Dicke Luft im Fahrradparadies

Wie Amsterdams Verantwortliche in vielen kleinen Schritten Autos mit Verbrennungsmotor aus der City vertreiben

vom Recherche-Kollektiv Busy Streets:
7 Minuten
Radfahrer und Fußgänger gehen in Amsterdam über eine stark befahrene Kreuzung

Busy Streets – Auf neuen Wegen in die Stadt der Zukunft

Rushhour am Bahnhof Amsterdam. Auf dem breiten Radweg der Kaistraße „De Ruijterkade“ schwirren Pendler im Pulk auf Fahrrädern, Rollern und winzigen E-Autos dicht aneinander vorbei. Wer im Norden der Stadt arbeitet, biegt hier am Bahnhof mit seinem Rad direkt auf eine der kostenlosen Fähren ab; wer ins Zentrum will, fährt in die entgegengesetzte Richtung durch den weiten hellen Fahrradtunnel Richtung Innenstadt und wer mit dem Zug weiter muss, sperrt sein Rad in einem von tausenden Stellplätzen auf den schwimmenden Parkdecks ab, die hier Fietsplatform heißen.

Die 11.000 Stellplätze rund um den Bahnhof reichen immer öfter nicht aus. Obwohl die Amsterdamer Stadtverwaltung ihre Radinfrastruktur seit Jahrzehnten permanent ausbaut, wird es langsam eng im Fahrradparadies. Der Platz wird knapp – zum Fahren und zum Parken. Immer mehr Fußgänger, Autofahrer und Radfahrer müssen sich die Straßen teilen und auch die Luft wird immer schlechter. Jetzt sucht die Stadt neue Wege, um den Autoverkehr auf den Straßen zu reduzieren und noch mehr Menschen aufs Rad zu bringen. Eine wichtige Rolle spielt dabei Katelijne Boerma, die Fahrradbürgermeisterin von Amsterdam.

„Amsterdam ist natürlich eine Fahrradstadt, aber auch hier wohnen sehr viele Menschen, die nicht Radfahren“, sagt Katelijne Boerma. die hauptberuflich Sportwissenschaften an der Hogeschool van Amsterdam unterrichtet. Die Dozentin will sie alle in den Sattel bekommen. Dabei baut sie auf die jüngere Generation. „Wenn die Kinder unbedingt Radfahren wollen, machen die Eltern automatisch mit“, sagt sie. „Wir brauchen Kinder und Jugendliche, die in ihrer Schule fürs Radfahren werben.“ Mit dieser Idee wurde sie 2017 Fahrradbürgermeisterin in Amsterdam. Den Job hat damals die Nichtregierungs-Organisation BYCS vergeben, die unter anderem das weltweite Fahrrad-Bürgermeisterprogramm (Bicycle Majors) initiiert hat. Deren Mitglieder wollen, dass bis 2030 in jeder Stadt weltweit 50 Prozent aller Fahrten mit dem Fahrrad durchgeführt werden.

In Amsterdam erledigen die Stadtbewohner inzwischen 36 Prozent ihrer Fahrten mit dem Rad – im Zentrum sind es sogar um die 50 Prozent. Aber da gehe noch was, findet die Fahrradbürgermeisterin „Immer mehr Eltern bringen ihre Kinder mit dem Auto zur Schule“, stellt sie fest. Obwohl die Grundschulen in der Stadt nur maximal anderthalb Kilometer vom Wohnort entfernt sind. Die Strecken könnten die Kinder locker zu Fuß gehen oder radeln, findet Katelijne Boerma . „Aber die Straßen sind so überfüllt, dass Eltern es nicht sicher finden, wenn ihre Kinder alleine fahren“.

Das hat einen Grund: Amsterdam wächst rasant. Die niederländische Metropole ist zwar im internationalen Vergleich mit ihren rund 850.000 Einwohnern relativ klein, aber sie erlebt seit Mitte der 80er Jahre einen regelrechten Boom. 1985 lebten in der Stadt an der Amstel gerade mal 680.000 Menschen. Vor sechs Jahren waren es 800.000. Seitdem sind weitere 50.000 neue Bewohner dazu gekommen und im Westen der Stadt beginnt bald der Bau von 50.000 bis 70.000 neuen Wohnungen. „Die Menschen, die dort hin ziehen, können nicht alle ihr Auto mitbringen“, sagt Katelijne Boerma.

Vor dem Bahnhof verläuft ein Radweg, der von zahlreichen Fahrradfahrern frequentiert wird.
Hier am Bahnhof biegen einige der Radfahrer ...
Hinter zahlreichen abgestiegenen Radfahrern sind Boote zu sehen.
... direkt auf die Fähren in den Norden der Stadt ab
Eine riesige Fahrradabstellanlage am Bahnhof unter blauem Himmel. Menschen laufen vorbei.
Rund 11.000 Stellplätze gibt es rund um den Bahnhof.
Am Hafen dockt ein Schiff an, das beladen mit Fahrrädern ist.
Der Platz ist knapp in Amsterdam. Deshalb gibt es auch Stellplätze für Fahrräder auf Schwimmpontons
Zweistöckige Fahrradabstellplätze aus der Froschperspektive.
So werden die Räder platzsparend am Bahnhof geparkt
Ein kleines rotes E-Auto steht an einer Ladestation. Im Hintergrund sind Menschen zu sehen.
Diese kleinen E-Autos dürfen in den Niederlanden auch auf den Radwegen fahren
Eine Frau fährt mit Fahrrad auf einem Steg am Wasser. Im Hintergrund sind Hochhäuser zu erkennen.
Katelijne Boerma ist Amsterdams Fahrradbürgermeisterin
An einer Gracht sind viele Menschen bei sonnigem Wetter unterwegs.
Bummeln entlang der Gracht. Zukünftig sollen Fußgänger und Radfahrer sollen noch mehr Platz in Amsterdam bekommen
Zwischen Häusern und PKW-Parkplätzen stehen zwei LKW hintereinander halb auf Radwegen.
In den schmalen Straßen verursachen Falschparker schnell Staus
Ein schwarzes E-Auto steht auf einem Parkplatz an einer Ladestation.
Entlang der Gracht gibt es viele Ladestationen für E-Auto.
Blick von einer Brücke auf eine Gracht in Amsterdam, an der beidseitig Autos parken.
In den kommenden Jahren sollen bis zu 10.000 Parkplätze im Zentrum entfernt werden