Der Schreckenswolf ist zurück – oder doch nicht?
Sie sind das Vorbild der Schattenwölfe in der Serie Game of Thrones: die vor 13.000 Jahren ausgestorbenen Schreckenswölfe. In den USA hat eine Firma nun verkündet, die Art wiederbelebt zu haben. Die ersten Jungtiere sind bereits ein halbes Jahr alt.

Spätestens seit Jurassic Parc träumen Forscher:innen davon, ausgestorbene Tierarten wiederzubeleben. In manchen Fällen – etwa beim Mammut – könnte es sogar ökologisch Sinn ergeben, wenn die mächtigen Pflanzenfresser wieder den Permafrost festtrampeln. Die Gentechnik dahinter ist äußerst anspruchsvoll, sodass viele Fachleute das Ziel lange für unerreichbar hielten. Doch zuletzt haben neue, gut erhaltene Fossilienfunde und Fortschritte in der Gentechnik die Hoffnung genährt, eines Tages genügend DNA zu rekonstruieren, um die Mammuts zurück ins Leben zu holen.
Ausgestorbene Tierarten sind ein Milliardengeschäft
Auch wirtschaftlich ist das Interesse groß. Die Firma Colossal Biosciences – vielleicht der prominenteste Akteur in der Mammutforschung – hat einen Unternehmenswert im Milliarden-Bereich. Vor kurzem sorgte Colossal für einen kleinen Hype, als die Firma Mäuse mit Mammutfell vorstellte – ein kleiner Baustein auf ihrem Weg, Mammuts zu züchten. Jetzt hat es ein neues Produkt des Unternehmens sogar auf die Titelseite des Time-Magazins geschafft: der Schreckenswolf – oder etwas, das die Firma so bewirbt.
Der Schreckenswolf Aenocyon dirus war etwa ein Viertel größer als heutige Grauwölfe, mit kräftigem Körperbau, breitem Kiefer und dichtem, hellen Fell. Er lebte zehntausende Jahre lang in Nordamerika und starb am Ende der jüngsten Eiszeit vor rund 13.000 Jahren aus. Ursächlich war vermutlich eine Mischung aus der sich wandelnden Umwelt, fehlender Nahrung und der Konkurrenz mit Grauwölfen und Menschen.
Drei Jungtiere hat Colossal erzeugt
Vor wenigen Tagen dann informierte Colossal die Öffentlichkeit: Am 1. Oktober 2024 hatten zwei männliche Jungtiere das Licht der Welt erblickt. Ihre Marketing-trächtigen Namen lauten Romulus und Remus, nach den Kindern des Gottes Mars, die der Legende nach die Stadt Rom gründeten. Am 30. Januar 2025 folgte ein weibliches Jungtier mit Namen Khaleesi – entsprechend einer wichtigen Figur in Game of Thrones. Das Unternehmen spricht von der De-Extinction des Schreckenswolfs. Inzwischen sind die drei Welpen Jungwölfe geworden und augenscheinlich wohlauf, leben in einem 2000 Hektar großen Naturreservat. Aber sind es wirklich Schreckenswölfe?

Fachleute sind mehrheitlich skeptisch. Colossal hat DNA aus einem 13.000 Jahre alten Zahn und einem 72.000 Jahre alten Schädel eines Schreckenswolfs entnommen und aufbereitet. Mit der DNA der drei Jungtiere hat diese DNA jedoch wenig zu tun. „Colossal hat die Genome von Schreckenswölfen und Grauwölfen verglichen und unter etwa 19.000 Genen festgestellt, dass zwanzig Veränderungen in vierzehn Genen einen Schreckenswolf ergeben“, kommentiert etwa Nic Rawlence, Direktor des Otago Palaeogenetics Laboratory an der University of Otago in Neuseeland. Tatsächlich sind die drei Jungtiere aus einem Grauwolf-Genom entstanden, in dem Colossal mittels Genom-Editierung die jeweiligen Genorte so verändert hat, dass sie den Pendants des Schreckenswolfs entsprechen. Aus Unternehmenssicht sollen dies die evolutionären Veränderungen sein, die beide Arten physisch unterscheiden.
In Wahrheit sind es Grauwolf-Hybride
Fachlich ist das wenig überzeugend: „Schreckenswölfe haben sich vor etwa 2,5 bis 6 Millionen Jahren von Grauwölfen getrennt. Sie gehören zu einer völlig anderen Gattung als Grauwölfe“, betont Rawlence. Kollege Philip Seddon, Paläogenetiker an der University of Otago, assistiert: „Colossal behauptet, dies sei die weltweit erste Wiederbelebung einer ausgestorbenen Art, aber obwohl dies zweifellos einige erstaunliche technologische Durchbrüche erforderte, sind die niedlichen Welpen Romulus, Remus und Khaleesi keine Schreckenswölfe – sie sind genetisch veränderte Grauwölfe.“ Der Afrikanische Schakal könne näher mit dem Schreckenswolf verwandt sein als der Grauwolf.

