Kommt jetzt ein Nationalpark für die Vjosa in Albanien?

Nach der Eröffnung des Vjosa Research Centers sprachen sich Präsident und Premier für den Schutz des einzigartigen Wildflusses aus. Wie ist dies angesichts der laufenden Kraftwerksplanungen einzuschätzen?

vom Recherche-Kollektiv Flussreporter:
20 Minuten
Breites Tal mit viel Schotter, dazwischen schlängelt sich ein Fluss, rechts ein grün bewachsener Berg, im Hintergrund ein großer Berg.

Am 25. September wurde in der Kleinstadt Tepelena in Albanien das „Vjosa Research Center Fritz Schiemer“ eröffnet, an dem Wissenschaftler*innen und Student*innen aus Albanien und anderen Ländern diesen europaweit einzigartigen Wildfluss und seine Nebenflüsse erforschen können sollen. Der albanische Staatspräsident Ilir Meta hat sich aus diesem Anlass gegen die geplanten Kraftwerke und für die Errrichtung eines Nationalparks ausgesprochen. Ist die Vjosa also gerettet? Ulrich Eichelmann von der Naturschutzorganisation Riverwatch, der seit fast zehn Jahren für die Rettung dieses Flusses kämpft, ist skeptisch, aber nicht ohne Hoffnung.

Der letzte wilde Fluss Europas ist in Gefahr

Die Vjosa ist einer der letzten wilden Flüsse Europas. Sie entspringt als Aoos im Epirus im Nordwesten Griechenlands, fließt frei durch wunderschöne Schluchten und Täler, hat reich mäandrierende Abschnitte und breite Schotterbänke und mündet nach 270 Kilometern in Albanien in die Adria. Auch fast alle ihre Nebenflüsse sind frei fließend und intakt und bilden ein einzigartiges Netzwerk von Flüssen und Bächen mit reichhaltigem Leben. Dieses Naturerbe ist jedoch durch den geplanten Bau von etwa 40 Wasserkraftprojekten bedroht, die das gesamte Ökosystem gefährden. Aktuell in Planung ist der 45 Meter hohe Staudamm bei Kalivaç in Albanien. Die Wasserkraftprojekte würden ein gesamtes Wassereinzugsgebiete in eine Kette von Stauseen verwandeln und damit das Fluss-Kontinuum und die Funktionen der biologischen Vielfalt unterbrechen.

Interview mit dem Landschaftsökologen Ulrich Eichelmann, dem CEO der Naturschutzorganisation Riverwatch

Der 1961 in Deutschland geborene und seit 30 Jahren in Wien lebende Landschaftsökologe Ulrich Eichelmann setzt sich seit seiner Jugend für den Schutz von Flüssen ein. Von 1991 bis 2007 arbeitete er für die Naturschutzorganisation WWF Österreich als Experte für Fließgewässer und war damit auch für die Gründung des Nationalpark Donau-Auen östlich von Wien mitverantwortlich. Dann machte er sich selbstständig und koordinierte die Kampagne gegen den Bau des Ilisu-Staudamms am Tigris in der Türkei, an dem sich Deutschland, Österreich und die Schweiz beteiligen wollten. Die drei Staaten, die europäischen Banken und die meisten der europäischen Baufirmen zogen sich später aus dem Projekt zurück. Der Staudamm wurde trotzdem gebaut und das Kraftwerk im Mai dieses Jahres in Betrieb genommen. 2012 gründete Ulrich Eichelmann die Naturschutzorganisation Riverwatch, die gemeinsam mit der deutschen Stiftung EuroNatur und weiteren Organisationen die Kampagne „Save the Blue Heart of Europe“ zum Schutz der Flüsse am Balkan durchführt. Seit fast zehn Jahren setzt er sich speziell für den Erhalt der Vjosa in Albanien ein.

Ein Mann mit etwas längeren grauen Haaren und in dunkelgrauem Hemd lacht und fotografiert mit seinem Mobiltelefon.
Ulrich Eichelmann, CEO von Riverwatch, bei der Eröffnung des Vjosa Research Center.
Zwei Männer ziehen mit einer Schnur ein Stück roten Stoff von der Aufschrift eines Gebäudes und freuen sich. Ein dritter Mann schaut zu, ein vierter Mann fotografiert.
Fritz Schiemer (2.v.l.) war bei der Eröffnungsfeier überrascht, dass das Vjosa Research Center seinen Namen trägt. Staatspräsident Ilir Meta (3.v.l.) freut sich.
Mann mit grauen Haaren in einem T-Shirt und Hemd steht auf einem Hügel, im Hintergrund sieht man den breiten Fluss und Berge.
Der österreichische Limnologe Fritz Schiemer von der Universität Wien koordiniert seit Jahren die Forschungsaktivitäten an der Vjosa.
Eine Gruppe von Menschen steht mit einem Transparent am Flussufer. Darauf steht: „Scientists for Vjosa“.
Wissenschaftler aus Albanien, Österreich und anderen Ländern erforschen die Vjosa und setzen sich für ihren Schutz ein.
Menschen in Schwimmwesten und Helmen am Flussufer, in der Mitte der Präsident im Hemd.
Der albanische Staatspräsident Ilir Meta (Mitte mit mintfarbenem Hemd) sprach sich am 25. September an der Vjosa für deren Schutz und gegen Staudämme aus.
Tweet von Premier Edi Rama auf Albanisch.
Tweet von Premier Edi Rama zur Vjosa.
Eine größere Gruppe Menschen mit Kajaks und Schlauchbooten stehen rund um die aus weißen Tüchern gelegte Schrift Vjosa no dams“.
Die Vjosa soll frei bleiben, fordern Naturschutzorganisationen, Wissenschaftler und der Großteil der lokalen Bevölkerung.
Fluss mit terrassierten Hängen links und rechts.
Für das erste, abgebrochene Staudamm-Projekt bei Kalivaç wurden Terrassen in die Hänge links und rechts des Flusses geschlagen, die heute noch sichtbar sind.
Spitze eines Schlauchboots auf dem Fluss, dahinter Wasser und Berge.
Wenn die Vjosa und ihre Zuflüsse zum Nationalpark erklärt würden, könnte das viele Besucher anziehen und Einkommen für die lokale Bevölkerung schaffen.
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