Was sagen uns die Reproduktionszahl, der Dispersionsfaktor und andere Messgrößen?

Warum man mehrere Faktoren berücksichtigen muss, um durch die Pandemie zu steuern.

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Ein Coronavirus im Elektronenmikroskop

Bei RiffReporter berichten WissenschaftsjournalistInnen für Sie über die Pandemie

Kurzantwort:

Eine Pandemie ist ein kompliziertes Geschehen. Entscheidend ist, wie ansteckend der Erreger ist, wie schnell er sich ausbreitet, wie viele Menschen gefährdet und infiziert werden sowie versterben oder genesen. WissenschaftlerInnen nutzen verschiedene Kennzahlen, um das Geschehen zu beschreiben, es zu verstehen und Wissen zur Verfügung zu stellen, mit dem Politik und Gesellschaft reagieren können.

In Zeiten schneller Ausbreitung der Erreger ist der Zeitraum wichtig, in dem sich die Zahl der Infizierten verdoppelt – die Verdopplungszeit.

Verlangsamt sich das Tempo, wird eine weitere Kennzahl wichtig. Es ist die sogenannte Reproduktionszahl. Sie gibt an, wie viele Menschen ein Infizierter ansteckt und damit, ob sich die Ausbreitung wieder beschleunigt. Beide Zahlen verraten, wie schnell sich das Virus verbreitet und wie wirksam die Maßnahmen zu seiner Eindämmung sind. Um einen guten Überblick über die Pandemie zu behalten, sollte man immer auf mehrere solcher Kennzahlen zugleich schauen.

Erklärung:

In der Coronakrise spielen epidemiologische Begriffe wie „Verdopplungszeit” und „Reproduktionszahl” eine wichtige Rolle. PolitikerInnen nutzen die Kennzahlen als Navigationshilfe durch die Pandemie. Sie sollen die Ausbreitung des Virus sichtbar machen und helfen, über Maßnahmen und deren Lockerung zu entscheiden. Allerdings gibt es keine einzelne Messgröße, die das Infektionsgeschehen der Pandemie durch alle Phasen umfassend und zuverlässig beschreiben kann. Im Verlauf der Krise spielen deshalb verschiedene Größen eine Rolle. Unter anderem kann auch die Strategie im Kampf gegen das Virus entscheiden, welche Zahlen gerade wichtig sind: Will man die Ausbreitung gänzlich stoppen, oder lediglich soweit bremsen, dass die Intensivstationen nicht überfordert werden?

Erste Phase der Pandemie: Die Verdopplungszeit zeigt, ob die Zahl neuer Infektionen weiter exponentiell anwächst

Anfang März 2020 stiegen die vom Robert-Koch-Institut (RKI) gemeldeten Fallzahlen in Deutschland rasant. Das Coronavirus breitete sich exponentiell aus. Das ist die natürliche Art, mit der sich der Erreger vermehrt: Ein Träger steckt mehrere andere an, von denen jeder wieder einige Personen infiziert und so weiter. Bei exponentiellem Wachstum steigen die Fallzahlen zunächst gemächlich, dann immer schneller, bis sie schier zu explodieren scheinen. Die sogenannte Verdopplungszeit veranschaulicht diese stetige Beschleunigung am besten. Innerhalb dieser Spanne verdoppelt sich die Gesamtzahl der Infizierten. Anfangs war die Verdopplungszeit des neuen Coronavirus in Deutschland noch kurz und lag bei rund 2,5 Tagen. Hätten sich die Fälle von Sars-CoV-2-Infektionen weiter so rasant vermehrt, hätte es binnen eines Monats Millionen Infizierte gegeben. Das hätte das Gesundheitssystem überlastet.

Um das zu verhindern, wurden Maßnahmen getroffen, die die Verdopplungszeit auf zunächst zehn Tage drücken sollten, etwa das Verbot von Veranstaltungen mit über 1.000 TeilnehmerInnen. Als sich zeigte, dass schwerkranke Covid-19-PatientInnen eine längere intensivmedizinische Behandlung brauchten als zunächst gedacht, nannte Bundeskanzlerin Angela Merkel als neues Ziel die Verdopplungszeit von 14 Tagen.

Bis Ende März 2020 stieg die Verdopplungszeit an. Die Verbreitung des Virus verlangsamte sich. Die Maßnahmen hatten offenbar Erfolg. Als jeden Tag nur noch etwa 5.000 Neuinfektionen hinzu kamen, war die Phase des exponentiellen Wachstums beendet. Die Meldezahlen stiegen nur noch „linear“ an, das heißt die Zahl der täglichen Neuinfektionen blieb ungefähr gleich. Von da an ließ sich der Erfolg der Maßnahmen nicht mehr an der Verdopplungszeit messen. Denn bei linearem Wachstum steigt diese Zahl weiter, obwohl sich die Ausbreitung der Epidemie gar nicht verlangsamt: Von beispielsweise 10.000 Fällen bis 20.000 dauert es nur halb so lang wie von 20.000 bis 40.000 Fällen. Die Verdopplungszahl ist also nicht mehr aussagekräftig.

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