Lebensmittel essen, statt wegschmeißen: So landet zu Hause weniger Essen im Müll!
Man muss keine Superköchin sein, um Lebensmittel zu retten. Drei Profis erklären ihre Strategien gegen Lebensmittelverschwendung.
Jeden Tag landen kiloweise Lebensmittel im Müll. Nicht, weil wir ignorant sind, sondern weil Anreize falsch gesetzt werden und unser Alltag so schnell geworden ist. Wie lässt sich das ändern? Wir haben drei Expertïnnen nach ihren persönlichen Lebensmittelrettungs-Tipps für zu Hause gefragt.
Es ist eine ganz normale Woche. Am Freitag Wochenendeinkauf im Supermarkt: die Tomaten stecken in einer Plastikbox, Biowurst gibt es nur eingeschweißt. Zuhause quillt schon wieder die Wertstofftonne über. Am Montag landet ein Kanten Brot im Müll, hart geworden über das Brötchenfrühstück. Eine halbe Schale geschlagene Sahne vom Nachmittagskuchen, der Rest Reis vom Mittagessen, ein verschimmelter Joghurt hinten im Kühlschrank – weg damit.
In unseren Küchen herrscht das große Wegwerfen: 78 Kilogramm (kg) Verpackungsmüll pro Kopf wurden im Jahr 2020 bei privaten Haushalten eingesammelt. 78 kg Lebensmittel wirft jede und jeder von uns zuhause alljährlich weg. Die Hälfte davon wäre problemlos vermeidbar. Zur Einordnung: Was wir zu Hause wegschmeißen, macht mehr als die Hälfte aller Lebensmittelabfälle in Deutschland aus. 17 Prozent fallen bei der Außer-Haus-Verpflegung in Kantinen und Restaurants an, 15 Prozent bei der Verarbeitung.
Unnötige Verschwendung von Ressourcen
Für all diese Lebensmittel wurden Rohstoffe angebaut, was Flächen, Wasser und Phosphor verbraucht, die Nutztiere fraßen Futter und erzeugten reichlich CO2. Würden die Lebensmittelabfälle in Deutschland halbiert, könnten 6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden, rechneten Wissenschaftlerïnnen aus.
Das alleine hält den Klimawandel nicht auf, ist aber ein weiteres Puzzlestück, um die Emissionen zu drücken. Das Bündnis Lebensmittelrettung fordert gemeinsam mit der Deutschen Umwelthilfe in einem aktuellen Positionspapier von der Bundesregierung entschlossenes Handeln: Verbindliche Reduktionsziele, Rechtssicherheit für lebensmittelrettende Organisationen, außerdem sollte die Weitergabe von Lebensmitteln gefördert werden.
Aber auch jede und jeder von uns kann dazu beitragen, dass weniger Lebensmittel im Müll landen. Man muss keine Superköchin sein, die aus Bananenschalen oder Karottengrün kreative Köstlichkeiten kocht. Viel wichtiger ist, dass wir im Alltag ein neues Bewusstsein für Lebensmittel entwickeln – sie wertschätzen statt sie wegzuwerfen.
Die täglichen Routinen durchbrechen
Überlegter Einkaufen, Lebensmittel richtig lagern, Vorräte im Blick behalten, Reste verwerten – damit ließe sich schon viel gewinnen. Trotzdem gelingt selbst das den meisten von uns nicht besonders gut. Sind wir alle Ignoranten? Sicher nicht.
Da alles immer und überall erhältlich ist und Lebensmittel vergleichsweise günstig sind, haben wir verlernt, planvoll mit ihnen umzugehen. Wir springen nach der Arbeit kurz in den Supermarkt und überlegen dort, was wir abends kochen können. Wochen-Speisepläne schreiben, Vorratshaltung, Restekochen – wer kann das schon? Auch wenn wir bewusst einkaufen, stecken wir ständig in einem Entscheidungsdilemma: Kaufe ich die kleine Portion, wird weniger schlecht, dafür fällt mehr Verpackungsmüll an. Eingeschweißte Wurst hält länger als frisch verpackte, dafür landet wieder Extra-Plastik im Müll.
