Bibliotheken und Journalismus haben viel gemeinsam
RiffReporterin Anja Krieger über ihre Woche in der Berliner Stadtbibliothek
Seit 2009 berichtet Anja Krieger als freie Journalistin für deutsch- und englischsprachigen Hörfunk, Zeitungen und Online-Medien. Sie beschäftigt sich intensiv vor allem mit Umweltthemen. Ihr Radio-Feature „Die Entmüllung der Meere“ gewann den UMSICHT-Wissenschaftspreis, das journalistische Kollektiv „Climate News Mosaic“, zu dem sie gehörte, den HostwriterPrize. Anja ist Mitglied bei RiffReporter, der Genossenschaft für freien Journalismus, und war für uns Ende Juni eine Woche als „journalist-in-residence“ in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB).. Hier erzählt sie von ihren Eindrücken und Erfahrungen.
Anja, Du hast Deinen Schreibtisch eine Woche in das Foyer der Berliner Stadtbibliothek direkt hinter dem Berliner Stadtschloss verlegt und als RiffReporterin das Gespräch mit den Besuchern über Journalismus und Deine Themen gesucht. Wie war’s?
Sehr spannend und eindrucksvoll. Ich habe mich selten in so kurzer Zeit mit so unterschiedlichen Menschen austauschen können. Viele von uns leben ja heute in kleineren oder größeren Filterblasen, in denen wir uns mit Leuten umgeben, die ähnlich denken und ticken wie wir. In der Bibliothek war das anders. Da habe ich Menschen aus den verschiedensten Kontexten und mit teilweise sehr konträren politischen Meinungen getroffen – von der öko-sozial bewegten Feministin bis zum AfD-Wähler. Ich habe mit einer ganzen Anzahl von Leuten sehr intensive Gespräche führen können, was für mich ein echter Realitätscheck war: Was halten die Leute von den Medien und der Berichterstattung, welche Themen sind ihnen wichtig, worauf bauen sie in ihrem Weltbild, was haben sie für Fragen und Anregungen an mich als Journalistin?
Was hast Du bei den Gesprächen gelernt?
Dass viele Menschen mittlerweile sehr, sehr skeptisch auf die Medien schauen und wir als Journalistinnen und Journalisten wirklich einer ganz großen Glaubwürdigkeitskrise gegenüber stehen. Für politische Journalisten ist das nichts Neues, aber in meinen Recherchen zu Umwelt und Wissenschaft bin ich dieser ausgeprägten Skepsis bisher nicht so begegnet. Ich wurde zum Beispiel gefragt, ob und wie weit ich als freie Journalistin „gelenkt“ werde. Tatsächlich suche ich mir fast alle Themen selbst aus, und wenn eine Redaktion mich anfragt, überlege ich ganz genau, ob und wie ich das Thema bearbeiten will oder nicht. Ein anderer Besucher war ganz verblüfft, dass wir RiffReporter gar nicht so wirkten wie Journalisten, sondern nahbar und offen. Das zeigt, wie schlecht das Image von Medienvertretern schon ist.
Was können wir dagegen tun?
Ich denke, es ist genau so ein Austausch in öffentlichen Räumen wie dieser Bibliothek, mit dem wir anfangen können. Und natürlich müssen wir auch in den Medienhäusern und Redaktionen das angehen, was guten Journalismus real bedroht: Prekäre Honorare, Zeitmangel, die Kürzung von Ressourcen, von guten Formaten. Wenn sich das immer weiter verschärft, geht das letztlich auf Kosten der Qualität und aller, die sich gut informieren wollen.
Gleichzu Beginn hast Du dich mit den Initiatoren der arabischen Bibliothek Baynatna in der ZLB zusammengesetzt. In eurer Runde saßen Leute aus aller Welt, der Türkei, Schweiz, Deutschland, Syrien. Wie war ihr Blick auf die deutschen Medien?
Sehr, sehr kritisch. Wir haben uns über das Syrienbild in den deutschen Medien ausgetauscht, in dem vor allem Krise und Gewalt dominieren. Gerade aus Sicht der Syrer in der Runde war das, was wir aus ihrem Heimatland zu hören bekommen, lückenhaft, einseitig und problematisch. Syrien ist natürlich auch eine unglaubliche Herausforderung für Reporter, es ist eines der gefährlichsten Länder für Journalisten überhaupt. An unabhängige Informationen zu kommen ist schwer. Für uns hier in Deutschland ist es die andauernde Krise in Syrien, die erstmal Nachrichtenwert hat – auch wegen des Flüchtlingsthemas. Aber die Konzentration auf Krieg und Zerstörung entfernt uns gleichzeitig von dem, was wir mit den Menschen dort gemeinsam haben.
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