„Zug entfällt“ – Warum Bahnansagen oft für Frust sorgen und wie es besser gehen könnte

Die Erwartung vieler Bahnkunden, bei Verspätungen schnell und individuell von Mitarbeitenden beraten zu werden, ist nicht zu erfüllen. Trotzdem könnte die Deutsche Bahn in ihrer Kommunikation einiges besser machen. Eine Mobilitätskolumne

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Ein voller Bahnsteig am Hauptbahnhof Frankfurt/Main. Die Anzeige weist auf Zugausfälle und Fahrplanänderungen hin. Die Reisenden müssten aber wissen, wie es für sie weitergeht.

Ein typisches Beispiel an einem x-beliebigen Bahnhof: Der Bahnsteig ist voll, in fünf Minuten soll der Zug einfahren. Plötzlich wird auf der Anzeige ein neues Gleis angezeigt. Die ersten Zuggäste laufen los, andere schauen sich um, fragende Gesichter. Hektisch setzt sich die Menge in Bewegung, schiebt sich den Bahnsteig entlang, Treppe runter, Treppe rauf, in der Hoffnung, den Zug noch zu erwischen, der dann zur Überraschung aller mit ein oder zwei Wagen weniger fährt. Und wo ist jetzt ein freier Sitzplatz?

Die Deutsche Bahn hat viele Probleme: Ihr fehlt Personal und Geld, das Schienennetz ist marode, im ersten Halbjahr 2024 kamen nur 63 Prozent der Fernzüge ohne größere Verzögerungen am Ziel an. Entsprechend genervt reagieren die Kunden. Aber ist der große Bahnfrust auch Folge schlechter Kommunikation? Hätten Zuggäste mehr Verständnis für Störungen im komplexen Zugverkehr, wenn sie frühzeitig, ausreichend, verständlich und nutzbringend informiert würden?

Wie funktioniert gute Kommunikation?

Der Philosoph Herbert Paul Grice formulierte Mitte der 1970er Jahre vier sogenannte Konversationsmaxime, die für einen rationalen Austausch von Informationen wichtig sind: Quantität („Mache einen Gesprächsbeitrag so informativ wie nötig“), Qualität („Versuche deinen Gesprächsbeitrag so zu gestalten, dass er wahr ist“), Relation („Sei relevant“) und Modalität („Sei klar: vermeide Mehrdeutigkeit, Ungeordnetheit, Unklarheiten“). Wenn Fahrgäste nur erfahren, dass ihr Zug „leider entfällt“, falsche Bahngleise angegeben werden, Ansagen viel zu spät erfolgen oder die Aussagen verwirrend sind, ist dieser Informationsaustausch gestört – und der Frust entsprechend groß.

Warum ärgern wir uns über schlechte Ansagen?

Verspätete, verwirrende oder fehlende Informationen schränken die eigenen Handlungsmöglichkeiten ein. Man schafft den Umstieg nicht rechtzeitig oder weiß schlicht nicht, wohin man gehen muss, um den nächsten Zug zu bekommen. „Solche Eingriffe in die Autonomie werden in einer zunehmend individualisierten Gesellschaft immer weniger hingenommen“, sagt Felix Krebber, Professor für Unternehmenskommunikation an der Hochschule Pforzheim. Was die Kunden erwarten: Frühzeitige Informationen, die ihnen konkret weiterhelfen.

Dafür könnten die Konversationsmaximen von Grice helfen. Nina Janich, Professorin für Angewandte Linguistik an der Technischen Universität Darmstadt, hat sie für die Ansagen der Deutschen Bahn konkretisiert: Die Informationen sollten so informativ wie für die augenblicklich Situation nötig, aber nicht überfrachtet sein. Sie müssten stimmig und zuverlässig sein, eine konkrete Handlungsanweisung geben, frühzeitig erfolgen, deutlich und verständlich sein und in einem logischen Zusammenhang stehen. Mit derartigen Informationen wüssten die Kundïnnen besser, wie sie sich bei Verspätungen, Gleisänderungen und fehlenden Zugteilen verhalten können – und wären weniger gestresst.

Nicht nur die Bahn, sondern wir alle sind dafür verantwortlich, dass eine Zugfahrt gut funktioniert.

Felix Krebber, Professor für Unternehmenskommunikation, Hochschule Pforzheim

Schimpfen auf die Bahn ist Volkssport

Wären die Kunden damit besänftigt, und könnte die Deutsche Bahn auf diese Weise ihr Image verbessern? So einfach ist es nicht. „Die Deutsche Bahn wird aktuell auch für sehr viele Dinge verantwortlich gemacht, für die sie absolut nichts kann“, sagt Krebber, der selbst viel Zug fährt. Schuld an maroden Strecken seien die Vorgängerregierungen, die zu wenig investiert hätten, nicht das Unternehmen. Als Quasi-Monopolist werde die Deutsche Bahn für jegliche Panne im Zugverkehr beschimpft – auch wenn die Züge anderer Unternehmen Probleme machen. Und schließlich ist es geradezu Volkssport geworden, auf die Deutsche Bahn zu schimpfen – Klicks und Likes garantiert.

Bei all der berechtigten Kritik übersieht man dabei leicht, dass sich die Kommunikation der Deutschen Bahn an vielen Stellen deutlich verbessert hat. Ruppige Kontrolleure, die im Befehlston die Fahrscheine verlangen, sind heute Seltenheit. Das Unternehmen versucht zumindest, Verspätungen zu erklären. Und an einigen Bahnhöfen seien wieder vermehrt Mitarbeitende mit roten Westen unterwegs, um Reisenden zu helfen, so Krebber: „Aber die Erwartung vieler Bahnreisender, bei einer Verspätung möglichst schnell und möglichst individuell von einem Mitarbeiter beraten zu werden, ist in einem Zug mit 600 Menschen schlicht nicht zu erfüllen.“

Was laut Krebber fehlt, ist die Vermittlung von Basiswissen zum Bahnfahren: Wo lässt sich das Gepäck am besten verstauen? In welchem Zugbereich findet man eher freie Sitzplätze? Welche Angebote gibt es für großes Gepäck? Und wie funktioniert das Ein- und Aussteigen für alle möglichst reibungslos? „Zugfahren ist eine Kulturtechnik, für die man Hintergrundwissen braucht, das bisher kaum vermittelt wird“, kritisiert er. Das zu ändern, wäre seiner Meinung nach ein Weg zu weniger Bahn-Frust. Denn: „Nicht nur die Bahn, sondern wir alle sind dafür verantwortlich, dass eine Zugfahrt gut funktioniert.“

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