Rekordsommer: Hitzewellen gab es schon immer – aber nicht so wie in diesem Jahr
Die Extremereignisse dieses Sommers heizen die Diskussion über den Einfluss des Menschen an. Heiße Sommer hat es schon immer gegeben, aber die aktuellen Extremereignisse wären ohne Klimawandel harmloser verlaufen – und sie werden häufiger. Das kann die Attributionsforschung inzwischen mit hoher Sicherheit belegen.
Neue Waldbrände in Griechenland breiten sich unkontrolliert aus. Auf der spanischen Urlauberinsel Teneriffa bekommen die Feuerwehrteams die Brände inzwischen in den Griff. Kanada erlebt die schlimmste Waldbrandsaison in der Geschichte des Landes.
2023 reißt das Wetter in Europa und weltweit Hitzerekord um Hitzerekord. Der Juli war global der heißeste Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Anfang August litt die Stadt Dharan in Saudi-Arabien unter 57, 8 Grad Celsius – in der Nacht. Selbst dort, wo es ausreichend Klimaanlagen und Strom gibt, um sie zu betreiben, herrschen zunehmend Bedingungen, unter denen menschliches Überleben kaum noch möglich ist. Was nahe liegt, kann die Forschung inzwischen auch belegen: Schuld daran ist die vom Menschen verursachte Klimaerwärmung.
Attributionsforschung macht CO2-Einfluss sichtbar
Noch vor einigen Jahren war es schwierig, einzelne Extremwetterereignisse dem Klimawandel zuzuschreiben. Schließlich hat es immer schon Ausreißer vom üblichen Wetter gegeben, Supersommer existieren nicht erst seit ein paar Jahrzehnten. Diese Argumentation verwenden Leugner des Klimawandels noch immer. Dabei hat sich die Wissenschaft längst mit diesem immer wieder kehrenden Einwand beschäftigt. Die sogenannte Attributionsforschung wertet aus, welche Wetterbedingungen es mit welcher Häufigkeit in der Vergangenheit gegeben hat. Daraus lässt sich ableiten, wie wahrscheinlich es wäre, dass ein bestimmtes Ereignis in der Zukunft aufträte, wenn sich an den Rahmenbedingungen nichts verändert hätte. Gleichzeitig lässt sich anhand der Klimamodelle vorhersagen, wie wahrscheinlich ein Ereignis aufgrund der erhöhten Treibhausgaskonzentrationen gegenüber vorindustriellen CO2-Bedingungen geworden ist. So lässt sich erkennen, ob ein Ereignis im Rahmen der historischen Erwartungen liegt oder nur durch die Klimaerwärmung plausibel zu erklären ist.
Zusammenhang zwischen Hitze und Waldbränden
Hitze allein verursacht übrigens keinen Waldbrand. Allerdings brennt ein trockener Wald leichter und das Feuer kann sich schneller ausbreiten. Häufig ist der Auslöser des Brands der Mensch, etwa durch Zigaretten, Lagerfeuer oder heiße Katalysatoren geparkter Autos. Auf Teneriffa vermuten die Behörden Brandstiftung als Ursache des Feuers. Aber die riesigen Waldbrände in diesem Sommer in Kanada sind wohl durch die Kombination aus Hitze, Trockenheit und Blitzeinschlägen entstanden. Für viele Regionen, in denen es in den vergangenen Jahren große Waldbrände gab, hat die Attributionsforschung gezeigt, dass der Klimawandel dort das Risiko für sogenanntes Feuerwetter erhöht hat.
Die Attributionsforschung unterscheidet zwischen interner und externer Variabilität. Das Klimasystem unterliegt immer bestimmten Schwankungen, die Fachleute interne Variabilität nennen. Ursächlich dafür sind beispielsweise atmosphärische Zirkulationssysteme wie die nordatlantische Oszillation oder auch Wechselwirkungen zwischen Luft und Atmosphäre wie beim Phänomen El Niño, dessen Einfluss gerade wieder zunimmt. Alle Ereignisse innerhalb dieser Schwankungen sind gewissermaßen Normalität innerhalb des Wettergeschehens.
