Klimaschutz+ Stiftung: Mit wenigen Cents die Welt verändern
Wie maximiert man mit Klimaschutz den Gewinn für das Gemeinwohl? Je mehr Menschen wenige Cents täglich beisteuern, so das Credo der Klimaschutz+ Stiftung, desto besser können große Ziele wie der Klimaschutz und die Armutsbekämpfung gemeinsam vorangebracht werden. Aufbauend auf dieser Idee entwickelten Heidelberger Schüler und Bürger ein Mikro-Investitionskonzept, das gemeinnütziges Engagement mit Teilhabe belohnt. Christiane Schulzki-Haddouti sprach darüber mit Peter Kolbe von der Klimaschutz+ Stiftung.
Die Geschichte der Klimaschutz+ Stiftung ist eine heimliche Erfolgsgeschichte. Zu den Kernprojekten der Klimaschutz+ Stiftung gehört das ClimateFair-Projekt, über das KlimaSocial berichtete. Hier kann jeder die Umweltkosten seiner Fahrten und Reisen berechnen und den Betrag in einen lokalen Bürgerfonds seiner Wahl stiften. Im November wird das RENN-Netzwerk dafür der Klimaschutz+ Stiftung und dem Klima-Bündnis den Preis für das „Projekt Nachhaltigkeit 2018" verleihen.
Die Stiftung verwaltet neben einem allgemeinen Stiftungstopf bereits 29 lokale Bürgerfonds „für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung“ in Städten wie Aachen, Berlin, Cottbus oder Heidelberg. Über die Hälfte dieser Bürgerfonds wurden allein im Jahr 2018 neu eingerichtet. Inzwischen sind fast 5.000 Stifter mit an Bord, die Zustiftungsmittel betragen rund 375.000 Euro, die in nachhaltige Projekte vor Ort, aber auch weltweit eingebracht werden können.
Wie die Mittel verwendet werden, entscheiden die Stifter in einer jährlichen Abstimmung. Alle Mitstifter, egal ob Bürger, Unternehmen und Kommune, können hierfür ihre Stimme abgeben. Diese Art der Teilhabe ist sehr ungewöhnlich. Die Details sind aber noch ungewöhnlicher:
Ein Cent als Zukunftsinvestition mit politischer Botschaft
Die politische Idee hinter der Gründung der Klimaschutz+ Stiftung ist schnell erzählt. Mitgründer Peter Kolbe, der hauptberuflich Energieberater einer regionalen Klimaschutz- und Energieberatungsagentur ist, begleitete als Tutor die Mitglieder des Schüler-Friedens-Büros 2008 zum Welttreffen der Friedensnobelpreisträger in Rom. Auf dem Rückweg sinnierte eine der Schülerinnen: „Die drei Ziele Klimaschutz, Armutsbekämpfung sowie Frieden und Abrüstung haben eines gemeinsam: Diese Aufgaben können nur in globaler Solidarität gelöst werden. Wir sollten etwas finden, wie wir allen Zielen gleichermaßen dienen können."
Auf die Frage, wie viel denn jeder in diesen Wandel investieren soll, sagte ein anderer Schüler, dass „uns jedes Ziel mindestens einen Cent pro Tag wert sein sollte – und sei es auch nur als Zeichen, dass uns diese Ziele nicht egal sind". Peter Kolbe fand die Idee einleuchtend, dass viele Menschen zusammen in bewusster globaler Solidarität jeweils einen kleinen oder größeren Beitrag in eine gemeinsame Kasse einbringen – und damit gemeinsam Großes bewirken können. „Das war für mich der Schlüssel zu sagen: Das find‘ ich gut, da bin ich dabei", erzählt Peter Kolbe.
Vor dem Hintergrund des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) entstand die Idee, mit dem Geld die erneuerbaren Energien auszubauen. In einem zweiten Schritt werden dann die mit den Investitionen erzielten Gewinne aber „nicht in die eigene Tasche gesteckt", wie Peter Kolbe sagt, sondern Projekte gefördert, die sich „in gemeinnütziger Weise" für das Erreichen der drei Ziele Klimaschutz, Armutsbekämpfung und Frieden engagieren.
„Der Clou ist, dass damit nicht nur die Energieträger gewendet werden, sondern dass zugleich ein Impuls zur Veränderung der Wirtschaft gegeben wird. Weg von einer Wirtschaft, die den privaten Gewinninteressen der Investoren zu dienen hat, und hin zu einer Wirtschaft, die der Verbesserung des Gemeinwohls dient."
