Das Merkel-Lexikon: Von Telefon über Tiere und Trump bis TV-Duelle

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Ihr Markenzeichen ist die Raute: Angela Merkel

Telefon

Das Telefon ist für Merkel unverzichtbarer Bestandteil ihrer Regierungsarbeit. Wohl auch deshalb ist es für ausländische Geheimdienste ein begehrtes Abhörziel. Allerdings hatte die Kanzlerin schon vorher des Öfteren bemerkt, dass sie ohnehin damit rechne, dass es keine wirklich geheime Kommunikation über das Telefon gebe. Im Verdacht hatte sie aber wohl eher Russen und Chinesen. Anfangs sei Merkel relativ lässig mit ihrem Handy umgegangen, sagen Mitarbeiter – vor allem weil sie sehr viel über Textnachrichten (SMS) kommuniziert, für die es lange Zeit keine Verschlüsselungsmöglichkeit gab. Merkel ist eine sehr intensive SMS-Schreiberin und hatte zu Beginn ihrer Amtszeit als Kanzlerin beklagt, dass die Kontakte sehr viel seltener wurden, weil selbst Unions-Fraktionschef Volker Kauder keine SMS mehr schickte. Dies habe sich dann aber schnell wieder eingespielt.[1] Dennoch ist der Kreis derer, die Merkels Nummer haben und mit ihr auf diesem Weg kommunizieren, sehr begrenzt. „Vielleicht so 100. Aber ich bin sehr restriktiv“, sagte sie im Juni 2017.[2]

Sie hat heute ein abhörsicheres Krypto-Handy. Als CDU-Vorsitzende besaß sie eine eigene Rufnummer, damit Partei- und Regierungsangelegenheiten möglichst voneinander getrennt wurden.[3] Übrigens hat sie nicht die Handynummer von US-Präsident Donald Trump, dafür aber von einigen EU-Regierungschefs. „Aber die nutze ich eher, wenn jemand Geburtstag hat“, sagte sie im August 2017.[4]

Grundsätzlich gibt es drei Wege, auf denen Merkel Telefonate etwa mit ausländischen Regierungschefs führt. Die ersten werden über das normale Netz geführt. Die Berater beider Seiten übermitteln den Gesprächswunsch der einen Seite und klären die Gesprächsbereitschaft der anderen Seite ab. Dann wird ein Termin gesucht. Zu dem entsprechenden Zeitpunkt schaltet das Lagezentrum des Kanzleramtes die Verbindung, die Mitarbeiter der Kanzlerin kommen in deren Büro. Merkel liegt ein entsprechender Sprechzettel mit Informationen für das Gespräch vor, den ihre Berater ihr geschrieben haben. Befindet sich Merkel gar nicht in Berlin, werden die Berater telefonisch zugeschaltet – etwa im Urlaub der Kanzlerin. Das Mithören wird als wichtig für den weiteren Verlauf angesehen: Denn Verabredungen müssen nach den Telefonaten umgesetzt werden. Formelle Mitschriften gibt es aber nur selten – schon weil dadurch die Gefahr steigt, dass sie später in irgendwelchen Medien landen.

Handelt sich es um besonders wichtige Telefonate, werden diese über besonders gesicherte und verschlüsselte Leitungen geführt. Diese gibt es für einige wenige Länder und Gesprächspartner. Die USA und Frankreich gehören dazu. Einige wenige Vertraute ruft Merkel auch direkt mit ihrem Handy an. Wer dazu gehört, darüber wird eisernes Stillschweigen gewahrt. Die Zahl dieser Telefonate ist aber begrenzt, weil die Kanzlerin selbst Interesse daran hat, dass Mitarbeiter gerade bei Absprachen mit europäischen oder internationalen Gesprächspartnern eingeweiht sind. Wirklich vertrauliche Absprachen über innenpolitische Themen finden ohnehin persönlich statt.

Es gibt mit Videokonferenzen einen weiteren Weg der Gespräche mit anderen Staats- und Regierungschefs, der meist für multilaterale Absprachen genutzt wird. Dies betrifft etwa Gespräche mit US-Präsident Barack Obama, Frankreichs Präsident François Hollande und dem britischen Ministerpräsidenten David Cameron.

In der Liste der häufigsten ausländischen Gesprächspartner gibt es eine Spitzengruppe, zu der in letzter Zeit etwa EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EU-Ratspräsident Donald Tusk, der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras und der frühere türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu gehörten. Auf dem Höhepunkt der Ukraine-Krise gab es Dutzende Telefonate mit Poroschenko und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, teilweise zusammen mit Hollande.

Immer wieder greift Merkel aber auch zum Telefon, um Parteifreunde auf unteren Ebenen direkt anzurufen. Diese sind dann überrascht, dass plötzlich die Bundeskanzlerin persönlich am Apparat ist und diskutieren will, etwa über kritische Briefe. Manchmal dringt dies an die Öffentlichkeit, wie etwa bei der Vorsitzenden des CDU-Stadtverbandes Leimen, Brigitte Steinle, im Jahr 2011. 30 Minuten habe man diskutiert, „ohne Dünkel und übertriebe Amtswürde“, sagte diese. Einig wurde man sich trotzdem nicht, weil Steinle den Atomausstieg, die Euro-Rettung und die mangelnde Beachtung des ‚C‘ in der CDU kritisiert habe.[5]

Merkel ringt aber durchaus mit der Verbreitung der Smartphones – nicht nur, weil dies den Wunsch nach Selfies mit der Kanzlerin massiv erhöht hat. Jugendliche aus G20-Ländern fragt sie, ob für diese die virtuelle Welt eigentlich mittlerweile wichtiger als die reale sei. „Wenn man mit jemanden spricht, ist es ja heute so: Wenn man eine message bekommt, beendet man erst die message, bevor man sich wieder der Person zuwendet, mit der man gesprochen hat“, sagte Merkel.[6] Und sie bedauert, dass die sms seltener wird. „Mein Verständnismedium ist die SMS“, betonte sie noch im Juni 2017. Aber sie werde langsam einsamer, weil viele andere diese nicht mehr nutzten.[7]

Als sie von einem Kind gefragt wurde, welches Handy sie denn habe, zögerte Merkel erst mit der Bemerkung „Man soll nicht drüber reden“ – um sich dann doch zu ihrem Blackberry zu bekennen. „Ist aber nicht das modernste, das man haben kann“, fügte sie hinzu.[8]

  • [1] Vgl. Roll, Die Kanzlerin, S. 379.
  • [2] Merkel bei Brigitte-Veranstaltung in Berlin, 26. Juni 2017.,
  • [3] Merkel bei der Brigitte-Veranstaltung in Berlin, 26. Juni 2017.
  • [4] Interview mit „Dein Spiegel“, Heft 9/2017.
  • [5] Vgl. Nikolai Fichtner, Hier spricht Angela Merkel, Financial Times Deutschland, 15. September 2011.
  • [6] Merkel bei einer Diskussion mit Jugendlichen aus G20-Länder im Kanzleramt, 7. Juni 2017.
  • [7] Merkel bei der Brigitte-Veranstaltung in Berlin, 26. Juni 2016.
  • [8] Merkel auf einer von der CDU organisierten Kinder-Pressekonferenz, 17. September 2017.