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Kommt der ehemalige katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont vor ein spanisches Gericht?
Kommt der ehemalige katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont vor ein spanisches Gericht?
Drei Fragen, drei Antworten zum Auslieferungsverfahren
Die spanische Justiz fordert die Auslieferung des ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont. Sie will dem Organisator des illegalen Unabhängigkeitsreferendums wegen Aufruhr und Untreue den Prozess machen. Über die Auslieferung entscheiden muss Italien. Denn dort wurde der Unabhängigkeitsbefürworter, der seit Herbst 2017 in Belgien lebt, letzte Woche verhaftet. Am 4. Oktober hat das italienische Gericht das Verfahren zunächst ausgesetzt, um offene Fragen der Immunität des katalanischen EU-Parlamentariers klären zu lassen. Drei Fragen, drei Antworten zu dem, was passieren könnte, wenn das Verfahren wieder aufgenommen wird.
Wie hoch stehen die Chancen, dass Carles Puigdemont tatsächlich ausgeliefert wird?
Die Meinungen darüber gehen auseinander. Puigdemonts Mitstreiter wurden im Oktober 2019 in Spanien vom Obersten Gerichtshof zu Haftstrafen bis zu 13 Jahren verurteilt. Sie wurden zwar inzwischen begnadigt, aber das Urteil ist weiter rechtskräftig. Juristen wie Jordi Nieva bezweifeln, dass ein regionales Berufungsgericht auf Sardinien sich bei gründlicher Prüfung gegen die Rechtsauffassung des Obersten Gerichts eines ausländischen Staates stellt.
Allerdings ist schon einmal ein Auslieferungsverfahren gegen Carles Puigdemont gescheitert. Im März 2018 war der ehemalige katalanische Regierungspräsident, der sich nach dem illegalen Unabhängigkeitsreferendum im Oktober 2017 ins Ausland abgesetzt hatte, in Deutschland verhaftet worden. Das zuständige Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht prüfte den Fall und war damals nur bereit, Puigdemont wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder auszuliefern, nicht aber wegen der sehr viel schwerwiegenderen Straftaten Rebellion und Aufruhr.
Der Grund: Um einen Beschuldigten innerhalb der EU ausliefern zu können, müssen die Taten in beiden Ländern, in diesem Fall in Deutschland und Spanien, strafbar sein. Das sahen die deutschen Richter nur für das Delikt der Untreue gegeben. Weil Spanien in diesem Fall Puigdemont auch nur wegen Veruntreuung den Prozess hätte machen können, verzichtete das Land damals auf die Auslieferung.
Diesmal wird Puigdemont unter anderem des „Aufruhrs“ beschuldigt. Die italienischen Richter müssen nun darüber entscheiden, ob es einen vergleichbaren Tatbestand im italienischen Strafrecht gibt oder sie ihn gegebenenfalls nur wegen Untreue ausliefern.
Warum kam es überhaupt zur Verhaftung?
Carles Puigdemont war am 23. September auf dem Flughafen in Sardinien verhaftet worden, als er dort an einem Treffen mit sardischen Kommunalpolitikern teilnehmen wollte. Wenige Stunden später wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt. Grundlage der Festnahme war ein internationaler Haftbefehl vom 14. Oktober 2019, ausgestellt vom spanischen Ermittlungsrichter Pablo Llarena.
Allerdings ist dessen Gültigkeit umstritten. Denn der katalanische Ex-Regierungschef ist seit Anfang 2020 EU-Parlamentarier. Die damit verbundene Immunität hat ihm das Europäische Parlament jedoch entzogen. Wegen der unklaren Rechtslage hat der spanische Ermittlungsrichter Pablo Llarena daraufhin die Reichweite des Haftbefehls beim Europäischen Gerichtshof prüfen lassen, ein endgültiger Beschluss steht noch aus. Puigdemonts Anwälte interpretieren, dass durch das laufende Prüfungsverfahren der gesamte Haftbefehl vorübergehend suspendiert sei. Sie berufen sich dabei auf einen Luxemburger Beschluss, der die Aussetzung der Immunität mit der „fehlenden Gefahr einer Verhaftung“ rechtfertigt
Besonders pikant daran: Das Luxemburger Gericht traf diesen Beschluss nach Rücksprache mit dem juristischen Dienst der spanischen Regierung, der „Abogacía del Estado“. Die weisungsgebundene Institution, die im Prozess gegen die Unabhängigkeitsbefürworter als Nebenklägerin auftrat, ging ebenfalls davon aus, dass der Haftbefehl derzeit nicht ausführbar sei.
Die Haltung des Obersten Gerichts Spaniens dagegen ist klar: Der Haftbefehl gegen Carles Puigdemont kann nur von den spanischen Richtern selbst ausgesetzt werden. Das hat Ermittlungsrichter Pablo Llarena aber nicht getan.
Was würde ein Strafverfahren für die Beziehungen zwischen Katalonien und Spanien bedeuten?
Ein Strafverfahren gegen Carles Puigdemont käme der spanischen Regierung sehr ungelegen. Der sozialistische Premier Pedro Sánchez bemüht sich um Dialog mit der katalanischen Regionalregierung. Als Zeichen guten Willens hat er deswegen im Juni die teils zu hohen Haftstrafen verurteilten Separatisten teilweise begnadigt. Ein erneuter Prozess würde weitere Bemühungen um Entspannung empfindlich stören.
Zwar sind auch die Beziehungen zwischen dem spanischen Regierungschef und Puigdemonts Amtsnachfolger Pere Aragonès von der separatistischen, linksrepublikanischen ERC nicht frei von Spannungen. Während Katalonien ein Amnestiegesetz und ein paktiertes Referendum fordert, ist die spanische Regierung nur zu Zugeständnissen bei der Finanzierung und der Ausweitung der Kompetenzen der autonomen Region bereit. Dennoch denkt keine der Parteien daran, vom Verhandlungstisch aufzustehen: Als vertrauensbildende Maßnahme sei der ständige Dialog „unabdingbar“, sagen beide.
Die Gefahr, dass der Konflikt um die Unabhängigkeitsbewegung erneut hochkocht, ist eher gering. Beide großen Pro-Unabhängigkeitsparteien, sowohl Puigdemonts Junts per Catalunya wie auch die eher pragmatische ERC, haben ein erneutes, einseitiges Unabhängigkeitsreferendum für die laufende Legislaturperiode ausgeschlossen.