Die Verbrauchsstiftung als nachhaltige Organisationsform
Das Kernteam aus Schülern der damaligen Gruppe und weitere an der Idee Interessierte begann sich Ende 2008 Gedanken über geeignete Organisationsstrukturen zu machen. „Wir sahen, dass viele Gründer eines Social-Business-Projektes vielfach ungenau wurden, wenn es darum ging, die Verwendung der Unternehmensgewinne festzulegen“, erzählt Peter Kolbe. „Wenn ich aber einfach in die Werkzeugkiste vorhandener Unternehmensformen greife, passiert es schnell, dass ich zu einem bestätigenden Teil des nicht nachhaltigen Wirtschaftssystems werde, das ich ja eigentlich ändern will.“ Die Frage sei daher stets, ob das gewählte Werkzeug geeignet ist, eine nachhaltige Gesellschaft zu gestalten. Nötigenfalls müsse man eben eine neue Gussform gestalten, um ein passendes Werkzeug zur Verfügung zu haben.
Das Team entschied sich schließlich für die Kombination eines eingetragenen gemeinnützigen Vereins und einer Energiegenossenschaft. Der Verein agiert dabei als „Verbrauchsstiftung“, die über die Zeit von 20 Jahren die erzielten Erträge und das eingebrachte Stiftungskapital ausschüttet und sich damit ständig selbst „zerstört", wie Kolbe erklärt: „Statt immer mehr Kapital anzuhäufen und damit gleichzeitig dem sozialen und ökologischen Zweck zu entziehen, haben wir auf diese Weise einen doppelten Mehrwert erreicht: Zum einen wird das Stiftungskapital unmittelbar zur Lösung der gesetzten Aufgaben eingesetzt, zum anderen ist eine soziale Kontrollfunktion eingebaut."
Verspielt die Stiftung das Vertrauen der Bürger und Bürgerinnen und werden deshalb keine neuen Mittel mehr zugestiftet, muss das vorhandene Kapital noch über weitere 20 Jahre an Förderprojekte ausgeschüttet und die Stiftung aufgelöst werden. „Kern des Stiftungsansatzes ist es, die notwendige Organisations- und Verwaltungsarbeit in effizienter Weise zu zentralisieren, aber die Macht über das Geld zu dezentralisieren" erklärt Kolbe.
Es gibt deshalb keinen Stiftungsrat, der zentral entscheidet, was gefördert wird. Alle Stifter und Stifterinnen entscheiden seit 2010 jährlich gemeinsam über die Auswahl der Förderprojekte. Jeder Stifter hat das Recht, Projekte zur Förderung vorzuschlagen. Von Mitte November bis Mitte Dezember können alle Mitstifter ihre Stimme zur Online-Wahl der Förderprojekte abgeben. Dabei gilt „ein Stifter eine Stimme", unabhängig von der Höhe der eingebrachten Stiftungsmittel.
Weil die Klimaschutzstiftung bisher schlicht aus Kapazitätsmangel keine professionelle Pressearbeit macht, beruht ihr heutiger Bekanntheitsgrad allein auf Mund-zu-Mund-Propaganda. Das ist vielleicht der Grund dafür, dass die geförderten Projekte im Moment nur aus bestimmten Regionen in Deutschland kommen. „Unsere Ratgeber im Stiftungsbeirat haben uns daher auch aufgetragen zu überlegen, wie wir Mittel für die eigene Arbeit zur Verfügung stellen können, um solche Probleme zu beheben", erzählt Kolbe freimütig.
Nachhaltigere Wege des Geldflusses bei der ökologischen Stromerzeugung
Zum einen können Bürger direkt in einen lokalen Bürgerfonds zustiften, der von der Klimaschutz+ Stiftung verwaltet wird. Zum anderen entwickelt das Stiftungsteam neue Instrumente, mit denen Bürger einen transformativen Beitrag leisten und zugleich Teilhaber an einem lokalen Bürgerfonds werden können. Ein Beispiel dafür ist das Projekt Ökostromplus bzw. Solidarstrom.
