Globale Gesundheit: Wie weiter ohne die USA?

Ein Interview mit dem südafrikanischen HIV-Forscher Salim Abdool Karim

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
9 Minuten
Der Forscher steht neben dem Schriftzug seines Instituts, das eine Aids-Schleife ziert

Es gehörte zu seinen ersten Amtshandlungen: Am 20. Januar hat der frisch vereidigte US-Präsident Donald Trump den Rückzug der USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angekündigt. Er begann die US-Behörde für Internationale Entwicklung (USAID) zu zerschlagen. Und wies mit einer Stop-Work-Order alle Programme des Notfallplans des US-Präsidenten für die Aids-Hilfe (PEPFAR) an, sofort ihre Arbeit einzustellen. Mit ein paar Federstrichen sind Millionen Menschenleben in aller Welt in Gefahr. Daran ändern auch die inzwischen gewährten Ausnahmen nichts.

In afrikanischen Ländern wie Uganda wissen HIV-Patient*innen nicht, ob sie ihre Medikamente weiter erhalten können. Dort sind die Aids-Programme von US-Geldern abhängig, so wie in vielen anderen afrikanischen Ländern. Unabhängiger ist Südafrika, wo mit über acht Millionen die meisten Menschen weltweit mit dem HI-Virus leben. Dort machen PEPFAR-Gelder nach Angaben des Gesundheitsministeriums 17 Prozent des Budgets für HIV-Aids-Programme aus.

Einer der führenden HIV-Forscher des Landes, Professor Salim Abdool Karim, ist ein weltweit anerkannter Experte für Infektionskrankheiten, er sitzt in wissenschaftlichen Beiräten der WHO und leitet das Centre for the Aids Programme of Research in South Africa (Caprisa). Dort werden unter anderem HIV-Impfstoffe erforscht.

Südafrika habe schon andere harte Zeiten durchgemacht, sagt Professor Salim Abdool Karim, als er sich in seinem Büro in Durban an den runden Besprechungstisch setzt. Er hatte schon vor der Vereidigung Trumps vor herben Einschnitten gewarnt.

Waren Sie trotzdem von diesem abrupten Stopp von heute auf morgen überrascht?

Salim Abdool Karim: Seit Trump Version 1, seit seiner ersten Amtszeit, hatte ich eine Idee davon, welche Themen wichtig werden würden. Meine größten Bedenken betrafen die Beteiligung der USA an der Weltgesundheitsorganisation, ihre Unterstützung für die Pandemievorsorge im weiteren Sinne und ob sie ihre Unterstützung für die AIDS-Behandlung in Afrika im Rahmen von PEPFAR fortsetzen würden. Ich hatte gehofft, dass die jetzige Situation nicht eintreten würde, aber die Zeichen standen bereits auf Sturm. Es gab genügend Signale, dass die internationale Hilfe unter Beschuss geraten würde. Und das ist sie nun ja auch.

Welche Auswirkungen haben Trumps Beschlüsse auf die Arbeit in ihrem Institut Caprisa – auf die Forschung, auf Angestellte, auf Impfstudien?

Salim Abdool Karim: Die größte Auswirkung hatte der Arbeitsstopp für PEPFAR. In Südafrika gibt es viele Organisationen, die hohe Summen von PEPFAR erhalten, viele Nichtregierungsorganisationen und Forschungsgruppen. PEPFAR stellt etwa 440 Millionen US-Dollar an Hilfe in Südafrika bereit. Caprisa gehört nicht zu diesen Empfängern. Aber wir hatten zwei Studien laufen, die beide von USAID finanziert wurden, und beide Studien wurden eingestellt. Bei der ersten handelte es sich um eine Impfstoffstudie, mit der wir noch nicht begonnen hatten. Also haben wir die Studie einfach gestoppt.

Hatten Sie bereits Teilnehmer*innen rekrutiert?

Salim Abdool Karim: Nein. Wir waren gerade dabei, den Start der Studie vorzubereiten. Bei der zweiten Studie ging es um eine neue Technologie, die Frauen helfen soll, sich vor HIV zu schützen. Das hat weltweit eine hohe Priorität. 17 Frauen waren bereits angemeldet. Als wir die Mitteilung erhielten, dass diese Studie abgebrochen werden muss, war das sehr besorgniserregend, denn es handelt sich um eine Sicherheitsstudie für ein neues Produkt (einen Vaginalring). Wir müssen die Sicherheit für diese Frauen überwachen. Und damit können wir nicht einfach so aufhören. Das wäre unethisch.

Wir haben also das Produkt entfernt und sichergestellt, dass es allen 17 Teilnehmerinnen gut geht, bevor wir die Studie für sie beendet haben. Diese Nachbeobachtung haben wir selbst finanziert, weil wir zu diesem Zeitpunkt keinen Zugang mehr zu USAID-Mitteln hatten. Aber für uns war es wichtiger, zu tun, was ethisch vertretbar und richtig ist, als auf eine Weisung zu hören und einen Arbeitsstopp zu verhängen, der meiner Meinung nach einfach inakzeptabel war.

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