„Ich teile mit Charles Darwin die Leidenschaft für die Natur“
Mit Sarah Darwin auf den Galapagos-Inseln, der Urururenkelin des Naturforschers
Auf seiner Reise auf den Spuren Alexander von Humboldts durch Kolumbien und Ecuador reiste Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Mitte Februar auch auf die Galapagos-Inseln. Mit dabei in der Delegation: Sarah Catherine Darwin. Die Urururenkelin von Charles Darwin, des Naturforschers, den die Beobachtung der Darwinfinken und der Spottdrosseln auf Galapagos ihn Jahrzehnte später zu seiner Theorie über die Entstehung der Arten inspirierte.
Flugbegleiterin Christiane Habermalz, die als Korrespondentin des Deutschlandfunks an der Reise teilnahm, ist mit Sarah Darwin über den Strand der Insel Seymour Norte gelaufen und hat sich mit ihr über die Bedrohung des Paradieses, die Galapagos-Tomate und den tieferen Sinn von Familiennamen unterhalten.
Christiane Habermalz: Frau Darwin, Sie sind Biologin und haben lange selber auf Galapagos gearbeitet. Womit haben Sie sich hier beschäftigt?
Sarah Catherine Darwin: Ich bin das erste Mal 1995 hierher gekommen, weil ich ein Feldbestimmungsbuch für Pflanzen auf Galapagos illustriert habe. Damals habe ich mehrere Monate hier gelebt, vor allem auf der Hauptinsel Santa Cruz, und habe Pflanzen gezeichnet.
Und sind Sie danach je wieder hier gewesen?
Ja, als ich mit den Illustrationen beschäftigt war, fiel mir eine Tomatenart auf. In den meisten botanischen Büchern über Galapagos war sie als endemische Art aufgeführt. Doch sie sah anders aus als jene, die schon Charles Darwin beschrieben hatte und die nur hier auf den Inseln vorkommt. Und so verbrachte ich die nächsten fünf Jahre damit, Briefe an alle möglichen Leute in der ganzen Welt zu schreiben, um herauszufinden, warum die Galapagos-Tomate, die ich gefunden hatte, so anders aussah als sie den wissenschaftlichen Veröffentlichungen nach aussehen sollte. Daraus wurde schließlich ein sehr schönes Projekt, für das ich mehrere Jahre auf Galapagos forschen konnte.
Das heißt, Sie haben eine neue Galapagos-Tomate entdeckt?
Nein, es stellte sich heraus, dass es sich um eine eingeführte Art handelte. Aber am Ende fanden wir heraus, dass es zwei endemische Tomatenarten und zwei eingeführte gibt. Und wo immer sie zusammen vorkommen, hybridisieren sie auch. Ich weiß nicht, ob Sie gesehen haben, dass hier eine große glänzende schwarze Biene herumfliegt. Die nennt sich die Galapagos-Zimmermannsbiene. Die befruchtet die Tomatenblüten, und wenn sie von Blüte zu Blüte fliegt, dann vermischen sich die Pollen und es kommt zu leichter Hybridisierung.
Ist das ein Problem?
Da wo es geschieht, ja. Es ist ja generell eines der großen Probleme auf Galapagos, dass die Menschen so viele Pflanzen und Tierarten eingeschleppt haben. Hier wird ja auch Landwirtschaft betrieben auf den großen Inseln. Und die Galapagos-Tomate in ihrer wilden Form ist wichtig für das Ökosystem. Die Bienen nutzen den Pollen und die Schildkröten fressen die Früchte. Übrigens essen wir alle immer ein bisschen Galapagos-Tomate mit, wenn wir Tomaten essen. Denn die meisten Zuchtsorten haben ein bisschen Galapagos-DNA in sich. In den 1950er Jahren haben die Wissenschaftler herausgefunden, dass die Tomaten hier ein paar sehr nützliche Eigenschaften haben, zum Beispiel sind sie sehr salztolerant. Und dieses Merkmal wurde in Tomatensorten eingekreuzt, die zum Beispiel in Spanien gut wachsen. Eine andere Eigenschaft, die nur bei einer kleinen Population auf der Insel Santa Cruz vorkam, ermöglicht eine leichtere automatisierte Ernte der Früchte: Wenn die Tomate gepflückt wird, löst sich die Frucht sauber vom Stiel und den grünen Kelchblättern – und auch das wurde für die Zucht genutzt.
