Werbung für fossile Brennstoffe – Den Haag zeigt: Es geht auch ohne

Keine Werbung für Öl, Gas, Verbrennerfahrzeuge, Kreuzfahrten oder Flugreisen. Den Haag verbietet Werbung für fossile Brennstoffe. Ist das auch ein Modell für deutsche Städte?

vom Recherche-Kollektiv Klima & Wandel:
3 Minuten
Halbtotale: Ein ernsthafter, selbstbewusster, rothaariger Mann in bedrucktem Hemd, macht mit Händen eine Stop-Geste. Fotografiert vor isoliertem orangefarbenem Hintergrund.

Den Haag ist die erste Stadt der Welt, die ein umfassendes Verbot von Werbung für fossile Brennstoffe beschlossen hat. Benzinautos, Flugreisen und Kreuzfahrtschiffe – alles, was das Klima massiv schädigt, soll ab 1. Januar 2025 nicht mehr auf bunten Plakaten oder freistehenden Werbebildschirmen attraktiv dargestellt werden. Der Stadtrat der drittgrößten Stadt der Niederlande stimmte am 12. September für die neuen Regeln für die Außenwerbung.

„Wir hoffen wirklich, einen Schneeballeffekt auszulösen, damit die lokalen Regierungen die Initiative ergreifen können, wenn ihre nationalen Regierungen nicht das Notwendige tun“, sagte Leonie Gerritsen, Stadträtin der Tierschutz- und Grünenpartei PvdD, die das Verbot in der Den Haager Stadtrat vorgeschlagen hatte. Das sende ein „wichtiges Signal“, sagte sie. Den Haag hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 kohlendioxidneutral zu werden. Die Niederlande plant, bis 2050 CO₂-neutral zu sein.

Leonie Gerritsen liegt mit ihrer Initiative auf einer Linie mit UN-Generalsekretär António Guterres. Er hatte in einer leidenschaftlichen Rede im Juni ein weltweites Werbeverbot für Öl-, Gas- und Kohleunternehmen nach dem Vorbild der Tabakindustrie gefordert. Guterres bezeichnet diese Unternehmen als „Paten des Klimachaos“.

Schneeballeffekt gegen fossile Werbung

Die Entscheidung des Rates im niederländischen Verwaltungszentrum und Zentrum des internationalen Rechts ist bedeutsam, da sie im Gegensatz zu anderen Verboten nicht auf Verhandlungen zur Beendigung einzelner Werbeverträge beruht. Sie gilt für öffentliche und private Flächen, wie Werbetafeln und freistehende Bildschirme, und könnte dadurch schwieriger zu kippen sein.

Außerdem könnte das Verbot wirksamer sein als die Bemühungen, die andere Städte in den letzten zwei Jahren unternommen haben, sagten Aktivisten. So wurde die Luftfahrtindustrie - etwa Werbung für Flugreisen - in ähnlichen Verboten in Amsterdam und Edinburgh nicht explizit einbezogen. In beiden Städten sind die Verbote zudem lokal enger gefasst, in Amsterdam sind etwa nur öffentliche Verkehrsmittel und bestimmte Plakatwände betroffen.

Auch ein anderes Werbeverbot für klimaschädliche Produkte sorgte für Schlagzeilen: So untersagte 2024 die niederländische Stadt Haarlem als erste Stadt weltweit die Werbung für Fleischprodukte.

Fossile Werbung weckt vermeintliche Bedürfnisse

Uwe Krüger, Kommunikationsexperte an der Universität Leipzig, sagte zu RiffReporter, Werbung im fossilen Brennstoffsektor steigere den Verkauf emissionsintensiver Produkte, indem sie „vermeintliche Bedürfnisse bei den Verbrauchern weckt“. Er fügte hinzu: „Allein ein Interkontinentalflug, eine Kreuzfahrt oder ein SUV können unser faires CO₂-Budget pro Kopf für ein ganzes Jahr aufbrauchen.“

Unser Konsumverhalten wird auch maßgeblich von dem, was wir im öffentlichen Raum zu sehen bekommen, geprägt. Auf einer kulturellen Metaebene normalisiere die Werbung den Konsum umweltschädlicher Produkte – obwohl wir alle unseren Lifestyle-CO₂-Fußabdruck dringend reduzieren müssten, kritisiert Kommunikationsexperte Krüger den aktuellen Status quo.

Der Kommunikationswissenschaftler hatte im Auftrag der Otto Brenner Stiftung die Studie „Werbung für Klimakiller: Wie TV- und YouTube-Werbung den Medienstaatsvertrag verletzt“ verfasst. Dafür analysierte das Forschungsteam rund 10.000 Werbespots und wertete 52 Stunden Videomaterial der größten deutschen Fernsehsender und von YouTube aus. Die Forschenden schätzten die Klimaschädlichkeit der Produkte ein oder berechneten, sofern möglich, auch den CO₂-Fußabdruck.

Das Ergebnis: Im Fernsehen und auf YouTube wird oft für umweltschädliche Produkte geworben. Jeder dritte Spot präsentiert klimaschädliche Waren und Dienstleistungen.

Deutschland: Werbemarkt im Fernsehen und auf YouTube schadet dem Klima

„Mit dieser enormen Datenbasis können wir die realistische Aussage treffen, dass der deutsche Werbemarkt im Fernsehen und auf YouTube dem Klima schadet“, sagte Co-Autorin Katharina Forstmair. 30,3 Prozent und damit rund 3.000 Spots warben für klimaschädliche Waren und Dienstleistungen. Der Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung, Jupp Le Grand, forderte daher Warnhinweise für klimaschädliche Produkte.

In Deutschland hat bisher keine Stadt oder Gemeinde ein Werbeverbot gegen klimaschädliche Dienstleistungen oder ähnliches ausgesprochen. Das könnte sich jedoch im nächsten Jahr ändern.

Volksbegehren „Hamburg Werbefrei“

Die Volksinitiative „Hamburg Werbefrei“ möchte die Zahl der Werbeanlagen in der Stadt reduzieren sowie digitale Werbeanlagen ganz verbieten. Das Hamburgische Verfassungsgericht hat im September 2024 den Weg für ein Volksbegehren, und einen möglichen späteren Volksentscheid, freigemacht.

Damit das Werberegulierungsgesetz zur Bundestagswahl 2025 zur Abstimmung kommen kann, benötigt „Hamburg Werbefrei“ die Unterstützung von 5 Prozent der Hamburger:innen. Die Sammelphase für die zweite Phase wird voraussichtlich im April/Mai 2025 stattfinden. Die Volksinitiative wird unter anderem unterstützt von mehreren Organisationen wie BUND, NABU Hamburg oder dem Fachverband Fußverkehr Deutschland sowie von Landesverbänden der Parteien Die Linke und der ödp.

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