Mobilitätskolumne: Schöner shoppen in der Friedrichstraße – zwischen Autos und Abgasen

Knapp drei Jahre war ein kleiner Abschnitt der Friedrichstraße in Berlin-Mitte Fußgängerzone und Radweg. Seit dem Sommer fahren dort wieder Autos, Busse und Lkw. Das ist eher nicht wirtschaftlich, aber politisch gewollt.

vom Recherche-Kollektiv Busy Streets:
4 Minuten
Autos parken rechts und links am Fahrbahnrand. Auto fahren auf einem Fahrstreifen in jede Richtung.

Die Friedrichstraße im Frühjahr 2024. Es sind die ersten warmen Sonnentage in der Hauptstadt. Touristenbusse, Transporter und Pkw schieben sich im Schritttempo durch die schmale historische Straße. Es ist laut und riecht nach Abgasen.

Den Regierenden Bürgermeister der Stadt, Kai Wegner, wird das freuen. Fast drei Jahre war der 500 Meter lange Abschnitt zwischen Leipziger und Französischer Straße für Autos gesperrt. Die Rot-Rot-Grüne Vorgängerregierung hatte hier einen Verkehrsversuch durchgeführt, um den Straßenabschnitt langfristig in eine Fußgängerzone umzubauen.

Mehr Platz für Autos in Berlin

Ab 2020 bevölkerten nur noch Fußgängerïnnen und Radfahrerïnnen die schmale Straße. Der Christdemokrat Kai Wegner fand das ungerecht. Er wollte den Autofahrern dieses Stück Straßenraum zurückgeben und ihnen stadtweit möglichst viel Platz zum Fahren und Parken erhalten.

Diese Politik widerspricht dem Berliner Mobilitätsgesetz von 2018. Das Gesetz ist im Rahmen eines Volksentscheids entstanden und sieht den Umbau der Stadt vor. Bus-, Bahn-, Rad- und Fußverkehr sollten bevorzugte Mobilität in der Hauptstadt werden. Wegner dagegen hatte bereits im Wahlkampf versprochen: „Berlin ist für alle da, auch für die Autofahrer.“ Ehrlicher wäre der Slogan gewesen: „Berlin ist für alle da, vor allem für die Autofahrer.“

In Berlin gehört Autos 58 Prozent der Straße

Schließlich ist der Autoverkehr seit Jahrzehnten der Platzhirsch im Berliner Stadtverkehr. Das ist für jeden sichtbar. Wer es aber genau wissen will, kann bei Wegners Parteikollegen Heinrich Strößenreuther nachlesen: Der hat 2014 mit Studierenden ausgerechnet, dass Autos 58 Prozent der Straßen in der Hauptstadt belegen, Radfahrenden stehen gerade mal drei Prozent des Straßenraums zur Verfügung, Fußgängerïnnen 33 Prozent.

Zurück zu Stau, Lärm und Gestank

Das bisschen mehr an Platz für den Rad- und Fußverkehr in der Friedrichstraße hatte Wegners Verkehrssenatorin neun Wochen nach der Wahl einkassiert. Jetzt ist es dort wie 2019: Ein stetiger Strom von Verbrennern schiebt sich von Querstraße zu Querstraße. Rechts und links am Straßenrand parken Autos. Immer wieder ergänzt durch einen Falschparker in zweiter Reihe.

Autofreie Straße provoziert

Das ist keine Besonderheit der Friedrichstraße, sondern Alltag in Städten, also vertraut. Während des Verkehrsversuchs war die schnurgerade Straße dagegen plötzlich leer. Das ist nicht attraktiv. Um dort Zonen zum Verweilen zu schaffen, wurden Stadtmöbel aufgestellt und das Ganze mit Grünpflanzen bestückt. Ein Provisorium, nicht schön, aber ausbaufähig. Einzelhändler, Politiker und Passanten meckerten, machten sich lustig und beschwerten sich über das schlechte Design.

Menschen sitzen in Straßencafés in der Sonne und Radfahrer fahren auf der Fahrbahn an ihnen vorbei
Autofreie Friedrichstraße. Der Verkehrsversuch dauerte fast drei Jahre. Die Rot-Rot-Grüne Regierung wollte den Straßenabschnitt zur Fußgängerzone umbauen.
Ein Streifen in der Fahrbahnmitte ist gelb markiert und mit Grünpflanzen und Sitzmöbeln bestückt.
Den Jungfernstieg in Hamburg dürfen seit 2020 nur noch Busse und Taxen passieren. Die Grünpflanzen und Sitzmöbel in der Mitte der Straße sind ein Provisorium.
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