Dort spielt jedoch zusätzlich die externe Variabilität hinein. Auch hier gibt es natürliche, nicht menschengemachte Faktoren: Vulkanausbrüche oder Änderungen der Sonnenintensität verändern das natürliche Gleichgewicht. Aber externe Variabilität tritt auch infolge der Treibhausgasemissionen auf, die der Mensch verursacht. Dadurch kommt es zu Ausreißern, die mit der internen Variabilität nicht mehr zu erklären sind.
Aktuelle Hitzewellen wären ohne Klimawandel unmöglich gewesen
„Das Ziel der Attributionsforschung ist, die Wirkung von extern angetriebenen Veränderungen oder einzelnen Faktoren – also zum Beispiel Treibhausgasen – auf eine Klimavariable oder ein bestimmtes Extremereignis vor dem Hintergrund von interner Variabilität im Klimasystem zu quantifizieren“, erklärt Sebastian Sippel, Professor für Klimaattribution an der Universität Leipzig. Je besser die Forschung die einzelnen Komponenten der internen Variabilität verstanden hat und quantifizieren kann, desto belastbarer lassen sich die zusätzlichen Einflüsse externer Faktoren bestimmen.
Sippels Kollege, der Meteorologe Karsten Haustein, ergänzt: „Hitzewellen sind mittlerweile sehr leicht zu attribuieren – also dem Klimawandel zuzuordnen –, da fast immer ein klares Änderungssignal in den Daten zu finden ist.“ So kann die Klimaforschung heute klar belegen: Eine Hitzewelle, die ohne Klimawandel ein Jahrhundertereignis gewesen wäre, ist jetzt normaler Sommer. Die Extremereignisse von heute wären ohne Klimawandel unmöglich gewesen. Und Jakob Zscheischler, Klimaforscher am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, warnt: „Solange die Treibhausgas-Emissionen nicht auf null sind, werden sich Hitzewellen in Zukunft immer weiter verstärken und immer häufiger vorkommen.“
Menschlicher Einfluss trug 2, 5 Grad zur Hitzewelle bei
Die World Weather Attribution, eine Initiative renommierter Klimaforscher:innen und Meteorolog:innen, hat mit den heutigen Methoden die weltweiten Hitzewellen des vergangenen Juli in Europa, Nordamerika und China untersucht. Demnach war die Hitze in China ein Ereignis, wie es nur einmal in 250 Jahren vorgekommen wäre. Die Hitzewellen in Südeuropa und den USA hätte es ohne menschengemachten Klimawandel praktisch nicht geben können. Ohne Klimaerwärmung hätte die Spitzentemperatur in Südeuropa 2, 5 Grad weniger betragen. Sollte sich die Erde gegenüber der vorindustriellen Zeit um zwei Grad erwärmen, gäbe es derartige Hitzewellen alle zwei bis fünf Jahre. Aktuell liegt die Erwärmung bereits bei 1, 3 Grad.
Im Mittelmeerraum haben infolge des Klimawandels auch die Dürren an Häufigkeit und Stärke zugenommen. In Deutschland erwarten die Klimamodelle zwar nicht, dass sich der jährliche Gesamtniederschlag stark ändert. Jedoch führt die Hitze auch hier zu trockeneren Böden, und eine veränderte Verteilung der Niederschläge über das Jahr dürfte auch bei uns mehr Dürren mit sich bringen. Zwar sind die Niederschlagsprognosen der Klimamodelle weniger sicher als die Modellierung der Temperatur. Doch der aktuelle Wissensstand deutet darauf hin, dass Trocken- und Hitzeperioden in Europa künftig sehr häufig gleichzeitig auftreten werden.