Studie: Softdrinks sind immer noch zu süß – Zucker-Reduktionsstrategie der Industrie ist gescheitert

Softdrinks gelten schon lange als Treiber für Übergewicht und Diabetes Typ 2. Eine neue Studie zeigt: Der durchschnittliche Zuckergehalt ist in den vergangenen 6 Jahren in Deutschland kaum gesunken. Die freiwillige Zuckerreduktion funktioniert nicht. Kommt jetzt die Zuckersteuer?

vom Recherche-Kollektiv Klima & Wandel:
5 Minuten
Aus einer roten Getränkedose rieseln Zuckerkristalle.

Der durchschnittliche Zuckergehalt von Softdrinks in Deutschland ist in den Jahren 2015 bis 2021 lediglich um etwa 2 Prozent gesunken. Das zeigt eine aktuelle Studie der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler:innen der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und der Technischen Universität München (TUM), die heute in der Fachzeitschrift „Annals of Nutrition and Metabolism“ erschienen ist. Der Studie zufolge ist die Getränkeindustrie nicht auf Kurs, die selbst gesteckten Ziele zur Zuckerreduktion zu erreichen.

Die gesundheitlichen Gefahren, die von zu viel Zucker in Lebensmitteln und Getränken ausgehen, gerieten in den vergangenen Jahren immer mehr in den öffentlichen Blick. 2018 rief die damalige Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) die „Nationale Reduktionsstrategie“ für Fertiglebensmittel ins Leben. In diesem Rahmen verpflichtete sich die Getränkeindustrie freiwillig, den sogenannten absatzgewichteten Zuckergehalt von Softdrinks im Zeitraum 2015 bis 2025 um 15 Prozent zu verringern.

Rein rechnerisch hätte von 2015 bis 2021 eine Reduktion um 9 Prozent erfolgen müssen, um auf Kurs zu sein. „Die freiwillige Zuckerreduktion bei Softdrinks kommt nicht voran. Wenn sich der Trend so fortsetzt, würde das Ziel ‚15 Prozent weniger Zucker‘ erst in Jahrzehnten erreicht“, sagt Oliver Huizinga, Co-Autor der Studie und politischer Geschäftsführer der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG).

Der Branchenverband der Getränkeindustrie widerspricht. „Alle uns bekannten Daten zur Markentwicklung zeigen, dass auch in Deutschland die Anstrengungen zur Zuckerreduktion bei Erfrischungsgetränken auf einem erfolgreichen Weg sind. Dazu tragen die zahlreichen Angebote von kalorienfreien und -reduzierten Varianten ebenso bei wie die entsprechenden Präferenzen von Verbraucherinnen und Verbrauchern bei ihrer Produktauswahl“, sagt Detlef Groß, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke (wafg).

Zu den Erfrischungsgetränken gehören etwa Cola, Limonaden, Saftgetränke (mit bis zu 24 % Saft), Nektare (mit mehr als 24 %, aber weniger als 100 % Frucht), aromatisiertes Mineralwasser, Energy-Drinks, Sportgetränke und trinkfertiger Tee.

Zuckerbomben Softdrinks

Deutschland ist weltweit eines der Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Softdrinks. Im Schnitt konsumieren Verbraucher:innen jährlich mehr als 80 Liter zuckergesüßte Getränke. Männliche Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren trinken sogar besonders viel, im Schnitt etwa einen halben Liter pro Tag. Das ist viel zu viel. Die Amerikanische Herzgesellschaft empfiehlt, dass Heranwachsende nicht mehr als 240 Milliliter, also etwa ein kleines Glas, trinken sollten – und zwar pro Woche.

Zahlen des Marktforschungsinstituts Euromonitor International zeigten, dass deutsche Verbraucher:innen deutlich mehr Zucker über Softgetränke als über Süßigkeiten zu sich nahmen. Im Durchschnitt verzehrten sie im Jahr 2016 täglich 26 Gramm Zucker über Softdrinks und 18 Gramm über Süßigkeiten.

Zuckergesüßte Getränke gelten laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „eine der Hauptursachen“ für die Entstehung von Adipositas (Fettleibigkeit) und Diabetes Typ 2. Erwachsene, die täglich eine Dose mit 355 Millilitern Erfrischungsgetränk oder gar mehr konsumierten, haben ein 27 Prozent höheres Risiko, übergewichtig oder fettleibig zu werden.

Kommt jetzt die Zuckersteuer?

Wenn die freiwillige Reduktionsstrategie scheitert, kommt dann die Zuckersteuer? Die Hinweise verdichten sich aktuell jedenfalls in Richtung schärfere Regulierungen.

Zum einen wartet das BMEL offenbar auf die Ergebnisse einer noch unveröffentlichen Übersichtsstudie zu Zuckersteuern, die voraussichtlich Anfang 2023 in der Fachzeitschrift „Cochrane Database of Systematic Reviews“ erscheint. Darin bewerten Expert:innen, wie sich die Besteuerung von zuckergesüßten Getränken auf deren Konsum, die Gesamtenergieaufnahme der Bevölkerung und das Auftreten von Übergewicht und ernährungsbedingten Erkrankungen auswirkt. „Diese wissenschaftliche Grundlage werden wir in unsere Positionierung bezüglich einer möglichen Einführung einer Zuckersteuer in Deutschland einbeziehen“, teilt eine BMEL-Sprecherin auf Anfrage der Lebensmittelzeitung am 6. Mai 2022 mit.

Ergänzend zur noch unveröffentlichten Cochrane-Analyse hat die DANK-Studie den Effekt der britischen, verpflichtenden Softdrink-Abgabe mit der freiwilligen Zuckerreduktion in Deutschland verglichen.