Kurs bietet eine ganze Reihe von praktischen Übungen, zu denen es Feedback gibt.

Im Praxistest

Und was sagt die 15-jährige Testerin dazu? Den Schwierigkeitsgrad der Aufgaben findet sie passend, „nicht sonderlich schwierig, aber auch nicht zu einfach“. Die Einbettung der Module in die Hintergrund-Geschichte kommentiert sie mit „wie in unserem Englisch-Lehrbuch“. Storytelling ist bei der Zielgruppe also möglicherweise ein etwas überstrapaziertes Stilmittel, aber zumindest ist es in dieser Form gelungen, die Testerin eine Weile für den Kurs zu interessieren.

Wie gefallen der 15-Jährigen die Video-Sequenzen? „Ganz hübsch gemacht, aber zu kindisch für die Oberstufe“, lautet das Urteil. Möglicherweise wären aufgeweckte Achtklässler:innen eine noch passendere Zielgruppe. Die Testerin findet die Teenager-Tochter zu stereotyp („Niemand sagt: ‚swipe in‘“), aber den Vater passend „cringe“ (also zum Fremdschämen) dargestellt. Genervt hat sie, dass die Figuren in den Video-Sequenzen die Ergebnisse jedes Quiz kommentieren.

Das Thema selbst scheint für Jugendliche, die sich auch sonst mit Faktenchecks und dem Thema Fake News beschäftigen, grundsätzlich interessant zu sein. Auch die Lebenswelt von Jugendlichen scheint ganz gut getroffen, zumindest ist die Testnutzerin gleich auf das Thema Gesundheitswerbung auf Instagram angesprungen, das Romys Vater ins Spiel bringt. Kommentar: „Sport-Influencer sind die Schlimmsten“.

Wenn medienkompetente 15-Jährige Tracking in ihrem Browser blockieren, läuft der Kurs übrigens nicht. Das lässt sich zwar transparent und umfänglich in der Cookie-Richtlinie nachlesen, aber ein kurzer Hinweis auf der Startseite könnte helfen, die kurze Irritation zu vermeiden.

Fazit

Alles in allem ist der Pilot-Kurs sehr gelungen. Natürlich ist es keine allumfassende Schulung zu informierten Entscheidungen, das ist aber auch nicht der Anspruch. Als erster niedrigschwelliger Einstieg ins Thema „Verlässliche Gesundheitsinformationen im Netz“ ist das „Hühnersuppen-Dilemma“ nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Erwachsene geeignet, die spielerische Zugänge schätzen.

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