Zu viel Phosphor in der Landschaft: Wie wir besser mit Phosphor haushalten können
Um die Phosphor-Überschüsse zu senken, müssen wir dringend unser Verhalten ändern. Doch bisher gelingt das kaum. Die Wissenschaftlerin Beatrice Garske erforscht Politikinstrumente, die uns dabei helfen können.
Dass zu viel Phosphor die Ostsee und andere Ökosysteme belastet und dass das schwerwiegende Konsequenzen für Wasserqualität und die biologische Vielfalt hat, wissen wir schon sehr lange und inzwischen auch sehr genau. Trotzdem bleiben die Nährstoffeinträge in die Gewässer zu hoch.
Zwar gibt es eine Reihe von Gesetzen und anderen Regelungen, die den Phosphorverbrauch senken sollen. Doch die meisten sind Verbote und Gebote und im kleinteiligen Alltag der Landwirtschaft oft schwer zu überprüfen und durchzusetzen.
Neben diesen ordnungsrechtlichen Mitteln gibt es aber noch andere Instrumente, die zu einem nachhaltigen Phosphor-Management beitragen können und die bisher kaum genutzt werden.
Dr. Beatrice Garske forscht seit vielen Jahren zur Phosphor-Governance, also zu der Frage, wie wir als Gesellschaft mit der wertvollen, aber auch problematischen Ressource Phosphor umgehen sollten. Sie ist Geowissenschaftlerin und Rechtswissenschaftlerin und stellvertretende Leiterin der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik, die Teil des interdisziplinären Leibniz-WissenschaftsCampus Phosphorforschung in Rostock ist.
Frau Garske, dass wir zu viel Phosphor verbrauchen, vor allem in der Landwirtschaft, ist schon lange bekannt, und es gibt auch schon viele Versuche, das Problem über Grenzwerte und andere Beschränkungen in den Griff zu bekommen. Trotzdem schaffen wir es offenbar nicht, unser Verhalten zu ändern. Woran liegt das?
Zum einen ist das System an sich träge. Es bringt ja jeder seine eigenen Interessen mit, die auch ganz legitim sind. Natürlich müssen die Landwirte produzieren und wollen wirtschaftlich sein. Sie müssen viele Auflagen erfüllen und gleichzeitig die Produktion so günstig wie möglich halten. Und sie setzen sich mit ihrer Lobbyarbeit für ihre Interessen ein. Andere Interessen, etwa die der Umweltverbände, werden oft weniger erfolgreich durchgesetzt.
Auf der anderen Seite sind es aber auch ganz grundlegende menschliche Verhaltensweisen, die uns immer wieder ausbremsen. Zum Beispiel ist es für den Einzelnen oft schwer zu überblicken, was das eigene Handeln für Auswirkungen hat. Wenn sich der Effekt erst später oder weiter weg einstellt, also wenn es zum Beispiel erst in der Ostsee ist, dass sich ein Phosphatwert vermindert, dann fühle ich das ja zu Hause nicht. Darum fällt es mir schwer, hier mein Verhalten zu ändern. Mit dem Klima ist es genauso. Es wirken so viele Menschen und Industrien mit, dass das einzelne Handeln oft als gar nicht so wichtig empfunden wird.
Oder die Macht der Gewohnheit, auch so ein typisches Verhalten. Wenn ich immer schon mein Fleisch gegessen habe und da mittags Hunger drauf habe, dann fällt es halt schwer, das einfach zu ändern. Und natürlich es ist immer viel leichter, auf andere zu zeigen, als sich an die eigene Nase zu fassen…
Und dann kommen auch noch so ein paar Natur-Gegebenheiten dazu. Bei der Ostsee zum Beispiel ist es so, dass sich inzwischen im Sediment sehr viel Phosphor abgelagert hat. Das ist auch ein Grund, warum wir nicht sofort etwas von unseren Bemühungen sehen, weil Phosphorverbindungen aus den Sedimenten immer wieder freigesetzt werden können und das Wasser belasten.
Wir Menschen stehen uns also vor allem selbst im Weg. Müssen wir uns mit dieser traurigen Wahrheit abfinden oder gibt es doch noch Möglichkeiten, uns zu einer Änderung unseres Verhaltens zu bewegen?
Doch, doch, die gibt es! Gute Vorbilder zum Beispiel sind sehr wichtig. Wir vergleichen uns ja sehr viel mit anderen. Und auch in der Gemeinschaft können wir viel machen – das Verhalten der anderen prägt uns ja immer mit.
Bei unseren Governance-Vorschlägen versuchen wir außerdem, sehr viel über Preise zu gehen, weil das ein ganz einfaches Instrument ist, um ein verändertes Verhalten zu bewirken.
Das heißt, man macht unerwünschtes Verhalten teurer?
