Kamele: Traditionstiere für die Zukunft

Kein anderes Nutztier der Welt ist so vielfältig, widerstandsfähig, ressourcenschonend und passt sich so gut den veränderten klimatischen Bedingungen unserer Zeit an wie das Kamel. Kein Wunder also, dass die Vereinten Nationen 2024 zum Jahr der Kameliden erklärt haben.

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
12 Minuten
Ein Renn-Dromedar regt seinen Kopf gen Himmel. Auf ihm sitzt sein Reiter in traditioneller Kleidung

Früher haben sie in Karawanen Gewürze von China bis nach Europa und Afrika getragen, sind Menschen aus der ganzen arabisch-islamischen Welt mit ihnen zur Pilgerfahrt nach Mekka gereist, haben Soldaten mit ihnen Grenzen in der tiefsten Wüste überwacht. Und George Lucas hat sich bei ihnen für seine Kampfroboter in Star Wars inspirieren lassen. Unsere heutige Welt wäre ohne sie eine andere. Aber welche Bedeutung haben Dromedare und Kamele in Zeiten von tausenden Langstreckenflügen pro Tag noch? Dienen sie nur dazu, Touristen ein paar Meter den Strand rauf- und runterzutragen? Von wegen!

„Super Tiere für die Zukunft“ seien sie, davon ist Pamela Burger überzeugt. Die kamelbegeisterte Veterinärmedizinerin forscht an der Uni Wien zu Herkunft und Domestizierung der Tiere. Denn kein anderes Nutztier der Welt ist so vielfältig, widerstandsfähig, ressourcenschonend und passt sich so gut den veränderten klimatischen Bedingungen unserer Zeit an wie das Kamel. Und Potenzial in der medizinischen Forschung haben die Kamele und ihre südamerikanischen Verwandten wie Lamas und Alpakas auch. Kein Wunder also, dass die Vereinten Nationen 2024 zum Jahr der Kameliden erklärt haben.

Mehrere hundert Wörter und Beschreibungen gibt es im Arabischen für Dromedare und Kamele, je nach Alter, Fellfarbe, Charakter und Nutzung - viele sind bis heute noch im Gebrauch. Denn in der ganzen Region spielen die Tiere eine große Rolle - wirtschaftlich, aber auch gesellschaftlich und kulturell. Doch ihre Nutzung hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Während sie früher vor allem für den Transport, für die Fleisch- und Wollproduktion genutzt wurden, spielen heute auch Kamelrennen und die Milchproduktion eine Rolle. Vor allem in den Golfstaaten werden die Tiere dafür zunehmend in Intensivhaltung gezüchtet. Doch warum interessieren sich gerade alle für die Tiere?

Einer der Gründe: Kein anderes Nutztier kommt so gut mit den sich wandelnden klimatischen Bedingungen zurecht wie das Dromedar. „Vor etwa zwanzig Jahren sprach man hier noch vom zukünftigen Klimawandel. Jetzt sind wir mitten drin“, erklärt Moufida Atigui vom Institut der Ariden Regionen im südtunesischen Medenine. Parallel dazu sei die Nachfrage nach Dromedarprodukten gestiegen. So sei ein offener Markt erstanden. Eine Chance in der Region, in der es kaum Arbeitsmöglichkeiten gibt, vor allem nicht in der Landwirtschaft. Rinder hätten hier keine Chance, Dromedare schon. Denn die Tiere sind extrem anpassungsfähig.

Mehrere Dromedare, darunter ein Fohlen, gehen durchs Bild
Die Herde des Instituts für Aride Regionen freut sich auf den täglichen Auslauf

Umweltfreundlich und weniger invasiv als andere Nutztiere

Dromedare und Kamele sind aber nicht nur sehr anpassungsfähig, sondern im Vergleich zu anderen Nutztieren auch deutlich umweltfreundlicher. „Um einen Liter Milch zu produzieren, braucht ein Kamel wesentlich weniger Wasser als ein Rind. Und auch die Art, wie ihre Füße mit den Schwielensohlen den Boden berühren, ist wesentlich weniger invasiv als die Klauen oder die Hufe von Rindern oder Pferden“, erklärt die Wiener Forscherin Pamela Burger. Selbst beim Fressen sind sie behutsamer. „Sie reißen nämlich nicht die ganze Pflanze mit den Wurzeln aus, sondern sie fressen nur die Spitzen ab. In ihrem ganzen Verhalten sind sie eigentlich weniger invasiv für ein Ökosystem als die gängigen Rinder, Schafe und Ziegen.“ Studien haben außerdem gezeigt, dass sie deutlich weniger Methangas ausstoßen als Rinder.

Zwei Frauen stehen in einem Labor und blicken lächelnd in die Kamera
Moufida Atigui (r.) und ihre Kollegin Imen Fgiri forschen zu Dromedarmilch
Auf einem Tisch stehen aufgereiht weiße Halbliter-Flaschen aus Plastik mit gelb-roten Etiketten mit arabische Schrift und der Abbildung eines Dromedars
Ziemlich gesund, aber auch ziemlich teuer: die Dromedarmilch
Ein Rennreiter lehnt auf dem Sattel seines weißen Dromedares, das auf dem Boden kniet. Im Hintergrund steht ein ein weiteres, braunes Dromedar, auf dem ebenfalls ein Reiter sitzt.
Die majestätischen Tiere sind perfekt auf das Leben im rauen Wüstenklima angepasst