Transgenerationelle Epigenetik: Der Schrecken und sein Erbe

Der Horror des Krieges hinterlässt tiefe Spuren in der Psyche traumatisierter Menschen – und beeinflusst wohl auch die Gesundheit der Nachkommen. Was wird dabei genau vererbt? Und wie kann man es therapieren?

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Ein kleiner Junge mit gestreiftem T-Shirt und kurzen dunklen Haaren schaut mit traurigen großen braunen Augen direkt in die Kamera.

Die Maus hat Angst. Forschende reichern ihre Atemluft mit Kohlendioxid an oder erwärmen den Boden. All das geschieht in einem Maß, das gewöhnlichen Mäusen wenig ausmachen würde. Aber diese Labormaus ist anders. Sie ist überempfindlich und reagiert panisch. Damit verhält sie sich wie eine Gruppe weiterer Versuchstiere – und ist zugleich systematisch verschieden von einer Kontrollgruppe.

Soweit scheint das ein gewöhnliches verhaltensbiologisches Experiment zu sein. Kurios ist aber, dass die auffällige Gruppe und die Kontrollgruppe gleich aufgewachsen sind und unter identischen Bedingungen leben. Woher stammt dann bloß der Unterschied? Selbst die direkten Vorfahren aller Versuchstiere wurden gleich behandelt. Nur bei den Großvätern findet sich ein Unterschied: Diese mussten sich bei der einen Gruppe als Jungtiere vier Tage hintereinander täglich an ein neues fremdes Muttertier gewöhnen. Für die Mäuse ein vergleichsweise sanftes, aber offenbar nachhaltiges Trauma.

Umwelteinflüsse wirken über Generationsgrenzen hinweg

Doch kann es wirklich sein, dass dieses Ereignis noch zwei Generationen später nachwirkt? Ist es möglich, dass eine Maus besonders ängstlich ist, weil ihr Urahn in früher Jugend schlimme Erfahrungen machen musste? Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Studien, die exakt diesen Zusammenhang nahelegen. Eine wachsende Zahl von Therapierenden möchte Menschen sogar von den Traumata der Vorfahren befreien. Dabei ist umstritten, ob die Erkenntnisse auf uns übertragbar sind, wie man die Effekte misst und vor allem: wie man sie – sofern existent – systematisch und erfolgreich behandeln kann.

Zeichnung einer Maus im Hochlabyrinth
Verhaltensforschende testen den Mut von Mäusen in einem kreuzförmigen Hochlabyrinth. Die von Natur aus neugierigen Tiere sollen dabei auch über die offenen Abschnitte laufen. In solchen und ähnlichen Tests verhalten sich traumatisierte Tiere sowie deren Nachkommen oft auffällig.

Es ist denkbar, dass auch die Folgen einer Trauma-Exposition von Menschen an ihre Kinder oder sogar Enkelkinder weitergegeben werden.

Isabelle Mansuy

Die Vererbung von erworbenen Merkmalen bei Säugetieren ist ein höchst umstrittenes Thema

Bernhard Horsthemke und Adrian Bird

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