Wie fühlt sich das an, als Ururenkelin von Charles Darwin über den Strand von Galapagos zu spazieren? Hat das für Sie eine besondere Bedeutung?
Es ist auf jeden Fall ein sehr lustiges und ganz besonderes Gefühl für mich, nach Galapagos zu kommen mit all dieser Geschichte! Denn ich teile mit Charles Darwin die Leidenschaft für die Natur, wie übrigens viele andere Mitglieder meiner Familie auch. Sie haben ja die Finken eben gesehen, in den Büschen. Die waren damals so unglaublich wichtig für ihn – und sind hier immer noch überall präsent. Diese Insel hier, Seymour Norte, sieht heute sicher nicht viel anders aus als zu seinen Zeiten.
Hat sich Galapagos seitdem nicht stark verändert? Es gibt drei Flughäfen, Touristen, Siedlungen…
Ja, aber als Charles Darwin hier war, hat er auch schon über die Ziegen auf den Inseln geschrieben, die vom Menschen eingeführt wurden. Das hat er bereits wahrgenommen. In mancher Hinsicht haben sich die Verhältnisse heute sogar verbessert, weil wir es geschafft haben, manche der Inseln komplett von eingeführten Säugetieren wie Ratten oder Ziegen zu befreien. Denn die sind bis heute eine große Bedrohung für die einheimischen Pflanzen, für die Vögel und für die Reptilien, deren Eier und Nachwuchs sie fressen. Es gibt Pläne, auch bei den bewohnten Inseln wie etwa Floreana zu erreichen, dass die eingeführten Tiere verschwinden.
Gibt es nicht auch einheimischen Ratten?
Doch, es gibt tatsächlich ein einziges endemisches Nagetier. Ich habe es noch nie gesehen, aber es wird nicht sehr schmeichelhaft Galapagos-Reisratte genannt. Doch diese endemischen Ratten richten keinen Schaden an auf den Inseln, weil sie schon lange hier sind und mit dem Ökosystem im Gleichgewicht leben – anders als die eingeschleppten Ratten, die mit den Booten der Menschen herkamen. Das Besondere an Galapagos ist ja der hohe Anteil an endemischen Arten. Über fünfzig Prozent der Pflanzen auf den Inseln gibt es auf der ganzen Welt nur hier. Wenn wir eine dieser Arten verlieren, ist das ein Riesenverlust für unseren Planeten. Deswegen ist es so wichtig, das empfindliche Gleichgewicht hier zu erhalten. Ich bin eigentlich nicht jemand, der findet, dass alles wie in Aspik konserviert werden muss. Aber Galapagos ist so ein einzigartiger Ort, mit so unglaublich außergewöhnlichen Tieren und Pflanzen, dass es unbedingt bewahrt werden sollte.
Die Galapagos-Inseln gehören ja zu Ecuador – denken Sie, dass das Land einen guten Job macht beim Schutz der Inseln?
Es gibt schon eine klare Priorität, die Inseln zu schützen. Aber der Galapagos-Tourismus ist natürlich auch ein wichtiger Einkommensfaktor für das Land. Es sind viele Studien gemacht worden, um zu sehen, welchen Einfluss die Touristen auf die Inseln haben. Die Touren selbst sind eher nicht so problematisch, es ist immer ein Naturführer dabei, es wird streng darauf geachtet, dass alle auf den Wegen bleiben und sich den Tieren nicht zu sehr nähern. Das ist gut unter Kontrolle. Viel schwerer wiegt das ganze Drumherum des Tourismus: Wie wir hierherkommen, wie wir wieder wegkommen, was wir hier essen und trinken, was mit den Abfällen passiert. Importieren wir alles vom Festland und riskieren wir, dass dabei alle möglichen Insekten, Fliegen, etcetera hierher gelangen, oder bauen wir Gemüse und Obst hier vor Ort an und nehmen in Kauf, dass die Samen sich verbreiten? Die Wissenschaftler versuchen bei alledem die bestmögliche Lösung zu finden. Sie dürfen nicht vergessen, dass hier um die 30.000 Menschen leben. Das sind viele! Und es ist ein sehr gesunder Ort zum Leben. Wer hier wohnt, hat eine längere Lebenserwartung als anderswo.
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