Die Rohstoff-Offensive: Lateinamerika zerstört seine Umwelt für die Energiewende im Norden

Wirtschaftskrise, Ukraine-Krieg und die Energiewende setzen die letzten Naturparadiese zwischen Anden und Amazonas und die dortige Bevölkerung unter Druck. Doch auch der Widerstand wächst.

vom Recherche-Kollektiv Südamerika+Reporterinnen:
7 Minuten
Ein riesiger Laster auf einer steinigen Abräumhalde gegen den Himmel fotografiert.

Eine „Green Recovery“, einen grünen, umweltfreundlichen Wirtschaftsaufschwung haben die Weltbank und der Weltwährungsfonds im Anschluss an die Pandemie versprochen. Alles sollte besser und nachhaltiger werden. Drei Jahre nach dem Ausbruch von Covid-19 kristallisiert sich ein global sehr differenziertes Bild heraus: Während Europa die Elektromobilität forciert und Lieferketten stärker kontrolliert, autorisiert US-Präsident Joe Biden Erdölbohrungen in Alaska und drängt nordamerikanische Firmen zum Nearshoring, zur Rückverlagerung ihrer Investitionen in den strategischen Einflussbereich der USA. Und Lateinamerika? Mit Ausnahme von Mexiko, das als Freihandelspartner der USA vom Nearshoring profitiert, setzt der Subkontinent in der Hoffnung auf eine rasche, wirtschaftliche Erholung primär auf die Ausbeutung von Rohstoffen – was die Umweltzerstörung rasant beschleunigt und soziale Proteste auslöst.

Parlamente wollen Status von Schutzgebieten aufweichen

In Peru beispielsweise nutzt der Kongress die politischen Wirren für eine Lockerung des Schutzes von indigenen Völkern. Der umstrittene Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Einrichtung von Schutzgebieten für nicht kontaktierte und in freiwilliger Isolation lebende Indigene nicht mehr in die Zuständigkeit der Zentralregierung fällt, sondern bei den Regionalregierungen liegt – die oft von Holzfällern oder der Goldmafia kontrolliert werden. Außerdem soll die Anerkennung neuer Reservate suspendiert und die bereits bestehenden Schutzgebiete überprüft und gegebenenfalls annulliert werden.

So wollen die Politiker den Weg ebnen für eine neue Phase der Rohstoff-Ausbeutung. In den peruanischen Anden lagern immense Vorkommen von Mineralien, die für die Energiewende notwendig sind, von Lithium, Kupfer, Nickel, Kobalt und seltenen Erden wie Scandium. Bergbauminister Oscar Vera rechnet alleine in den kommenden zwei Jahren aufgrund der hohen globalen Nachfrage nach Mineralien mit Neuinvestitionen in Höhe von 6, 9 Milliarden US-Dollar. Doch diese neuen Vorkommen liegen einem Experten zufolge vermutlich vor allem am Ostabhang der Anden, einem ökologisch sensiblen Korridor, der die Andenkordillere mit dem Amazonastiefland verbindet und wo internationale Umweltschutzorganisationen sehr aktiv sind, um Schutzgebiete- und korridore einzurichten. Konflikte sind vorprogrammiert.

Paraguays Senat debattiert derzeit über ein ähnliches Vorhaben. Die Feuchtgebiete des Chaco sollen den Status als Nationalpark verlieren, womit der Bergbau dort erlaubt würde. Die Region ist einer der letzten Zufluchtsorte für seltene Tierarten wie das Chaco-Pekari, die südliche Tigerkatze und das Riesengürteltier. Darüber hinaus leben dort die Ayoreo, die einzige indigene Gruppe außerhalb des Amazonas, die noch einige Gruppen hat, die sich freiwillig in Isolation begeben haben und ausschließlich in und von der Natur leben.

Schneebedeckte Anden im Hintergrund, im Vordergrund die Mine mit vielen LKWs, die winzig wirken.
Mine Rio Blanco in den Anden in Chile, wo der Kupferkonzern Codelco tätig ist.
Im Vordergrund weidende Schafe ganz klein, dahinter eine riesige Mine, die sich in mehreren, roten Gesteinsschichten bis zum Horizont erstreckt.
Goldmine von Yanacocha in der Nähe von Cajamarca in Peru.
Eine weisse Salzwüste, ein dreieckiger Haufen, am Horizont fährt ein alter Bus vorbei.
Der Salzsee von Uyuni in Bolivien beherbergt Lithium, das für E-Auto-Batterien wichtig ist.
Luftbild zeigt eine illegala Goldmine nahe Panguintza/Ecuador
Drohnenaufnahmen, auf denen eine als Kiesgrube deklarierte Goldmine zu sehen ist, zeigen die Zerstörung von Flächen. Mit Quecksilber verunreinigte Abwässer werden ungefiltert in den Fluss geleitet.
Ein Holzhaus, direkt daneben ein schwarzes Ölpipeline-Rohr auf wackeligen Stelzen .
Die Erdölpipelines im ecuadorianischen Regenwald führen mitten durch Siedlungen und Grundstücke wie hier in der Provinz Sucumbíos.
Eine alte Fabrik, dahinter kleine, bunte Häuser, die sich einen kahlen Hang hinauf ziehen.
In La Oroya in Peru hat eine US-amerikanische Bleischmelze über Jahrzehnte hinweg Luft und Boden mit giftigen Emissionen belastet. Dort wächst kein Baum mehr. Die Menschen haben grösstenteils überhöhte Bleiwerte im Blut.
Veraltete, verrostete Industrieanlage bei der Bleischmelze. Im Vordergrund: Maskierte Arbeiter.
Die Metallschmelze von La Oroya in Peru geriet wegen der hohen Blei-Emissionen in die Kritik.
Dramatische Gewitterstimmung, ein greller gelber Bagger vor einem Haufen Steinen, im Hintergrund grüner Wald.
Ein Bagger gräbt ein Flussbett um in Madre de Dios/Peru. Für das Gold wird der Regenwald zerstört und die Flüsse mit Quecksilber vergiftet.
Eine Holzhütte mit blauer Plastikplane umgeben von Sand und einer schmutzigen Wasserpfütze.
Goldwäscher in Madre de Dios /Peru verwandeln den Regenwald in Wüste.
Mehrere Gesteinsschichten in unterschiedlichen Farben, hintereinander aufgereit, erstrecken sich bis zum Horizont.
Blick auf eine vom Staub vernebelte Mine im Tagebergbau in El Espinar/Peru.
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