Ja, genau. Und damit erzielt man dann schnell eine Wirkung. Denn ob ich am Ende des Monats mehr im Portemonnaie habe oder weniger, das spüre ich ja ganz unmittelbar. Und Sparen scheint zumindest hierzulande eine gute Motivation zu sein.
Natürlich muss man darauf achten, dass es sozial verträglich bleibt. Es muss sich jeder Nahrungsmittel leisten können. Aber vielleicht nicht unbedingt fünfmal in der Woche Fleisch. Wenn die besonders klima- und umweltschädlichen Lebensmittel teurer werden, dann heißt das nicht, dass Menschen verhungern müssen, sondern dass sich die Ernährung umstellt. Und am Ende ist es ja auch oft gesünder.
Als mögliche Ansatzpunkte für eine Preissteuerung schlagen Sie unter anderem Phosphatgestein vor, also den Rohstoff für viele Mineraldünger, oder Produkte, die aus diesem Rohstoff gewonnen werden. Wie kommen Sie zu Ihren Empfehlungen?
Wir nutzen verschiedene Methoden. Zunächst schauen wir, was aus naturwissenschaftlicher Sicht ein nachhaltiges Phosphor-Management ausmacht, etwa weniger Import von Phosphatdüngern, mehr Recycling und weniger Phosphateinträge in die Gewässer.
Und dann kann man auch ganz theoretisch herangehen. In der Umwelt-Ökonomik ist das schon seit vielen Jahrzehnten üblich, eine Mengensteuerung über Preise zu machen, entweder über Steuern oder über Emissionshandelssysteme. Beides hat am Ende die gleichen Wirkungen. Es macht entweder den Nährstoffeinsatz teurer oder das unerwünschte Verhalten. Und da gibt es ja auch schon Erfahrungen, wenn auch nicht konkret für Phosphor. Eine Klimasteuer zum Beispiel gibt es schon lange. Und ein Emissionshandelssystem für Treibhausgase, den europäischen Emissionshandel, gibt es auch schon lange. Und da kann man eben gucken, was hatte das für Wirkungen und was hatte das auch für Schwächen. Beim Emissionshandel auf EU-Ebene zum Beispiel gab es lange viel zu viele Zertifikate und ganz viele Ausnahmeregelungen, dadurch waren die Preiswirkungen nicht ausreichend.
Und man kann ja auch nur das über den Preis steuern, was überhaupt einen Preis hat.
Das stimmt. Aber bei Phosphor wissen wir sehr genau, dass die Preise durchaus eine Wirkung haben. 2008 zum Beispiel gab es eine starke Preiserhöhung auf dem Weltmarkt, ähnlich wie es auch jetzt gerade passiert. Daraufhin ist der Absatz stark eingebrochen und es wurde viel weniger Phosphatdünger gekauft . Und so schauen wir nach verschiedenen Situationen, in denen entweder durch ganz gezielte Umweltinstrumente oder auch durch sonstige Preiserhöhungen Wirkungen erzielt wurden.
Außerdem schauen wir was menschliches Verhalten betrifft auch auf die Ergebnisse anderer Disziplinen. Zum Beispiel aus teilnehmenden Beobachtungen oder anderen verhaltenswissenschaftlichen Studien, die untersuchen, wie Menschen reagieren und wodurch sie motiviert werden können. Und daher kennen wir dann eben die gängigen Motivationsfaktoren wie Gewohnheiten, Vergleiche mit anderen und auch Bequemlichkeit.
Von den Verhaltenswissenschaften wissen wir auch, dass Wissen gar nicht so eine große Rolle spielt, wie wir immer annehmen. Es wird oft vorgeschlagen, man müsse die Menschen einfach nur genügend aufklären, dann würden sie schon freiwillig aufgrund ihres Wissens ihr Verhalten ändern. Sehr oft ist das aber nicht so.
Das kann man auch daran sehen, dass es seit vielen, vielen Jahren Umweltbildung gibt, aber wir trotzdem nicht viel umweltfreundlicher handeln. Jemand sagte neulich, es wurde noch nie so viel mit schlechtem Gewissen geflogen wie jetzt! Und dabei wissen wir alle, dass Fliegen wirklich klimaschädlich ist. Sie merken, ich springe immer zwischen den Themen Klima, Artenschutz und Phosphor hin und her. Das sind einfach die großen Umweltprobleme, die ja auch alle miteinander verknüpft sind, und von denen man eben auch für Phosphor immer wieder lernen kann.
Wie wählen Sie aus, welche Maßnahme für welche Problemlösung am besten geeignet ist?
Wir brauchen ja immer ein Ziel. Und unsere Ziele sind einerseits die verbindlichen Umweltziele auf globaler Ebene, das Pariser Abkommen fürs Klima zum Beispiel. Wir können am Ende keine Phosphorpolitik machen, die am Klimaziel vorbeischießt oder die den Artenverlust überhaupt nicht berücksichtigt. Denn es gibt ja auch die Biodiversitäts-Konvention als international verbindliches Abkommen, die einfordert, dass der Biodiversitätsverlust gestoppt wird. Das sind die beiden großen Umweltabkommen, die wir immer mit auf dem Schirm haben. Außerdem geben auch die Menschenrechte einen Rahmen vor, bei Phosphor vor allem auch das Recht auf Nahrung für jeden.
