Simbabwe: Festnahmen, Folter, Entführungen

Ein Interview mit Human Rights Watch über Menschenrechtsverletzungen vor dem SADC-Gipfel in Simbabwes Hauptstadt Harare.

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
3 Minuten
Auf eine Mauer hat jemand Zimbabwe geschrieben. Davor liegt Müll.

Am Wochenende findet in Simbabwes Hauptstadt Harare das Gipfeltreffen der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika, SADC, statt. Simbabwes Präsident Emmerson Mnangagwa, der sich vor einem Jahr bei einer umstrittenen Wahl eine zweite Amtszeit gesichert hatte, soll turnusmäßig den Vorsitz der regionalen Staatengruppe übernehmen. Im Vorfeld versucht sein Regime, alle kritischen Stimmen zum Schweigen zu bringen. Menschenrechtsorganisationen zufolge wurden seit Mitte Juni über 160 Simbabwer*innen festgenommen: Oppositionspolitiker, Vertreter der Zivilgesellschaft, Gewerkschafter, Studenten, Journalisten. Ein Interview von Leonie March mit Idriss Nassah von Human Rights Watch.

In welchem politischen Klima findet diese neue Festnahmewelle in Simbabwe statt?

Idriss Nassah: Seit dem vom Militär unterstützten Putsch im Jahr 2017 hat die Regierung unter Präsident Mnangagwa zahlreiche schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begangen. Gewalt, Einschüchterungen, Schikanen und Unterdrückung richteten sich in erster Linie gegen Vertreter der Zivilgesellschaft und der politischen Opposition. Allein im vergangenen Jahr haben wir diverse Fälle von Aktivisten dokumentiert, die entführt und gefoltert wurden. Das Strafjustizsystem wird als Waffe gegen vermeintliche politische Gegner eingesetzt. Und das erleben wir jetzt gerade wieder, beispielsweise im Fall der über 70 überwiegend jungen Leute, die am 16. Juni in der Hauptstadt Harare festgenommen wurden. Die Behörden haben ihnen Anstiftung zur Gewalt und Ruhestörung vorgeworfen. Dabei hatten sie sich in einem Privathaus getroffen und nur ihr Recht auf eine friedliche Versammlung ausgeübt. Ihre Anwälte haben vor Gericht außerdem ausgesagt, dass ihre Mandanten während der Festnahme und der Untersuchungshaft misshandelt und gefoltert worden sind.

Gewalt gegen politische Gegner ist leider nicht neu in Simbabwe. Auch unter Langzeitpräsident Robert Mugabe gab es massive Menschenrechtsverletzungen. Würden Sie trotzdem sagen, dass wir es hier mit einer neuen Qualität zu tun haben?

Idriss Nassah: Ja. Diese neuen Fälle sind ein Beispiel für eine stetige Verschlechterung der zivilen und politischen Rechte in Simbabwe. Und das, obwohl Präsident Mnangagwa bei seiner Machtübernahme 2017 angekündigt hatte, dass Zimbabwe fundamentale Rechte respektieren werde. Offensichtlich ist das Gegenteil der Fall und es gibt eine Eskalation, eine weitere Einschränkung der Rechte.

Wir haben im vergangenen Jahr zahlreiche Fälle dokumentiert – Entführungen, willkürliche Festnahmen, Folter, zudem Misshandlungen von Oppositionellen, Menschenrechtlern und Aktivisten. Das Regime hat all diese Fälle weder verurteilt noch untersucht oder strafrechtlich verfolgt. Die Opfer sind nicht nur traumatisiert, sie leben auch in ständiger Angst, weil die Täter weiterhin frei herumlaufen. Präsident Mnangagwa zeigt also nicht einmal Respekt für die Verfassung seines eigenen Landes, die beispielsweise Folter verbietet. Seine Regierung setzt stattdessen eine Kultur der Straflosigkeit fort.

Menschenrechtsorganisationen wie Ihre fordern nun eine sofortige und bedingungslose Freilassung. Wie aussichtsreich ist das angesichts eines solchen Regimes und der SADC, deren Vorsitz Mnangagwa jetzt trotz allem übernehmen soll?

Idriss Nassah: Zuerst einmal müssen wir darauf hinweisen, dass Simbabwer*innen ein Verfassungsrecht auf einen friedlichen Protest haben und dass Simbabwe auch international verpflichtet ist, Menschenrechte zu respektieren. Der SADC-Gipfel darf nicht dazu missbraucht werden, Grundrechte weiter einzuschränken, die nach nationalem und internationalem Recht geschützt sind. Die politischen Führer in der Region und die SADC als regionaler Block müssen klar dagegen Stellung beziehen.

Aber bislang sind sie eher stumm geblieben.

Idriss Nassah: Nun ja, nach der Wahl in Simbabwe im August 2023 haben die SADC-Wahlbeobachter einen ziemlich bemerkenswerten Bericht veröffentlicht, nachdem akzeptable Standards für freie, faire und glaubwürdige Wahlen nicht erreicht wurden. Die SADC ist also durchaus dazu fähig, Simbabwe zur Rechenschaft zu ziehen. Ob sie das schon hinter verschlossenen Türen getan haben, wissen wir nicht. Aber wenn das geschehen sein sollte, war es nicht besonders erfolgreich, denn die Menschenrechtsverletzungen haben sogar weiter zugenommen.

In den letzten Tagen haben wir Panzer auf den Straßen von Harare gesehen, ein deutlicher Versuch des Militärs, unbewaffnete Zivilisten einzuschüchtern. Menschen werden willkürlich festgenommen, sitzen ohne Prozess in Haft und bekommen teils keine Möglichkeit, Kaution zu beantragen, obwohl sie dazu das Recht hätten.

Wir fordern von der SADC eine öffentliche Verurteilung dieser Entwicklungen. Sie muss Präsident Mnangagwa als künftigen Vorsitzenden dazu aufrufen, die Menschenrechtslage zu verbessern, demokratische Normen und das geltende Recht zu achten. Ansonsten erweckt sie den Eindruck, als würde sie die derzeitige Festnahmewelle in Simbabwe billigen. Dabei steht auch die Glaubwürdigkeit der SADC-Staaten in Bezug auf die Achtung der Menschenrechte in der Region auf dem Spiel.

Dieses Interview wurde am 14.8.2024 in der Frankfurter Rundschau erstveröffentlicht.

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