Warum sollte man den Schreckenswolf überhaupt wiederbeleben? Die Argumente dafür, die die Firma anführt, sind oft recht abstrakt. So ließe sich verloren gegangene Vielfalt wiederherstellen, ebenso wie das Gleichgewicht in Ökosystemen, denen heute große Beutegreifer fehlten. Letzteres wurde etwa im Yellowstone-Nationalpark mit der Wiedereinführung des Grauwolfs erfolgreich praktiziert. Doch das wirft gleich die Anschlussfrage auf: Weshalb sollte der Grauwolf nicht die Funktion erfüllen können? Immerhin ist er an die heutige Umwelt angepasst. Oder mit den Worten von Rawlence: „Existiert das Ökosystem, in dem der Schreckenswolf einst lebte, überhaupt noch? Es erinnert an die klassische Szene aus dem ersten Jurassic-Park-Film, in der ein Triceratops sehr krank wird, weil er Pflanzen frisst, die es zu seiner Zeit noch nicht gab.“
Symbolische Bedeutung für indigene Stämme?
Colossal verweist auch auf den symbolischen Wert für die indigene Bevölkerung, die das Projekt wohlwollend begleitet haben soll: Für sie sei die Rückkehr des Schreckenswolfs spirituell bedeutsam als Symbol der Natur und des Gleichgewichts. Angeblich hätten Vertreter der indigenen Stämme der Mandan, Hidatsa und Arikara Interesse bekundet, Schreckenswölfe in ihrem Reservat in North Dakota anzusiedeln. Doch eigene öffentliche Stellungnahmen der Indigenen finden sich dazu bislang keine.
Immerhin gibt es plausible Gründe, weshalb Colossal letztlich hybride Grauwölfe erzeugt hat und keine genetisch echten Schreckenswölfe: „Um etwas wirklich wiederzubeleben, müsste man es klonen“, erläutert Rawlence. Das Problem sei, dass man ausgestorbene Tiere nicht klonen könne, weil die DNA nicht gut genug erhalten sei: „Selbst wenn man das Genom sequenziert, kann man die DNA nicht in hinreichend langen Fragmenten extrahieren, wie es bei lebenden Tieren möglich ist.“
Auch vier Rotwolf-Junge erzeugt
Das wiederum führt zu einem wenig beachteten anderen Erfolg von Colossal: Das Unternehmen hat auch vier Rotwölfe (Canis rufus) durch wenig invasive Klontechniken geboren: Blaze, Cinder, Ash und Hope. Diese Art existiert noch in North Carolina und einigen Zoos, ist aber vom Aussterben bedroht. Heute gibt es nur noch Nachkommen von zwölf ursprünglichen Linien. Die vier neuen Tiere erweitern diese genetische Basis und verringern Inzuchtschäden, die bei zu enger genetischer Verwandtschaft auftreten. Erzeugt wurden die vier Rotwölfe durch die Gewinnung von Perizyten – einer Art Stammzellen – aus Blutproben. Aus den Zellen wurden Embryonen entwickelt und von Leihmüttern ausgetragen. Tatsächlich ist das mächtigste Argument für die Forschung, die Colossal durchführt, der gentechnische Fortschritt. Er könnte indes nur dabei helfen, eines Tages Arten wiederzubeleben, die noch nicht lange ausgestorben sind und noch einen Platz in heutigen Ökosystemen hätten. Und er könnte dazu beitragen, vom Aussterben bedrohte Arten zu erhalten.

Interessante Technologie für den Artenschutz
„Persönlich denke ich, dass wir die Technologie zur Wiederbelebung entwickeln sollten, sie aber nutzen sollten, um das zu erhalten, was wir noch haben“, sagt Rawlence. „Wir sollten keine Arten aus dem Aussterben zurückholen.“ Und Kollege Seddon ergänzt kritisch: „Sollten wir erhebliche Ressourcen für die Wiederbelebung ausgestorbener Arten verwenden, wenn viele lebende Arten vom Aussterben bedroht sind?“