Und dann gibt es für Phosphor auch noch ganz konkrete Zielsetzungen, zum Beispiel die Grenzwerte aus der Düngeverordnung. Oder auf EU-Ebene die Wasserqualitätsziele, die auch vorgeben, wieviel Nitrat oder Phosphat in den Gewässern sein darf. Daran orientieren wir uns natürlich auch, wenn wir nach Politikinstrumenten suchen.
Das heißt, die Gesetze sind noch keine Politik?
Die Gesetze geben erst einmal ein Ziel vor. Und wir müssen dann überlegen, mit welchen Instrumenten oder Strategien wir diese Ziele erreichen. Teilweise sind auch die Instrumente schon im Gesetz mit eingebunden, aber meistens sind es einfach Zielsetzungen und dann ist der politische Handlungsspielraum noch da.
Und etwas über den Preis zu regeln ist eben oft effizienter, weil man genau da ansetzen kann, wo es sich lohnt.
Wenn Sie etwa einen Emissionshandel haben – beim Klima ist es immer einfach zu erklären – dann ist es dort am günstigsten, wo leicht Treibhausgasemissionen eingespart werden können, in einer alten Industrie zum Beispiel. Da kann man einfach einen günstigen Filter einbauen und hat einen großen Einspareffekt und womöglich sogar noch Emissionszertifikate, die man verkaufen kann.
Für eine moderne, sehr effiziente Anlage dagegen ist es oft günstiger, Emissionszertifikate zu kaufen, statt noch einen Super-Duper-Hightech-Filter einzubauen. Am Ende sind die Emissionsrechte dann so verteilt, dass dort eingespart wird, wo Einsparungen günstig sind, und dort weiter emittiert wird, wo es teurer wäre, noch mehr einzusparen. Und das ist dann aus gesamtgesellschaftlicher Sicht eine günstigere Lösung, als jeder Anlage den gleichen Wert vorzuschreiben.
Daher ist das mit den Preisen nicht nur vorteilhaft, weil es für jeden einzelnen gut spürbar ist, sondern auch, weil es gesamtgesellschaftlich die günstigste Variante ist. Und weil es sehr flexibel ist. Und damit ist es dann auch eine recht freiheitsfreundliche Variante Umweltziele zu erreichen, weil jeder entscheiden kann, ob er lieber einspart oder lieber das Geld für Zertifikate ausgibt. Und das ist auch wieder ein Ziel, das Politikinstrumente haben sollten: Sie sollen möglichst freiheitsfreundlich sein.
Wird das nicht irgendwann sehr unübersichtlich, wenn man für jedes Problem ein anderes Zertifikat braucht?
Unsere Arbeit hat gezeigt, dass wir mit den ökonomischen Instrumenten, die wir für den Klima- und Biodiversitätsschutz vorschlagen, also ein Emissionsrechtehandel nicht nur für fossile Brennstoffe, sondern auch für tierische Produkte, in Kombination mit einer Flächenbindung der Tierhaltung, also eine Begrenzung der Viehzahlen bezogen auf die Fläche, die ein Betrieb bearbeitet, auch bei den Phosphateinträgen sehr gute Wirkungen erzielen können und nur noch wenige zusätzliche, phosphatspezifische Regelungen bräuchten.
Beim Emissionshandel für das Klima merkt man jetzt, wie Sie auch sagen, dass man noch nicht so richtig die Balance gefunden hat und weiter justieren muss. Halten Sie es denn grundsätzlich für möglich, ein System zu finden, das die tatsächlichen Emissionen wirklich brauchbar abbildet, oder bleibt das immer eine Wunschvorstellung?
Ich bin da noch optimistisch. Wahrscheinlich bin ich auch deshalb in dem Bereich tätig. Nach vielen Jahren ist zwar auch ein bisschen Ernüchterung da. Aber ich glaube schon daran, dass wir die Gemeinsame Agrarpolitik der EU in Sachen Nährstoff-Governance noch ein bisschen umgestellt bekommen. Und dass es da einen Schritt vorwärts geht. Doch, ich denke und hoffe, da gibt es eine gewisse Bewegung, auch wenn viel Geduld gefragt ist und aus Umweltsicht ein viel schnelleres Tempo nötig wäre!
Zum besseren Verständnis haben wir das Gespräch leicht redaktionell bearbeitet und stark gekürzt.
Das Rechercheprojekt Phosphorama wird durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt gefördert. Die DBU nimmt keinerlei Einfluss auf die Inhalte unserer Berichterstattung. Nähere Informationen finden Sie hier.
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