„Als wir uns mit dem Thema Ökostrom befasst haben, wurde uns klar, dass es nicht genügt, danach zu fragen, ob mit dem Geld der Kunden neue Kraftwerke gebaut werden. Ebenso legitim und wichtig ist die Frage, in wessen Taschen das Geld der Bürger landet, das diese über den Energiewendeaufpreis auf ihren Strompreis zum Bau neuer Ökostromanlagen zur Verfügung stellen. Am fairsten wäre es doch wenn dieses Geld nicht Eigentum des Stromanbieters und seiner Gesellschafter würde, sondern dem Gemeinwohl übereignet und zu dessen Förderung eingesetzt werden würde.“
Der erste Impuls bestand darin, einfach selbst einen entsprechenden Ökostromanbieter zu gründen. Doch die Idee über Kooperationen statt über Konkurrenz vorhandene Strukturen zu verändern, überzeugte das Stiftungsteam mehr. Nach einer Analyse der Ökostromanbieter fand die Stiftung mit der EWS Schönau den geeigneten Kooperationspartner: Der im Strompreis des dafür entwickelten Ökostrom+-Angebots enthaltene Sonnencent geht an einen lokalen Bürgerfonds, der von der Klimaschutz+ Stiftung treuhänderisch verwaltet wird. 2015 folgte mit Schriesheimer Ökostrom+ das erste lokale Ökostrom+ Angebot, 2016 nahmen Ökostrom+ Edingen-Neckarhausen und Bremer Solidarstrom sowie 2017 der Heidelberger Solidarstrom die Arbeit auf.
Das Anfang 2015 von der Klimaschutz+ Stiftung gestartete Projekt Climatefair2Go wiederum will zum Klimaschutz beitragen, indem es Cafékunden einlädt, sich selbst den kleinen Luxus zu gönnen, ihren Kaffee vor Ort entschleunigt und umweltfreundlich aus einer schönen Porzellantasse zu genießen. Wer sich diese Zeit nicht nehmen kann, ist eingeladen einen Mehrwegbecher zu nutzen, oder wenn es denn der Einwegbecher sein muss, die Umweltkosten des Bechers zu übernehmen Den Betrag von zehn Cent pro Einwegbecher leitet das Cafe zugunsten des jeweiligen lokalen Bürgerfonds an die Klimaschutz+ Stiftung weiter, die ihn in den Ausbau von erneuerbaren Energien investiert.
Inzwischen machen rund 90 Bäckereifilialen sowie einzelne Cafés im Landkreis Heilbronn und Heidelberg mit – wie auch das Studierendenwerk in Konstanz. Die Erträge werden eingesammelt und prozentual auf die einzelnen Bürgerfonds aufgeteilt. „Damit werden Risiken und Gewinne solidarisch geteilt“, erklärt Peter Kolbe.
„Es gibt für uns kein ,Muss‘ aber ein ,Man kann es anders machen‘. Wir wollen niemanden überzeugen, sondern einladen: Denn überzeugen würde ja voraussetzen, dass ich es besser weiß und mich über den anderen stelle. Wenn wir hingegen mit der entsprechenden inneren Haltung einladen, bleiben wir offen dafür, dass vielleicht eine Rückmeldung zu einer Frage kommt, an die wir noch gar nicht gedacht haben. Je offener eine Situation ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie kritische Elemente wahrnehmen und integrieren kann. Und das erhöht die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg, wobei ebenso wichtig, gleichzeitig ein anderes Miteinander-Sein entsteht.“
Es ist zentral für das Konzept der Klimastiftung und ihrer Bürgerfonds, dass die investierten Gelder der Förderung des Gemeinwohls verbunden bleiben. Gewinnausschüttungen werden daher immer Projekten zukommen, die sich dem Klimaschutz beziehungsweise der „Großen Transformation" verschrieben haben: „Statt neuen Gesellschaftsmodellen, die aber erst funktionieren, wenn alle mitmachen“, betont Peter Kolbe, „geht es uns darum, innerhalb des vorhandenen Systems transformative Impulse zu setzen, die zeigen, dass bereits heute Formen des Wirtschaftens und der Lebensgestaltung möglich sind, die zur Transformation beitragen – hin zu einer Welt, in der allen Menschen in gleichberechtigter Weise ‚gutes Leben’ möglich ist, ohne die natürlichen Ressourcen zu übernutzen und das Klima irreversibel zu schädigen." Deshalb sind Kolbe und seine Mitstreiter überzeugt, dass man das, „was wir im Energiebereich machen, auch in vielen anderen Wirtschaftsbereichen umsetzen kann.“
Lesetipps
ClimateFair-Projekt der Klimaschutz+Stiftung, KlimaSocial, 31.7.2018