Das Merkel-Lexikon: Von Zahlen über Zonenwachtel bis Zukunft

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Die Hände von Kanzlerin Merkel, zur Raute geformt.

Zahlen

Zahlen sind Dreh- und Angelpunkte im Merkel’schen Universum. Für die Physikerin sind sie ein extrem wichtiges Mittel, um die Welt um sich herum zu verstehen und zu erklären: Sie studiert gerne Grafiken, die Zinssätze, Börsenentwicklungen oder BIP-Zahlen zeigen. Zahlen bringen zudem Rationalität in eine Debatte, entemotionalisieren diese. „Wo sind denn meine geliebten Tabellen?“, fragt sie häufiger – und zeigt manchmal auch mitreisenden Journalisten im Flugzeug Charts, die etwa über einen langen Zeitraum die Entwicklung der sogenannten Spreads (s. Spreads) für Staatsanleihen der Euro-Länder zeigen – also die Risikoaufschläge, die Investoren für die einzelnen Länder verlangen.

Einer ihrer Klassiker war eine Übersicht über den staatlichen Gesamtschuldenstand von zwölf ausgewählten westlichen Ländern aus dem Jahr 2010, die mit einer Projektion bis 2036 auf einen Blick zeigte, wieso Griechenland andere Probleme hat als alle anderen Euro-Länder. Im Jahr 2013 trug sie mantrahaft die Zahlen 7–25–50 vor. Diese Zahlen stammen nicht etwa aus der Kabbala, der jüdischen Zahlenmystik, sondern sind Teil ihrer Überzeugung, dass Europa wettbewerbsfähiger werden muss:

Die EU stelle nur sieben Prozent der Weltbevölkerung und 25 Prozent des Bruttosozialproduktes, gebe aber 50 Prozent der Sozialausgaben der gesamten Welt aus, sagte sie etwa auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Dieser Dreisatz diente nicht etwa als Begründung, die Sozialausgaben zu begrenzen, sondern als Mahnung: Wenn man dieses Niveau halten wolle, dann müsse man dafür sorgen, dass man wirtschaftlich leistungsfähig bleibe.[1] Merkel wiederholte diese Zahlenkombination später in sehr vielen Reden, auch bei jedem Auftritt im Bundestagswahlkampf 2013. Der Economist sorgte dafür, dass die Zahlen unter der Überschrift „The Merkel-Plan“ international bekannt wurden.[2]

  • [1] Merkel-Rede, Weltwirtschaftsforum in Davos, 24. Januar 2013.
  • [2] The Merkel-Plan, Economist, 5. Juni 2013