Lücken in geplanter EU-Verordnung zum Entwaldungsstopp
Analyse des WWF zeigt: Zentrale Produkte wie Stahl und Mais fehlen auf der Importliste, die Rechte der indigenen Bevölkerung sind nicht im Blick.
Mit einer Verordnung will die Europäische Union durchsetzen, dass nur Produkte und Agrarrohstoffe importiert werden dürfen, mit denen keine Entwaldung verbunden ist. Wenn sie wirksam Abholzung verhindern will, fordert die Naturschutzorganisation WWF, müssen jedoch noch etliche Schlupflöcher geschlossen werden.
Wälder sind wichtige CO2-Senken. Die fortschreitende Entwaldung weltweit zu stoppen, gehört daher zu den Kernelementen eines wirksamen Klimaschutzes. Auf der Weltklimakonferenz COP26 bekannten sich über 140 Staats- und Regierungschefs dazu, bis 2030 den weltweiten Waldverlust zu beenden.
Einfach wird das nicht: Laut einer aktuellen Studie der UN-Organisation FAO ist die Landwirtschaft für fast 90 Prozent der weltweiten Entwaldung verantwortlich. Mit Blick auf den Handel von Rohstoffen wie Soja, Palmöl, Rindfleisch und Holz gehen laut einem Report der Naturschutzorganisation WWF 16 Prozent des Tropenwaldverlustes auf das Konto der Europäischen Union. Die EU gehört damit zu den größten Verursachern der Waldzerstörung. Nur China verursacht mit 25 Prozent noch mehr Schäden
Entscheidend ist daher, dass die neuesten Pläne der Europäischen Union zu einem Entwaldungsstopp keine Lippenbekenntnisse bleiben. Wenige Tage nach der Konferenz in Glasgow hatte die EU-Kommission mit einem neuen Vorschlag zu einer Verordnung über entwaldungsfreie Produkte einen Vorstoß unternommen. Demnach dürfen für Produkte und Agrarrohstoffe, die in die Europäische Union importiert werden, keine Wälder zerstört werden.
Transparenz und Sorgfaltspflichten
Aktuell wird der Vorschlag im EU-Rat der Umweltminister sowie in den Mitgliedstaaten beraten. Aus Sicht des europäischen Handels geht es vor allem darum, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Der Einzelhandelsverband HDE verlangt „obligatorische Sorgfaltspflichten für Unternehmen“, da freiwillige Initiativen nicht ausreichten. Allerdings müsse der Verwaltungsaufwand für kleine und mittlere Unternehmen „minimal“ bleiben.
Unternehmen wie Edeka und der Netto Marken-Discount fordern „gleiche Wettbewerbsbedingungen für nachhaltigere Waren und Produkte“, die importiert werden. Dazu brauche es einen „klaren Rechtsrahmen mit verbindlichen Anforderungen an Sorgfaltspflicht, Transparenz und Rückverfolgbarkeit“. Wie Transparenz so hergestellt werden kann, dass die Verbraucherïnnen wirklich Orientierung erhalten, ist unklar. Zur Verbesserung der Produktinformationen schlägt etwa Odile Bour vom Landeswaldverband Baden-Württemberg vor, einen „virtuellen Wald“ zu modellieren. Als Entscheidungshilfe für Verbraucherïnnen soll er zeigen, wieviel Wald sich in den Produkten verbirgt.
Durchlöcherte Verordnung
Das Gesetz könnte ein wichtiger, vielleicht sogar entscheidender Schritt sein, um eine weltweite Kehrtwende zu erreichen. „Gut gemeint, ist nicht gut gemacht“, mahnt jedoch Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz beim WWF Deutschland, der sich den Vorschlag genauer angesehen hat. Er erwartet „ein kompromisslos starkes Wald- und Ökosystemschutzgesetz ohne Schlupflöcher“. Wenn die Regulierung jetzt nicht stark genug ausgestaltet werde, drohten nach der zahnlosen europäischen Holzhandelsverordnung EUTR „weitere zehn Jahre Stillstand“.
Der WWF sieht in seiner Analyse des Verordnungsentwurfs, die „Klima wandeln“ vorliegt, deutlichen Nachbesserungsbedarf: Zahlreiche Ökosysteme wie Savannenwälder, Graslandschaften, Feucht- und Moorgebiete und Mangroven wurden in den Regelungsvorschlag nicht einbezogen. Auch Produkte wie Stahl, Kautschuk oder Mais fehlen in der Importliste. Überdies müsse auch der Finanzsektor erfasst werden, damit Finanzierungsprogramme und Investitionen keine kontraproduktiven Maßnahmen fördern.
Eindeutige Bestimmungen zum Schutz der Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften fehlen. Dabei bedecken die Territorien der weltweit 476 Millionen Indigenen fast ein Drittel des Planeten. „Von ihrer Mitsprache und Wahrung ihrer Rechte wird der Schutz der Artenvielfalt auf der Erde abhängen“, betont die Anthropologin Ulrike Prinz. Mindestens 36 Prozent der Gebiete wurden als Schlüsselgebiete der biologischen Vielfalt (KBA) eingestuft.
Nachbesserungsbedarf bei Sorgfaltspflichten, Kontrollen und Sanktionen
Der EU-Umweltministerrat muss bei zentralen Regelungen so nachbessern, fordert der WWF, dass eine Durchsetzung der Verordnung realistisch wird: Die Sorgfaltspflicht für Unternehmen etwa sollte so geregelt sein, dass sie rechtlich für die Einhaltung aller Vorschriften verantwortlich sind, unabhängig davon, ob ein Produkt aus einem Herkunftsland mit niedrigem oder hohen Naturzerstörungsrisiko kommt. Nur so könnten Umleitungen über Drittländer vermieden werden. Rohstoffe und Folgeprodukte müssten die gesetzlichen Verpflichtungen erfüllen. Zudem sollten für alle Unternehmen die gleichen Regeln gelten. Im Moment betrifft die Verordnung nur große Händler und Erstinverkehrbringer.
Produktinformationen sollten auf eine Weise transparent und öffentlich sein, so der WWF, dass nicht nur Behörden kontrollieren können. Der Entwurf sieht beispielsweise vor, dass kleine und mittlere Unternehmen nicht öffentlich über ihre Sorgfaltspflichtregelung berichten müssen. Auch die behördlichen Kontrollen müssten deutlich verbessert werden. Dafür sollten die Aufsichtsbehörden die „notwendigen Instrumente und Mittel“ erhalten.
Laut Interpol stammen 10 bis 30 Prozent des weltweit gehandelten Holzes aus illegalen Quellen. Die Umsetzung der seit 2013 geltenden Holzhandelsverordnung EUTR habe gezeigt, so der WWF, dass die europäischen Behörden unzureichend kontrollierten und selbst nachgewiesene Verstöße kaum sanktionierten. So schritt etwa die für die Kontrollen in Deutschland zuständige Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung nicht ein, als das Bundesverteidigungsministerium nachweislich illegales Teak-Holz aus Myanmar in den Segler Gorch Fock einbauen ließ.
Richtig wirksam werde die geplante Gesetzgebung zu entwaldungsfreien Produkten daher erst, „wenn aus der EUTR bekannte Schwächen und Schlupflöcher ausgeräumt und eben nicht beibehalten werden“, mahnt der WWF. Dazu brauche es „eindeutige Definitionen und klare Formulierungen“, die „Mängel und befürchteten Umsetzungsschwächen müssten beseitigt“ werden.