Grenzschilder sind gestrig, aber beglücken Reisende: Von Sehnsüchten nach Identität im Schengen-Raum

Bin ich länderübergreifend per Fahrrad unterwegs, wirken Staatssymbole wie Schmiermittel für den inneren Antrieb. Welcher ins Stocken gerät, wo weder Wappen noch Flaggen winken.

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Fachwerkfront, in der die Unterseiten der waagrechten, schwarz gestrichenen Holzabstufungen rotgolden unterlegt sind, was im Zusammenspiel die Deutschlandfarben suggeriert.

Herzogenrath, Ende Oktober. Mit gnädiger Herbstsonne im Rücken radle ich die letzten Kilometer meine Route durch fünf Länder. In Spanien vor sechs Tagen gestartet, schimmern jetzt glutrot die Giebel im westlichsten Zipfel der Bundesrepublik. Gleich hat sie mich wieder, meine momentane Heimat namens Deutschland.

Als laut Karte zehn Meter nur fehlen, zerbricht manche Erwartung, heute hochgetrieben im stundenlangen Kurbeln der Pedale. Erwartet habe ich außer Rot auch Streifen von Schwarz und Goldgelb. Aber es gibt kein Grenzschild, nirgends.

Letzter ausländischer Flecken auf meiner Radfernreise ist Kerkrade, das direkt an den Bezirk Köln grenzt. Wo mich allerdings weder Staatswappen noch andere deutsche Insignien begrüßen. Auch wenn ich nationale Zurückhaltung politisch völlig richtig finde: Moralisch fehlt mir eine Art von Flaggen-winkender Anerkennung nach diesem zehrenden Roadtrip.

„IST MIR VÖLLIG WUMME!"

Leserkommentare und deren Einordnung am Beitragsende

„France“, darunter groß das Landstraßen-Tempolimit (80 Stundenkilometer), oder „Belgique“ umrahmt von elf goldenen Sternen auf meiner Ardennen-Traverse: Schimmernder Schilderlack wirkt beim Länderhopping wie Doping auf die Seele, die sich, gleich den Muskeln, auf weiter Reise verausgabt.

Suspektes Eingeständnis: Nach über tausend Kilometern wünsche ich mir eine „staatstragende“ Begrüßung

Ich sehe mich als kosmopolitisch Lebenden und Fühlenden. Statt Holstein, wie gegenwärtig, könnte ich auch in Spaniens Huesca-Provinz Wurzeln schlagen, wo ich vier Tage zuvor die Pyrenäen querte. Aber bin ich nun mal in Deutschland zuhause, will ich nach weiter und anstrengender Reise am liebsten „staatstragend“ begrüßt werden. Ein Geständnis, das mir selbst suspekt vorkommt.

Am Ende einer niederländisch-deutschen Straße hält der Reporter einen Becher mit den Insignien der USA in der Hand, wie er ihn zu mehreren auch auf Radhelm und Rennrad drapiert hat.
Mit US-Tand vor der deutschen Grenze: Die Becher zieht der RadelndeReporter am Ende seiner 5-Länder-Tour aus einem Müllhaufen – ein Ulk, geboren aus Enttäuschung. Denn zwischen Kerkrade und der Region Aachen gibt’s keine Grenz-Insignien, sondern nur ein klotziges niederländisch-deutsches Businesscenter (zu sehen im Hintergrund).
Viel Grün breitet sich vor einem braunen, kastenförmigen Gebäude, das am rechten Bildrand in einem ausladenden metallischen, seinerzeit futuristischen Portal kulminiert.
Das „Eurode Business Center“ hat auf deutscher Seite den netteren „Look“. Als erstes auf einer Staatsgrenze liegende Dienstleistungszentrum in Europa gilt das 2001 eingeweihte EBC als eine Art Feldversuch für grenzüberschreitende Kooperation. Das Foto – in einem Ausschnitt gezeigt – entstand 2007.
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