Es richtig machen zu wollen, ist oft nicht leicht – und das führt leider dazu, dass wir einfach so weiterwursteln wie bisher. Weil das aber auch keine Lösung ist, haben wir drei Expertïnnen nach ihrer Strategie gefragt:
Frank Waskow, Ernährungsexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen:
„Ich finde es nicht richtig, den Verbrauchern die Hauptschuld zuzusprechen. Sie sollen sich gesund und klimafreundlich ernähren, die ganzen Labels im Blick haben, Verpackungen vermeiden und auch noch auf Lebensmittelverschwendung achten. Das überfordert. Beim Thema Lebensmittelabfälle ist mein Tipp: Suchen Sie sich zwei Aspekte raus, die Sie leicht umsetzen können, und fangen Sie an. Wir haben zu Hause zum Beispiel erstmal Inventur gemacht und aufgeschrieben, was im Gefrierschrank liegt. Der war voll, aber keiner hatte den Überblick. Jetzt hängt eine Liste mit allen eingefrorenen Speisen an der Tür. Wenn wir etwas rausnehmen, streichen wir es durch, Neues wird dazugeschrieben. Beim Vorrats- und Kühlschrank machen wir es genauso. So entsteht ganz nebenbei eine Einkaufsliste, und wir müssen nur die Vorräte an frischen Sachen kontrollieren. Einmal in der Woche gibt es bei uns Resteessen. Alles kommt auf den Tisch, wie bei einem Buffet. Die Kinder finden das toll, weil immer etwas dabei ist, das sie mögen.“
Claudia Kay-Rudhardt leitet die Initiative „Wirf mich nicht weg!“ am Umweltzentrum Hollen:
„Der erste Schritt ist zu beobachten, was man häufig wegschmeißt, und sich dafür Lösungen zu überlegen. Bleibt immer ein Schluck Sahne in der Packung, kann man diesen Rest im Eiswürfelbehälter einfrieren und hat gleich etwas für die nächste Suppe. Braucht man nur einen halben Lauch, sollte man den Rest mit kleinschneiden und einfrieren, bevor er schlecht wird. Das spart beim nächsten Kochen Zeit. Aus altem Brot lassen sich Bratlinge oder Nachtische kochen. Ich selbst hatte häufig eine halbe Zitrone übrig, die im Kühlschrank vergammelt ist. Daraus mache jetzt Zitronenzucker: Zitrone schälen mit 100 Gramm Zucker vermischen, kleinmixen, in ein sauberes Glas geben – super zum Backen oder für Salatdressings.“
Simone Abels vom Projekt FoodLabHome, Leuphana Universität Lüneburg:
„Ich weiß, Abfälle sind kein besonders attraktives Thema, trotzdem empfehle ich, sie mal zu wiegen und sich mit unserem Food Waste Tracker ausrechnen zu lassen, wie viel CO2 bei Erzeugung, Verarbeitung, Transport, Lagerung und der Nutzung im Haushalt entsteht. 100 Gramm Brot zum Beispiel entsprechen dem CO2-Ausstoß, der durch den Betrieb einer LED-Lampe für mehr als 24 Stunden entsteht. Man sieht schnell, was die größten Klimasünder sind: Fleisch, Kakao, Kaffee, Tee. Hier lohnt es sich besonders, Abfälle zu vermeiden. Um weniger Lebensmittel wegzuwerfen helfen Portale wie restegourmet.de. Man gibt ein, welche Zutaten im Haus sind, und bekommt passende Rezepte angezeigt. Bei Biogemüse – zum Beispiel Karotten oder Kartoffeln – kann man problemlos die Schale mitessen. Und wenn man Essensreste im Kühlschrank in durchsichtigen Schüsseln aufbewahrt, bleiben sie im Auge und damit im Sinn.“
Mehr lesen:
Die Welthungerhilfe hat „10 Ideen gegen Lebensmittelverschwendung“ zusammengestellt.
Die Verbraucherzentralen informieren ausführlich über Lebensmittelverschwendung, die Umweltwirkungen und Strategien dagegen.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat die Aktion „Zu gut für die Tonne“ ins Leben gerufen.