KI und Digitalisierung weltweit: Lieber offline oder ganz vorne mit dabei?

Welchen Stellenwert neue Technologien haben, unterscheidet sich von Region zu Region. Sechs Schlaglichter aus aller Welt, zusammengetragen vom Korrespondenten-Netzwerk Weltreporter.net.

vom Recherche-Kollektiv Weltreporter:
4 Minuten
Mehrere modisch gestylte Menschen stehen auf einer Straße, telefonieren oder blicken auf ihr Smartphone.

Der Wirbel, den die chinesische KI „Deepseek“ erzeugt hat, und Elon Musks gescheiterter Versuch, OpenAI zu kaufen, zeigen: Künstliche Intelligenz gilt weltweit als die große zukunftstechnologie. Kein Wunder, denn in unserem Alltag gibt es keinen Bereich, der nicht vom Digitalen durchdrungen ist. 86 Prozent der Weltbevölkerung besitzen ein Smartphone, 7,1 Milliarden Menschen nutzen ein Handy. Aber die Begeisterung für die neuen Technologien ist weltweit nicht überall gleich hoch – und die Nutzung unterscheidet sich.

Griechenland und Spanien: Handyverbot in Schulen

In Südeuropa sieht man die digitale Welt zunehmend kritisch, vor allem im Bildungssektor. In Griechenlands Schulen gilt seit diesem Schuljahr ein strenges Handyverbot: Die Schüler*innen dürfen ihre Handys weder während des Unterrichts noch auf dem Schulhof benutzen, berichtet Korrespondentin Rodothea Seralidou. Bei Verstößen drohen strenge Strafen: Filmt ein Schüler einen anderen mit seinem Handy, droht sogar der Schulausschluss. Damit will die konservative Regierung Mitsotakis vor allem verhindern, dass Minderjährige gegen ihren Willen aufgenommen und die Fotos und Videos dann in den sozialen Netzwerken geteilt werden – oft in Verbindung mit Cyber-Mobbing.

Ein Jugendlicher mit Daunenjacke betritt den Vorhof eines aus Backstein erbauten Schulgebäudes. Rechts an der Mauer klebt ein Schild, auf dem auf katalanisch de Name der Schule und darunter „handyfrei“ steht.
Wie hier in Barcelona erklären sich immer mehr Schulen zur smartphonefreien Zone.

Auch Spanien rudert zurück: In dem Land, das lange zu den europäischen Top Ten in Sachen digitaler Status Quo gehörte, haben neun der 17 autonomen Regionen Smartphones aus den Grundschulen verbannt und die Nutzung in den weiterführenden Schulen stark eingeschränkt. Angestoßen wurde die Bewegung von „Adolescència lliure de mòvil“, einer in Barcelona entstandenen Elterninitiative „für eine handyfreie Jugend“. In nur 18 Monaten schlossen sich spanienweit 30.000 Familien der Bewegung an, so Korrespondentin Julia Macher. Familien sollten darüber nachdenken, ihrem Nachwuchs frühestens mit 16 Jahren ein Smartphone in die Hand zu geben – eine Forderung, die auch ein von der spanischen Regierung eingesetzter Expertenrat teilt.

Offline wird Trend – und Hollywood will Authentizität

Mit ihrer Skepsis sind die Südeuropäer nicht allein. Weltweit rücken die Schattenseiten des Digitalen stärker in den Fokus. Medizin und Psychologie beschäftigen sich mit den Folgen der Online-Suche, die Offline-Bewegung findet immer mehr Anhänger. Weltreporterin Barbara Markert berichtet über den aktuellen Stand der Forschung und hat mit Menschen gesprochen, die den sozialen Medien „adieu“ gesagt haben – nicht nur wegen Elon Musk, Mark Zuckerberg und Co.

Eine junge blonde Frau mit einem schwarzen Top blickt lächelnd in Kamera und hält einer lebensgroßen Oscar-Statue ein Mikrofon mit Deutschlandfunk-Logo vor das Gesicht.
Nicht KI hat Weltreporterin Kerstin Zilm jung gezaubert, das Foto ist von 2004 und authentisch.

Authentizität und „echte Erlebnisse“ sind wieder gefragt – auch in der Traumfabrik Hollywood. Seit bekannt wurde, dass im Oscar-Favoriten Der Brutalist das Ungarisch von Schauspielerin Felicity Jones und Hauptdarsteller Adrien Brody mit künstlicher Intelligenz nachgebessert wurde, hagelt es Kritik. Wenn heute akzeptabel sei, dass KI Akzente und Dialekte „verbessere“, würden vielleicht schon bald auch Schauspielerinnen und Schauspieler überflüssig, so Kritiker. Die Kontroverse könnte dazu führen, dass Mitglieder der Oscar-Academy, die der KI skeptisch gegenüberstehen, sich weigern, dem Film Der Brutalist ihre Stimme zu geben, glaubt Kalifornien-Korrespondentin Kerstin Zilm.

Vereint im Glauben an das Zukunftspotenzial der KI: Kenia und Kalifornien

Aus Kalifornien kommt der größte Teil der KI-Technologie. Daher sind die Bildungseinrichtungen dort offener gegenüber den neuen Anwendungen. Die California State University, ein Netzwerk von 23 vierjährigen Colleges mit über 460.000 Studierenden, hat ein Abkommen mit OpenAI und anderen großen High-Tech-Unternehmen geschlossen. Studierenden und Lehrenden sollen die neuesten KI-Techniken zur Verfügung gestellt werden, unter anderem eine akademische Version von ChatGPT, so Wissenschaftsjournalist Christoph Drösser. Vor allem aber sollen ihnen KI-Qualifikationen vermittelt werden. Ein Hintergedanke der Initiative, an der auch der Gouverneur Gavin Newsom beteiligt ist: junge Menschen weiterzubilden. Denn die Hälfte der heutigen KI-Fachkräfte in Kalifornien stammt aus dem Ausland.

Auf einer Straße sind aufgebrachte junge Menschen zu sehen, die jemandem außerhalb des Bildes etwas zurufen und gestikulieren. Ein weiterer junger Mann filmt sie dabei.
Als die GenZ im Sommer 2024 gegen die kenianische Regierung protestierte, nutzte sie dafür auch KI.

Einige davon dürften auch aus Kenia kommen. Denn die Bevölkerung des ostafrikanischen Staats ist jung und tech-affin und das zeigt sich nicht nur in Schul- und Berufswelt. Künstliche Intelligenz spielt längst auch politisch eine Rolle: Im Sommer 2024 protestierte vor allem die GenZ gegen ein Finanzgesetz, Korruption und Präsident Ruto. Die Protestierenden setzten unter anderem KI ein, um die Massen zu mobilisieren. Sie programmierten beispielsweise Anwendungen, die das umstrittene Gesetz in sämtliche kenianische Sprachen übersetzten, berichtet Afrika-Korrespondentin Bettina Rühl. Die Regierung reagierte mit der Verhaftung von IT-Spezialisten und dem Abschalten des Internets. Derweil bemüht sich die kenianische Regierung um Regeln für die KI. Das zuständige Ministerium hat im April 2024 mit der Entwicklung der nationalen Strategie begonnen. Der Prozess wird voraussichtlich viele Monate dauern.

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