Äthiopien: Die Kämpfe in Tigray gehen weiter, Hunger und Angst halten an

Die UN sind wegen der humanitären Lage zutiefst beunruhigt.

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
5 Minuten
Zu sehen ist ein kleines Steingebäude, das äußerlich nicht als Schule zu erkennen ist. Davor stehen einige Menschen - Vertriebene, die in der Schule Sicherheit suchten.

Ende Juni hat der Krieg im nordäthiopischen Tigray eine überraschende Wende genommen: Nach monatelangen Kämpfen zog die äthiopische Regierung unter Premier Abiy Ahmed die äthiopische Armee und die von der Zentralmacht eingesetzte Regionalverwaltung aus Mekelle, der Hauptstadt von Tigray, zurück. Seitdem dringen nur wenige Informationen aus der Krisenregion nach draußen: Internet, Telefonverbindungen und Strom sind massiv gestört. Die Vereinten Nationen sind angesichts der humanitären Lage zutiefst besorgt.

Woldegiorgis Teklay ringt jeden Tag neu um möglichst zuverlässige Informationen. Das ist nicht nur wegen der unterbrochenen Kommunikationswege schwierig, sondern auch, weil der Krieg in Tigray nicht vorbei ist. Wie in jedem bewaffneten Konflikt nutzen alle Konfliktparteien Propaganda als Waffe. Dass die Kämpfe weitergehen und dass die Armee TDF der nun wieder in Tigray herrschen Volksbefreiungsfront TPLF derzeit an einigen Stellen weiter auf dem Vormarsch ist, scheint aus Woldegiorgis Sicht gesichert zu sein. Aber die Zentralregierung in Addis Abeba und ihre Verbündeten, Milizen des an Tigray angrenzenden Bundesstaates Amhara, kündigten eine Offensive an.

Das dürfte die ohnehin katastrophale humanitäre Lage weiter verschärfen. Die Vereinten Nationen sind angesichts der Ernährungssituation jetzt schon extrem besorgt. Nach UN-Angaben hungern in Region mehr als 350.000 Menschen. Der äthiopischen Regierung wird unter anderem vorgeworfen, humanitäre Hilfe zu blockieren.

Machtkampf wird zum Krieg

Der Konflikt war im November zum Krieg eskaliert. Hintergrund waren der Machtkampf zwischen Ministerpräsident Abiy Ahmed und der in Tigray regierenden TPLF. Seitdem wurden tausende Menschen getötet, Hunderttausende vertrieben. Allen Beteiligten werden schwere Verbrechen zur Last gelegt.

Nach Woldegiorgis Informationen erreichten kürzlich 52 LKW des Welternährungsprogramms Mekelle, die Hauptstadt von Tigray. „Das ist eine gute Nachricht“, betont der Journalist. Die schlechte: die Menschen bräuchten viel mehr Hilfe und hatten auf viel mehr Lebensmittel gehofft. Die katastrophale Ernährungslage ist eine Folge des Krieges. Vorräte wurden zerstört, Felder verwüstet. Berichten mehrerer Medien zufolge hinderten äthiopische Soldaten die Bevölkerung daran, ihre Felder zu bestellen. Ganz offensichtlich nutzten sie Hunger als Waffe im Krieg.

Die jetzige Not und die Sorge vor dem Kommenden trübe die Freude der Bevölkerung über die militärischen Teilerfolge der TDF, erzählt Woldegiorgis. Viele Vertriebene blieben weiterhin in ihren Höhlen oder anderen Verstecken. „Bevor sie rauskommen wollen sie sicher sein, dass der Krieg wirklich vorbei ist“, berichtet er. Zu oft hätten sie in den vergangenen Monaten erlebt, wie kurzlebig ein militärischer Sieg sein kann. Nicht nur diejenigen, die schwer erreichbar in ihren Verstecken ausharrten, litten Hunger. „Wir hören von alten Menschen, die zu Hause alleine sterben, weil sie keinen Zugang zu Medikamenten haben, und keinen Zugang zu Essen.“ Auch viele Kinder seien mangelernährt.

Zu sehen ist ein junger Mann, auf einem Stuhl sitzend vor einer Kamera. Der Raum ist dunkel, vom Hintergrund ist wenig zu erkennen.
Der äthiopische Journalist Woldegiorgis Teklay produziert im kenianischen Exil Nachrichten für die Bevölkerung in Tigray.
Die sechs Journalistinnen und Journalisten der Redaktion haben sich in ihrem "Sendestudio" zu einem Gruppenfoto aufgestellt.
Die Redaktion des Online-Portals "Axumite".